Reißend und gefährlich wild floss der Neckar einstmals dahin, wodurch er auch seinen Namen erhielt. Dieser ist keltischen Ursprungs und bedeutet „heftiger, böser, schneller Fluss“. Mit Beginn der landwirtschaftlichen Nutzung und Industrialisierung wurde der Fluss Stück für Stück gezähmt. Sein Flussbett wurde massiv begradigt, an manchen Stellen durch völlig neue Kanäle geleitet und von 27 Schleusen gestaut. Trotz der massiven Eingriffe gehört das Neckarufer zu den schönsten Landschaften Baden-Württembergs. Von der Quelle im Schwenninger Moos bis zur Rheinmündung in Mannheim überwindet er 367 km und fließt ausschließlich durch BW.
Seit kurzem gibt es Bestrebungen, dass der Neckar im Raum Stuttgart an Aufenthaltsqualität gewinnen und die Stadt am Fluss erlebbar werden soll. Dazu hat der Oberbürgermeister von Stuttgart einen Masterplan für die Entwicklung des Neckars vorgelegt. Mehr als 20 Projekte sind Teil dieser Aktionen, die bis ins Jahr 2035 geplant sind.
Schneller als der Bürgermeister war Michael Weber, Ehrenmitglied des 100-Marathon Clubs und in Stuttgart zuhause, er ermöglicht heuer bereits zum offiziell 3. Mal einer Gruppe Marathonis sich am Ufer des Neckars auszutoben. Michaels Helferteam wird jedes Jahr größer, so können peu à peu mehr am Erlebnis teilhaben. Im Herbst 2015 wurde erstmal getestet und bei der offiziellen Premiere 2016 konnten 35 Läufer und Läuferinnen teilnehmen. Im Vorjahr waren es schon gut 80 Freaks und für heuer sieht es noch besser aus: das Teilnehmerfeld weist immerhin schon fast 140 Personen aus, letztendlich werden etwas mehr als 100 am Start sein.
Greppi, Charly und ich waren im Vorjahr zum ersten Mal dabei und uns gefiel die Strecke und Ausrichtung der Veranstaltung auf Anhieb, so mussten wir nicht lange überlegen, den Neckarufer Marathon zu wiederholen. Die relativ wenigen Plätze sind begehrt, so ist es ratsam, nicht lange zu überlegen und die Anmeldung frühzeitig vorzunehmen. Wer zu spät dran ist, kommt auf die Warteliste, wo heuer fast alle komplett noch aufrücken konnten. Mit bescheidenen 15 € ist man dabei, dafür gibt es exzellente Streckenverpflegung, eine Zeitmessung mit Chip am Schuh und auch eine schöne Medaille im Ziel. Heuer wird auch noch eine offizielle Halbmarathonzeit gemessen. Michaels Service ist wieder vorbildlich, mehrmals bekommen wir Mails mit den letzten Infos, wie z.B. einer Baustelle, die bei der Anreise auf einer bestimmten Route für einen Umweg sorgen könnte.
Start und Ziel liegen beim Wassersportzentrum am Max-Eyth-See in Stuttgart-Hofen direkt am Fluss. Etwa einen Kilometer vom Startplatz gibt es einen großen Parkplatz, der zur Startzeit praktisch noch leer ist und so für entspanntes Anreisen ohne lange Parkplatzsuche sorgt. Frostige 0 Grad zeigt uns das Thermometer noch um 8 Uhr an, aber im Laufe des Tages soll der Frühling mit 13 Grad und viel Sonne vorbeischauen. Die unterschiedlichen Temperaturen sorgen bei mir normalerweise immer für Kopfzerbrechen bei der Kleiderwahl. Beim Neckarufer Marathon passieren wir etwa grob alle 10 km den Start- und Zieldurchlauf. Wir können hier unsere Tasche mit Wechselklamotten deponieren und natürlich so auch immer wieder ablegen wenn es uns zu warm wird. Also optimal, ich muss mich nicht vom Start weg entscheiden, was ich bis ins Ziel trage. Zuerst müssen Greppi, Charly und ich aber erst mal die vielen Lauffreunde und Bekannten begrüßen, gefühlsmäßig kennt man fast jeden zweiten.
Nachdem Michael seine Startpistole geladen hat, schickt er uns mit leichter Verspätung um 9.02 Uhr auf die Strecke. Einige der (noch geplanten) Strände und Aktionen des Masterplans werden wir heute passieren. Die ersten 400 m geht es noch etwas eng, direkt an den Anlagen des Wassersportzentrums entlang. Nach unterqueren der Hofener Brücke befinden wir uns auf den Neckarradweg.
Rechts von uns liegt hinter dem Damm, recht unscheinbar, das alte Fährhaus von Hofen. Von hier legte bis 1934 in regelmäßigen Abständen eine kleine Fähre ab, um Menschen, Tiere und Material auf das gegenüberliegende Ufer nach Mühlhausen zu bringen. Eine Umgestaltung rund um das noch gut erhaltene Fährhaus soll seine Geschichte wieder sichtbar macht. Laut Masterplan dauert es aber noch etwas, ab 2022 soll es in Angriff genommen werden.
Die ersten Kilometer auf dem Radweg befinden sich um diese Uhrzeit noch im Schatten, so sind immer wieder Abschnitte noch leicht vereist und spiegelglatt. Da heißt es auf der Hut zu sein. Den Vier-Burgen-Steg erreichen wir nach einem Kilometer, etwa 8 km später werden wir hier von der gegenüberliegen Seite wieder herüber wechseln. Nach 3 km passieren wir die Fellbacher Landungsbrücke. Die Brücke ist eigentlich ein Kunstwerk, sie ragt nur ein paar Meter in das Wasser hinein und hört dann einfach auf. Man darf aber ausdrücklich hinauf, sie soll für den Besucher neue Ausblicke auf das hier renaturierte Flussufer schaffen. Sie ist Teil eines älteren Masterplans von 2007, für einen Landschaftspark Neckar. Am Uferweg gegenüber können schon die schnelleren Läufer beobachtet werden.
An der Schleuse Aldingen (km 5) wechseln wir die Neckarseite, über die Staustufe geht’s hinüber. Durch die Schiffsschleuse manövriert gerade ein größerer Pott. In Stuttgart wurde der Neckar ab den 1930er-Jahren kanalisiert und zur Bundeswasserstraße ausgebaut. Heute fließt er in einer für die Schifffahrt ausgelegten Fahrrinne aus Beton. Für uns ist hier die erste gut sortierte Verpflegungsstelle aufgebaut. Wer ein Stück Kuchen für ein zweites Frühstück bevorzugt, kann sich bedienen. Von einem Helfer wird die Startnummer nummeriert, damit alles seine Ordnung hat und keiner auf dumme Gedanken kommt.
Ohne größere Höhepunkte geht es auf einem Radweg wieder zurück, die Ausblicke auf den Neckar sind aber sehr schön. Wir laufen auf dieser Seite bereits in der Sonne, was es noch angenehmer macht. Am Vier-Burgen-Steg wechseln wir wieder die Seite. Nach 10 km passieren wir wieder unseren Startplatz. Meine erste Schicht Wärmebekleidung verschwindet in der Tasche.
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