Im letzten Jahr hatte ich die Ehre an der Premiere des Schurwald Marathons im baden-württembergischen Landkreis Esslingen teilzunehmen und war begeistert. Ausgetragen wird die Veranstaltungen durch den LIWA-Lauftreff, einer Abteilung des TSV Lichtenwald. Ich hatte bei meinen vergangenen Läufen immer mal wieder die Gelegenheit das ein oder andere Mitglied des Lauftreffs kennenzulernen. Als dann Anfang des Jahres die Anfrage aus Lichtenwald kam, ob ich den bei der zweiten Auflage wieder dabei sein will, musste ich nicht lange überlegen. Klar, das kann und will ich mir nicht entgehen lassen.
Insgesamt findet das LIWA-LaufEvent inzwischen schon bereits zum siebzehnten Mal statt. Neben den obligatorischen 10-Kilometern und einem Halbmarathon, kam im letzten Jahr dann erstmals der Marathon dazu. Bei dem Schurwald Marathon handelt es sich um einen Landschaftslauf, bei dem nicht nur die 42,195 Kilometer, sondern zusätzlich noch rund 650 Höhenmeter zu bewältigen sind.
Zusammen mit Jan treffe ich am Marathonsonntag rechtzeitig in Lichtenwald ein und wir bekommen noch problemlos einen Parkplatz. Zahlreiche Feuerwehrler sind bereits im Einsatz und übernehmen die Einweisung der ankommenden Fahrzeuge. In der Mehrzweckhalle der Gemeinde Lichtenwald werden wir gleich freudig begrüßt. Ich treffe Bernie vom SIWA-Lauftreff, der bis zum Start des Marathons, an dem er auch selbst teilnehmen will, kurzerhand noch die Ausgabe der Startnummern für den Halbmarathon übernimmt. In einem kurzen Gespräch stellen wir beide fest, dass wir heute jeweils unseren 77. Marathon absolvieren werden. Ich witzle noch kurz, dass wir dann eigentlich im Ziel unsere Schnapszahlmarathons mit dem entsprechenden Getränk feiern müssten. Obwohl ich eigentlich keinen Schnaps trinke, zögert Bernie nicht lange, kramt das Handy hervor und ordert eine Flasche „Williams“. Es ging ja schon gut los.
Am Tisch gegenüber bekam ich meine Startnummer für den Marathon und anschließend gönnten Jan und ich uns noch einen Kaffee in der Halle. Wir beobachteten das Treiben der zahlreichen freiwilligen Helfer, die gut an ihren, in der Laufszene inzwischen wohl gut bekannten grünen Laufshirts und Trainingsjacken, leicht zu erkennen waren. Es wurden Kuchen und Torten beigebracht, Pokale für die Siegerehrungen platziert, nach und nach füllte sich die Halle auch mit Läufern. Da Baden-Württemberg ja lauftechnisch schon so etwas wie eine zweite Heimat für mich ist, konnte ich zahlreiche Lauffreunde begrüßen. In einem kurzen Gespräch über die Organisation erklärte mir Kalle, dass am heutigen Tage rund 300 Helfer im Einsatz sind und die Mitglieder gut ausgelastet sind, weshalb die Teilnahmezahlen beim Marathon auf 200 Läufer und beim Halbmarathon auf weitere 400 beschränkt sind. Mehr traut man sich im Moment noch nicht zu, obwohl die Stecke wohl deutlich mehr Läufer aufnehmen könnte. Insgesamt werden es heute rund 1250 Teilnehmer sein, die in Bambini-Läufen, Walking-Wettbewerben und den Langstrecken an den Start begeben.
Um 09:15 Uhr startet der Marathon vor dem Bürgerzentrum in Lichtenwald. Jan und ich kommen gerade noch rechtzeitig, hatten wir doch die Zeit etwas vergessen und können so gerade noch den letzten Grußworten lauschen, bevor, wie bereits im letzten Jahr, die Hymne des Berlin Marathons erklang und wir pünktlich auf unsere Reise geschickt wurden. Ich freute mich riesig auf das was nun vor mir lag, auch wenn ich es heute deutlich langsamer angehen lassen musste wie im vergangenen Jahr. Mir steckten noch die Höhenmeter vom Obermain-Marathon in den Knochen und das merkte ich auch auf den ersten Metern schon deutlich. Da jedoch der Zielschluss mit sieben Stunden äußerst großzügig bemessen ist, machte ich mir über das Finish zu keiner Zeit Sorgen. Das Wetter wird heute auch wieder richtig prima. Noch haben wir etwas frische fünf Grad, doch im Laufe des Tages sollte es um die 20 Grad werden. Läuferherz was willst du mehr?
Die ersten zwei-, dreihundert Meter führen uns an zahlreichen Zuschauern raus aus Lichtenwald. Es geht erst mal eben dahin und wir laufen in Richtung Süden. In der Ferne kann man die Berge der Schwäbischen Alb erkennen, über uns trüben nur ein paar weiße Wölkchen den blauen Himmel. Immer wieder geht es nun am Anfang sachte bergab, bevor wir am Ende des Gehweges mit einem kurzen Schwenk nach rechts und gleich wieder nach links in den vor uns liegend Wald eintauchen. Nun haben wir einen breiten, gut zu laufenden Waldweg vor uns. Auf den ersten Kilometern geht es nun wirklich stetig bergab und man kann es so richtig schön laufen lassen. Das tut auch Jan. Er liebt Bergab-Passagen und so ist er schon bald aus meinem Blickfeld entschwunden. Man kann erkennen, dass der Wald nach dem langen kalten Winter auch gerade so richtig in Fahrt kommt. Einzelne Bäume sind zwar noch kahl, andere hingegen stehen bereits in voller Blütenpracht da und man erkennt, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis der gesamte Wald wieder sein volles Laubkleid trägt. Ich genieße die Aussicht auf den Frühling und laufe Kilometer und Kilometer bergab. Bis Kilometer 5 sind wir so bald angekommen und erreichen kurz zuvor die erste Verpflegungsstation.
Mit dem Bergablaufen ist es jetzt erst mal passé. Anfangs geht es noch leicht wellig dahin und man kann alles gut laufen. Doch dann liegt ein langer zäher Anstieg vor uns. Ich kann mich an ihn noch gut erinnern. Eigentlich ist er zu flach, als dass man ihn wirklich gehend bewältigen muss, anderseits ist er zu kräftezehrend, als dass man ihn laufen will. Ich entscheide mich, dafür ihn mit Gehpausen zu laufen, wobei die Pausen immer länger werden. Ich will ja meine Körner nicht schon am Anfang verschießen, es liegt ja noch ein gutes Stück vor mir. Ab nun müssen wir uns auch immer wieder mal von den Halbmarathonis überholen lassen, die eine viertel Stunde nach uns gestartet sind. Ihre Strecke ist bis Kilometer 20 mit unserer identisch. In der Nähe von Ebersbach verlassen wir kurz den Wald und laufen zwischen sattgrünen Wiesen und blühenden Bäumen eine kurze Schleife auf einem Forstweg, bevor es erneut in den Wald zurück geht.
Die erste Hälfte des Marathons verläuft übrigens nahezu ausschließlich im Wald, was etwas überrascht. Schließlich leitet sich der Name Lichtenwald vom „lichten Wald“ ab, einer Bezeichnung, die schon im Jahr 1555 in alten Forstlagerbüchern des örtlichen Forstamtes zu finden war. Die Gemeinde Lichtenwald gibt es seit 1971 durch einen freiwilligen Zusammenschluss der bis dahin selbständigen Gemeinden Hegenlohe und Thomashardt. Mir macht das im Moment gar nichts aus. Ich genieße hier die frische Luft und das Laufen im Wald macht einfach Spaß. Auch auf den kommenden Kilometern durch den Wald wechseln sich Anstiege und Gefälle immer wieder ab. Ich schließe nun auch auf Kati und Bernie auf, die vor mir gerade wieder einmal bergauf in den Schlenderschritt verfallen sind. Irgendwann zieht Bernie von dannen und ich teile mir die weitere Strecke, wie schon so oft, mit Kati.
Immer wieder erreichen wir eine der Verpflegungsstellen, die im Abstand von fünf Kilometern aufgebaut sind. Die Helferinnen und Helfer sind stets gut drauf und für jeden Spaß zu haben. Bis etwa Kilometer 19 bleiben wir im Wald, müssen nur hier und da eine Straße überqueren, die jedoch stets perfekt durch die Feuerwehr oder Helfer abgesichert ist. Als also etwa bei Kilometer 19 den Wald erst einmal hinter uns lassen, liegt vor uns schon Lichtenwald. Die Halbmarathonis, die uns immer noch umgeben, werden bald ihr Ziel erreicht haben. Ich kann auch schon Baden-Württembergs schönsten Wasserturm vor mir erkennen. Im Oktober 2008 konnten Hörer des Radiosenders SWR1 wählen und der Lichtenwalder Wasserturm schaffte es auf Platz 1 vor Mannheim. Der Turm wurde am oberen Ende mit blauen Wassertropfen verziert und macht das sonst doch etwas unspektakuläre Gebäude doch tatsächlich zu einem Augenmagneten. Übrigens stammte jede zweite Stimme für den Lichtenwalder Wasserturm aus Lichtenwald selbst, was zeigt, dass die Bewohner hinter ihrem verzierten Wasserturm stehen. |