Unverhofft kommt oft, kurzfristig eröffnet sich die Möglichkeit am Obermain Marathon in Bad Staffelstein teilzunehmen. Der Kollege „G.“ braucht ein Alibi für einen Außeneinsatz. Mir passt der Termin auf Anhieb super ins Programm, so dauert mein o.k. nur ein paar Sekunden. Ich kann jetzt die Teilnahme im Schurwald eine Woche später knicken und muss so nicht an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden laufen. Ja, man wird älter, außerdem ist das für meine Achillessehnen verträglicher.
Janosch ist auch schnell zu überzeugen („dann muss i jetzt noch a bisserl trainieren“), so machen wir uns zu dritt auf den Weg ins Frankenland. Bad Staffelstein liegt rund 30 Kilometer oberhalb von Bamberg im schönen Maintal. Als Obermainland wird die Hügellandschaft entlang des Oberlaufes des Mains und seiner beiden Quellflüsse bezeichnet. Umgeben wird Bad Staffelstein vom berühmten „Dreigestirn“, dem Kloster Banz, der Basilika Vierzehnheiligen und dem Staffelberg. Das sind dann auch die drei Höhepunkte der Marathonstrecke.
Am Freitag bekomme ich von Facebook unerwartet die Erinnerung, dass ebenfalls Greppi, Jan und ich, vor genau 5 Jahren am Wild Forest teilgenommen haben. Da war doch was? Irgendwann dämmert mir, das war doch auf den Tag genau 10 Jahre nach meinem Marathondebüt. 10 + 5 macht nach Adam Riese genau 15. Bei Ehepaaren nennt sich das Kristallhochzeit, somit feiere ich wohl dieses Wochenende mein Kristall-Marathonjubiläum.
Apropos Adam Riese. Vor gut 500 Jahren ist er in Staffelstein geboren und wohl der berühmteste Sohn der Gemeinde. Aber wer war er eigentlich und warum wurde sein Name zum geflügelten Wort? Er war tatsächlich das, was man heute mit ihm verbindet: ein Rechenmeister. Damit war er zwar nicht alleine, sein Anliegen aber war revolutionär. Adam Ries – wie er wirklich hieß – hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Rechnen dem einfachen Volk zugänglich zu machen. Es war damals nicht üblich, dass jeder rechnen konnte. Nicht selten wurden einfache Bürger von Kaufleuten übers Ohr gehauen, weil sie schlicht deren Kalkulationen nicht nachvollziehen konnten.
Da wir gerade beim Rechnen sind, der Lauf rechnet sich auch für uns, für 34 € bekommen wir ein Funktions-Langarmshirt, im Ziel eine Medaille und ein volles Weißbierglas mit Marathonlogo, sowie einen kostenlosen Eintritt in die Obermain-Therme, die direkt neben dem Zielgelände liegt und natürlich eine tolle Strecke mit 12 Verpflegungsstationen und den drei Sehenswürdigkeiten.
Ein wunderschöner Marathonmorgen erwartet uns, zwar liegen die Temperaturen noch bei frischen 7 Grad, aber der Himmel ist makellos blau und es sind bis zu 23 Grad vorhergesagt. Das sorgt natürlich bei uns für prächtige Stimmung, hat schon fast was von Sommer – praktisch übergangslos vom Winter. Ich habe tatsächlich heuer zum ersten Mal die kurze Hose im Freien an.
Um 8.30 Uhr wird gestartet, durch ein Wohngebiet erreichen wir nach ein paar Minuten den Bahnhof und sind raus aus Bad Staffelstein. Auf einer Landstraße erreichen wir nach zwei Kilometer Unnersdorf, am Ortseingang überqueren wir den Main. Nach der Ortschaft beginnt die erste Steigung, bei der wir auf gut drei Kilometer Länge rund 200 Höhenmeter bezwingen müssen. Hierfür verlassen wir die bequeme Teerstraße und begeben uns auf eine Schotterstraße durch den Wald. Als Naturliebhaber gefällt mir das natürlich gleich viel besser. Insgesamt überwiegen aber auf der kompletten Strecke mehr die Asphaltabschnitte. In erster Linie die Aufstiege und höher gelegenen Teile werden aber auf Naturbelägen zurückgelegt. Insgesamt weißt der Kurs knapp 700 Höhenmeter auf. Also durchaus anspruchsvoll.
Ich habe mich hinter dem 4:30er Pacer eingeordnet, nicht weil das mein heutiges Ziel ist, sondern rein zufällig weil mir das Tempo gerade angenehm ist. Vor mir lausche ich einem Gespräch, die Stimme kommt mir bekannt vor, aber die langen Haare passen irgendwie nicht zu meiner Vorstellung. Als ich mich einmal ins Gespräch einklinke, dämmert mir endlich dass neben mir Olaf läuft, den ich eigentlich ganz gut kenne. Wir haben uns schon öfters getroffen und unterhalten. Er erzählt mir, letztes Jahr hat er ein altes Foto aus seinen Anfangslaufjahren von sich betrachtet, wo er noch so lange Haare hatte und spontan beschlossen, sie zu seinem 60. nochmal wachsen zu lassen. Was doch ein paar Haare ausmachen.
Ganz entgegen meiner sonstigen Zurückhaltung während Langstrecken bei Steigungen, bewältige ich den Großteil des Anstiegs bis Kloster Banz hinauf im Laufschritt, abgelenkt durch die Unterhaltung und weil es gerade gut läuft. Bisher haben wir das Kloster nur von unten vor uns gehabt, jetzt steht die im Barock erbaute Klosterkirche grell und überwältigenden im Sonnenlicht vor uns. Der Blick in das Maintal und auf die gegenüberliegenden Anhöhen ist herrlich. Eine lange Gerade führt uns in einem Rutsch wieder hinunter ins Maintal. Genau das richtige für Jan, der mich so an der nächsten VP wieder einholen kann.
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