Bereits zum fünften Mal steht der München Marathon in meinem Laufkalender, wobei ich die Liebe zu der großen Runde durch die bayerische Hauptstadt erst in den letzten Jahren fand. Heuer bin ich jedenfalls zum dritten Mal in Folge dabei und freue mich schon Tage zuvor auf meinen 17. Marathon des Jahres.
Mit dabei ist Charly, der meine Vorfreude so ganz und gar nicht verstehen kann. Ihm gefällt der München Marathon eigentlich gar nicht, sieht ihn nur als Pflichtaufgabe auf dem Weg zu seinem 100. Marathon, den er in möglichst naher Zukunft über die Bühne bringen will.
So haben Charly und ich schon auf dem Weg nach München eine Diskussionsgrundlage. Charly findet den Englischen Garten langweilig und die Passagen durch Industriegebiete ätzend. Ich halte jedoch entgegen, dass ich den Start am Coubertinplatz im Olympiagelände für äußerst gelungen und stimmungsvoll halte. Im Englischen Garten genieße ich stets die Ruhe, da mir 42 Kilometer Trubel an der Strecke zu viel wären. Die zugegebenermaßen nicht sehr attraktiven Abschnitte durch Industrie- und Wohngebiete nutze ich einfach als geistige Auszeit und freue mich dann umso mehr auf die Innenstadt und die Maxvorstadt, wo tausende von Zuschauern Stimmung machen und sich Sehenswürdigkeit an Sehenswürdigkeit reiht. Zudem treffe ich in München immer zahlreiche Lauffreunde aus dem bayerischen Raum.
Ohne Charly recht vom München Marathon überzeugen zu können, erreichen wir den Olympiapark und marschieren zur Olympiahalle, wo seit dem vergangenen Jahr die Startnummernausgabe stattfindet. Etwas schade finde ich, dass die Marathonmesse am Sonntag schon immer abgebaut ist und wir eigentlich nur noch unsere Startnummern abholen können. Trotzdem wird es uns vor dem Start nicht langweilig. Es gibt ja noch den Block D im Olympiastadion, der zum festen Treffpunkt mit meinen Lauffreunden geworden ist. Swati und Amitap Barve warten schon, als Charly und ich eintreffen. Kurz darauf treffen auch Andrea Löw und Frank Reichl ein. Wir haben unser Erinnerungsfoto schon im Kasten bzw. auf der Speicherkarte, als etwas verspätet auch Peter Burk und Melanie Nagl eintreffen. Die Zeit vergeht so natürlich wie im Flug und wir müssen aufpassen, dass wir uns rechtzeitig in Richtung Startbereich begeben. Doch die Wege sind dank des neuen Starts vor der Olympiahalle erfreulich kurz. Wir müssen uns dennoch trennen, da wir nicht alle für den gleichen Startblock gemeldet sind. Mit Melanie begebe ich mich in den Startblock D, Charly reiht sich einen Startblock weiter vorne ein.
Melanie und ich müssen uns etwas gedulden, da die jeweiligen Startblöcke mit fünf Minuten Abstand gestartet werden. Melanie ist erstaunlich gelassen, steht doch ihr erster Marathon bevor. Ich lasse es mir aber nicht nehmen und gebe ihr gerne noch ein paar Tipps mit auf den Weg. Melanie hofft auf eine Zielzeit von rund 4:30 Stunden und somit könnte ich mir die erste Hälfte mit ihr teilen. Ich habe vor die erste Hälfte in gut 2:15 Stunden anzulaufen, um dann deutlich herauszunehmen. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens herrschen beim Start noch angenehme Bedingungen, aber ab Mittag wird es ziemlich warm werden. Es sind bis zu 25 Grad angesagt und da kein Wölkchen am Himmel zu sehen ist, werden wir diese auch problemlos erreichen. Zweitens werden im Rahmen des München Marathons auch die Bayerischen Marathonmeisterschaften ausgetragen. Toni Lautner ist bei den Bayerischen am Start und will natürlich einen guten Altersklassenplatz erlaufen. Da er aber gleichzeitig für den Bericht auf marathon4you verantwortlich ist, bat er mich das Fotografieren auf der Strecke für ihn zu übernehmen. Das konnte ich Toni natürlich nicht ausschlagen und so war mir klar, dass ich auf dem deutlich attraktiveren zweiten Streckenabschnitt ein paar Umwege und Fotostopps in Kauf nehmen muss und so auch mein Schnitt deutlich in den Keller gehen würde.
Um 10:15 Uhr war es dann für Melanie und mich so weit, auch wir durften den München Marathon unter die Füße nehmen und endlich loslaufen. Unter der nach wie vor faszinierenden Dachkonstruktion des Olympiastadions und den dazugehörigen Hallen ging es vom Coubertinplatz aus noch kurz durch das Olympiagelände und dann ab in Richtung Schwabing. Nur zwei Kilometer konnte ich mir die Strecke mit Melanie teilen, dann sah ich sie schon langsam entschwinden. Das Fotografieren kostet halt einfach doch Zeit und ein ständiges Zulaufen der dadurch entstandenen Abstände würde einfach zu viel Kraft kosten. Ich wünschte Melanie in Gedanken viel Glück für ihren ersten Marathon und konzentrierte mich dann auf mich selbst und die Strecke.
Über die Ackermannstraße und die Elisabethstraße erreichten wir schon nach wenigen Kilometern Schwabing und bogen nach rechts in die Leopoldstraße ein. Schon von weitem konnte ich das imposante Siegestor ausmachen. Wir liefen direkt darauf zu und die Strecke war schon von etlichen Zuschauern gesäumt und die Stimmung prima. Da kurz vor dem Siegestor gewendet wird, kommen uns auch die Läufer vor uns in Scharen entgegen. Es wuselt also ganz schön auf der Leopoldstraße. Nach dem Start, also schon das zweite Highlight des München Marathons und wir befinden uns bei Kilometer fünf. Weiter führt die Strecke nun entlang des Englischen Gartens weiter durch Schwabing. Die Strecke säumen nun etliche schöne, gepflegte Villen aus vergangen Tagen. Die Zuschauer sind nicht mehr so zahlreich vorhanden, aber doch gut gelaunt.
Unmittelbar vor dem Englischen Garten wird es auf und neben der Strecke wieder etwas unruhiger. Zahlreiche Staffeln teilen sich mit uns den Weg durch München und bei Kilometer 8 findet der erste Wechsel statt. Am Eingang des Englischen Gartens erwartet uns wie jedes Jahr eine Blaskapelle, die sich jedoch in dem Moment als ich vorbeilaufe eine kleine Pause gönnt. Nun geht es für sieben Kilometer durch Münchens „Grüne Lunge“. Mit 3,7 Quadratkilometern ist sie eine der größten Stadtparks der Welt. Zahlreiche Wiesen, Bäche und Seen bieten den Münchnern die Möglichkeit sich vom Großstadttrubel zu erholen und Kraft zu tanken. Uns bietet diese Möglichkeit eine Verpflegungsstation, die schon seit Jahren von der LG Passau organisiert wird. Wir sind hier etwa bei Kilometer 10 und ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass ich voll im Plan liege. Noch weitere fünf Kilometer kann ich die Natur genießen und vergesse beinahe, dass ich gerade an einem Stadtlauf teilnehme. Die Hauptattraktionen im Englischen Garten, wie z.B. den Chinesischen Turm, das Rumfordschlössl oder auch den Monopterus bekommen wir leider wieder nicht zu Gesicht. Aber das soll sich wohl schon im kommenden Jahr ändern, da eine neue Strecke angedacht ist. Dies ist aber offiziell noch nicht bestätigt.
Nach dem Englischen Garten führt uns der Weg nun etwas trist in Richtung Oberföhring. Gelegentlich finden sich kleinere Zuschauergrüppchen am Streckenrand ein und bieten etwas Abwechslung. Die Strecke selbst bietet nichts Besonderes, aber Längen gibt es bei nahezu jedem Stadtmarathon. Bei Kilometer 21 tummelt sich wieder eine Schar an Menschen. Hier wird in Kürze der Halbmarathon gestartet und so haben sich neben den Startern auch schon viele Zuschauer eingefunden. Der zweite Wechsel der Staffel geht hier ebenfalls über die Bühne. Moderatoren von Radio Gong sorgen, neben Cheerleadern und dem Maskottchen des München Marathons „Joggl“ für Partystimmung.
Für mich ist es mal wieder Zeit auf die Uhr zu schauen. Passt! Ich bin gut 2:15 Stunden unterwegs und fühle mich gut. Es dürfte also auf der zweiten Hälfte genügend Zeit für Fotostopps sein, um am Ende noch eine vernünftige Zielzeit zu erreichen zu können. Für weitere sechs Kilometer kann ich mir noch eine geistige Auszeit nehmen, denn auch die Strecke durch Berg am Laim kann nicht mit optischen Highlights aufwarten. Mich stört das nicht sonderlich, denn ab Kilometer 27 bzw. 30 werde ich Fotos nahezu im Minutentakt schießen müssen. Es bleibt also noch etwas Zeit. Entlang der Gleisanlage des Ostbahnhofs befinde ich mich tatsächlich im geistigen Nirgendwo, als mich plötzlich jemand von hinten anspricht. Es ist Charly. Ich habe ihn ohne es wahrzunehmen bei etwa Kilometer 26 überholt. Um es mit seinen eigenen Worten auszudrücken, ihm ging es richtig beschissen und er musste schon seit Kilometer 13 immer wieder Gehpausen einlegen. Ich versuchte ihn noch etwas aufzumuntern, was jedoch kaum möglich schien und als er wieder ins Marschieren überging, lief ich weiter und Charly war schon bald nicht mehr zu sehen.
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