Der Bregenzerwald liegt im Westen Österreichs, im Bundesland Vorarlberg. Beginnt südöstlich von Bregenz, grenzt dabei an die Bodenseeregion, das Allgäu, Kleinwalsertal und Arlberggebiet. Ein größeres Waldgebiet ist die Region heute aber nicht mehr, die Bezeichnung geht auf einige hundert Jahre zurück. Etwa 30 Kilometer entfernt vom Bodensee liegt Bizau. Etwas versteckt, über Dornbirn erreichbar, liegt Bizau auf einem weiten, 680 Meter hoch gelegenen Talboden. Rund 1.000 Einwohner zählt der Ort.
Zum vierten Mal wird heuer der Bizau Traillauf (30,5 km, 1.660 hm) und Erlebnis Traillauf (7,6 km, 340 hm) ausgetragen. Im Vorjahr hat man noch den Bizau Ultra mit ins Programm genommen, dieser ist 48,2 km lang und kann stolze 3.000 Höhenmeter aufweisen. Am gepflegten Fußballplatz des SV Bizau liegt der Start- und Zielort der Veranstaltung für alle Läufe. Im Clubheim kann man sich seine Startnummer abholen, zudem befinden sich hier auch Duschen und eine Massagemöglichkeit nach dem Lauf. Für die relativ kleine Veranstaltung – etwa 250 Teilnehmer – ist alles sehr professionell aufgezogen, von den Zeitmessmatten bis zur mitlaufenden Uhr, alles da.
Früh aufstehen, heißt es für mich am Samstagmorgen, der Start für den Ultra ist bereits um 7 Uhr angesetzt. Vielleicht bin ich geistig heuer noch nicht auf so eine frühe Startzeit gepolt, mein Wecker klingelt auf alle Fälle eine Stunde später als geplant. Dafür ist mein Adrenalinspiegel gleich ganz oben, jetzt heißt es „hurry up“. Der letzte freie Parkplatz vor der Sportanlage, nimmt mir den letzten Druck. Rechtzeitig zum Briefing um 6.45 Uhr bin ich vor Ort.
Es hat in der Nacht geregnet, deshalb sind einige Streckenabschnitte sehr matschig, erzählt uns der Sprecher am Micro. Pflicht für alle ist ein eingeschaltetes Mobiltelefon, am besten mit eingespeicherter Notrufnummer. Die befindet sich auch auf der Rückseite unserer Startnummer. Die Streckenmarkierungen werden uns erklärt. Und natürlich, wie immer bei einem Trail: wer aussteigt muss sich bei einem Posten abmelden. Beim Eingang in den Startkanal wird stichprobenartig die Pflichtausrüstung kontrolliert. Wenn der Rucksack gut gefüllt aussieht, bleibt man verschont.
Die Allgäuer haben eine starke Truppe am Start, da werden sicher wieder einige vorne mitmischen oder um die Altersklassenplatzierungen laufen, wie ich sie so kenne. Für mich zählt eher das Durchkommen. Das Zeitlimit von 10 Stunden wird mir nicht viel Luft gönnen, vermute ich vorab. Beim Ultra sind heute etwa 70 Läufer/innen am Start. Pünktlich geht’s los. Zum Warmwerden durchqueren wir erst Bizau und noch komplett im Flachen das komplette Tal. Schon auf dem ersten Kilometer wird vom Großteil der Starter ein Tempo angeschlagen, da bleibt mir fast die Spucke weg. Das ist nicht mein Ding, ich reserviere mir vorab mal einen Platz kurz vor dem Besenläufer.
Nach 1,3 km erreichen wir die gegenüberliegende Talseite, wir dürfen erstmal eine 9 km lange Schleife mit noch mäßigen Höhenmetern drehen und kommen dann wieder nach Bizau zurück. Nach dem ersten Aufstieg im Wald kommen wir auch schon zum versprochenen Schlamm. Da wurde nicht übertrieben. Ich habe mich heute voll verpokert und auf eine trockene Piste gesetzt und so nur mittleres Profil auf den Sohlen. Die Schlammbeißer mit den groben Stollen liegen zu Hause.
So rutsche ich mehr über besonders kritische Abschnitte. Das gehört natürlich auch zum Trailrunning und macht ja auch Spaß. Es geht mal etwas rauf, mal wieder runter und auch immer wieder aus dem Wald heraus auf festen Untergrund und in die bereits hochstehende Sonne. Recht schwierig ist das noch nicht, macht aber bereits sehr viel Laune. Nach 7 km sind wir wieder am Waldrand und Talboden zurück. Auf Schotter und Asphalt geht es zurück nach Bizau. Am südlichen Ortsrand ist die erste Verpflegungsstation errichtet. Ich muss mich erstmal meiner Armlinge und Weste entledigen, es ist doch schon richtig angenehm warm geworden.
Die Gruppe vor mir ist bereits weg, die zurückliegenden mit dem Besenläufer noch nicht in Sicht. So mache ich mich mutterseelenalleine auf den ersten richtigen Aufstieg. Überwiegend, auf gut befestigten Wegen geht es nach oben. Alles gut zu bewältigen, nicht übermäßig steil. Zwischendrin sind aber auch immer wieder kurze Trailabschnitte zur durchqueren. Vor Mutterkühen wird gewarnt. Sie haben sich scheinbar an uns Läufer gewöhnt, sind alle ganz locker und entspannt.
Der höchste Punkt dieses Anstieges liegt an der Alpe Wildmoos (km 16). Leckeren Käse könnte man hier kaufen. Der Bregenzerwald sei für den Käsekenner, was das Bordeaux für den Weinliebhaber ist, urteilt ein bekannter Reiseführer. Ich würde gerne kosten, nachdem mein Frühstück ausfallen musste. Leider Fehlanzeige, niemand zu sehen. Von genau 1400 Meter Höhe geht es ab hier wieder runter auf 750 Meter.
In Sonderdach, zwei Kilometer weiter passieren wir die Mittelstation der Seilbahn Bezau. Das ist kein Schreibfehler, neben Bizau gibt es auch die Gemeinde Bezau. Die Frau die meine Nummer notiert, ist ganz begeistert, weil ich ein paar Fotos mache und einen Blick für die Umgebung habe. Es geht weiter seicht bergab. Immer wieder wunderschön ist der Blick auf die umliegenden Berge und das unter uns liegende Bezau, dem ich jetzt immer näher komme.
Nach 3:50 erreiche ich nach 20,5 km die zweite VP. Obwohl ja bereits die meisten durch sind, gibt es noch eine reichliche Auswahl. Energy-Gels, Riegel, Bananen, Waffeln und Kuchen sind zu haben. Ich hab jetzt wirklich Hunger und gönne mir eine zehnminütige Pause, zudem ist von den hinter mir liegenden und vom Besenläufer nichts zu sehen. Ein Kälbchen ist bereit für eine kleine Fotosession, die Mutterkuh interessiert sich nicht dafür. Übrigens ganz interessant: 32.000 Einwohner zählt die Region Bregenzerwald und 35.000 Kühe. Ja, davon bekomme ich heute fast mehr zu sehen, als von Läufern.
Einen Kilometer weiter, um 11.07 Uhr steht ein junger Streckenposten und meint ich muss jetzt meine Startnummer abgeben, ich habe das Zeitlimit überschritten, er soll sie einsammeln. „Nee, jetzt!“ Ich bin total perplex, ich weiß überhaupt nichts von einem Zeitlimit. Ich erkläre ihm, dass es in der Ausschreibung kein Cut-Off aufgeführt ist. Zudem habe ich ja gerade eine längere Brotzeitpause eingelegt, da der Besenläufer noch überhaupt nicht in Sicht war und ich gar keine Eile vorliegen sah. Nach kurzer Diskussion kann ich ihn überzeugen, ich darf weiter.
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