Jeder kennt vermutlich das Problem. Es gibt Läufe, die man unbedingt mal laufen will, aber Jahr für Jahr kommt etwas anderes dazwischen. Bei mir war es lange Zeit mit dem Pitztal Gletscher Marathon so. Dieses Jahr hat es endlich geklappt und ich bin dabei.
Der Start, der inzwischen schon 13. Auflage erfolgt am Samstag frühmorgens um 08.00 Uhr, weshalb ich zusammen mit Charly schon am Freitagnachmittag anreise. Die Fahrt geht über den Grenzübergang Füssen-Reutte und anschließend über den Fernpass nach Imst. Doch bevor wir unsere Zimmer in Imst beziehen, fahren wir erst noch mal zehn Kilometer weiter nach Wenns. In der Tennishalle des Pitz Parks findet die Startnummernausgabe statt. Eine kleine Marathonmesse gibt es ebenfalls und eine kostenlose Pasta- bzw. Knödelparty für alle Teilnehmer. Dort treffen wir wie vereinbart auch auf Otto. Er ist von den Spinatknödeln mehr als angetan. Charly und ich sind aber auch mit unserer Portion Pasta Bolognese mehr als zufrieden. Es hätte zwar noch Nachschlag gegeben, aber wir wollten abends noch gemeinsam zum Essen gehen, daher lehnten wir das Angebot dankend ab.
Mein Wecker riss mich am nächsten Morgen um kurz vor fünf Uhr aus dem Schlaf und nach einem kurzen Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Schwimmbad in der Nähe des Zielbereiches. Drei Shuttlebusse waren eingesetzt, um die gut zweihundert Marathonis zum Start nach Mandarfen zu fahren. Dabei konnte man schon mal einen guten Eindruck von der Strecke gewinnen, denn genau auf dieser ging es nach oben. Umso näher wir Mandarfen kamen, umso besser wurde auch meine Laune. Das Wetter war prima, die Landschaft um mich herum ein Traum. Wir erreichen schließlich sicher Mandarfen, einen Weiler in der Gemeinde St. Leonhard. Es liegt auf 1675 Metern und ist einer der wichtigsten Orte im Pitztal. Ursprünglich war Mandarfen lediglich eine Alm, die nur in den Sommermonaten bewohnt war. Heute findet man dort mehrere Hotels und Ferienwohnungen, die etwa neunhundert Gästen Platz bieten. Dort findet man auch den Pitztaler Gletscher, den Namensgeber des Marathons. Er ist einer von drei Skigebieten im Pitztal mit einer Pistenhöhe von 3440 Metern. Dementsprechend gigantisch ist auch die Kulisse, die wir hier vorfinden.
Uns bleibt noch gut Zeit für eine Tasse Kaffee, sowie um etliche Marathonfreunde zu begrüßen. Unsere Kleiderbeutel können wir bequem kurz vor dem Start noch abgeben. Sie machen sich zusammen mit dem Shuttlebus gleich wieder auf den Weg nach Imst. Kurz darauf ist es dann auch schon so weit. Trotz ein paar technischer Probleme bringt der Moderator seine AC/DC-Scheibe zum Laufen und wir werden mit Hells Bells auf den bevorstehenden Lauf heiß gemacht. Neben den 42,195 Kilometern liegen auch 1.223 negative, sowie 636 positive Höhenmeter vor uns. Der ohrenbetäubende Knall einer Böllerkanone schickt uns auf die Reise nach Imst. Doch bevor wir uns auf der L16 ins Tal stürzen dürfen, drehen wir erst noch eine rund zwei Kilometer lange Runde um Mandarfen. Dabei geht es kaum merklich, aber doch stetig bergauf. Mein Puls ist gleich auf Anschlag und ich pumpe wie ein Maikäfer und das schon auf dem ersten Kilometer. Die Höhenluft macht sich natürlich gleich bemerkbar und auch die Läufer um mich herum haben zu meiner Beruhigung damit zu kämpfen. Ein paar von ihnen stellen schon jetzt das Laufen ein und bewältigen einen Teil der Runde gehend. Ich bin eisern und ziehe durch.
Schließlich finde ich mich auf der L16 wieder und nun geht es bergab und zwar für lange fünfundzwanzig Kilometer. Mein Puls beruhigt sich schnell wieder und ich versuche möglichst schnell mein Wohlfühltempo zu finden. Die Verlockung ist groß, es gleich richtig laufen zu lassen, doch man sollte mit den Kräften haushalten, denn es liegt ja noch einiges vor uns. Mein Tempo liegt rund fünfzehn Sekunden unter dem normalen Marathontempo, das sollte gut sein. Wie viele andere um mich herum, komme ich aus dem Schauen gar nicht heraus. Die Landschaft ist ein Traum. Die Temperaturen angenehm kühl und die Sonne zaubert die Berge um mich herum in einen herrlichen Glanz. Hier und da plätschert ein Gebirgsbach oder ein Wasserfall stürzt sich den Berg hinab. Schöner könnte es gerade gar nicht sein und dank des stets leichten Gefälles läuft es sich wunderbar leicht. So erreiche ich schneller als gedacht die erste Verpflegungsstelle in Plangeroß bei Kilometer 4,9. Ein kleiner Schluck Iso muss reichen und weiter geht`s.
Ich versuche hier und da den Gesprächen der Läufer und Läuferinnen um mich herum zu folgen und glaube immer mehr den Aussagen des Moderators, der immerhin Läufer aus 21 Nationen begrüßte. Tatsächlich vernehme ich neben Englisch, Französisch und Italienisch auch einige mir nicht bekannte Sprachen. Es scheint tatsächlich ein internationales Läuferfeld zu sein. Einen jungen Läufer asiatischer Herkunft finde ich stets in meiner Nähe, er macht mir mit seiner Kamera richtiggehend Konkurrenz. An den Laufshirts erkenne ich auch ungarische, tschechische und niederländische Teilnehmer. Schließlich höre ich jedoch eine vertraute Stimme hinter mir. „Der Greppi will es heute richtig wissen …“, höre ich meinen Wiener Lauffreund Gerhard Wally witzeln. Er ist wie gewohnt gemeinsam mit Helene Macher unterwegs und leicht am Trachtenoutfit zu erkennen. Wir tauschen ein paar Worte und dann lasse ich die beiden ziehen. Auch Herbert Orlinger kann ich begrüßen.
Ich hatte vor dem Start etwas Sorge, dass die Strecke langatmig werden könnte, da man ja nur auf der L16 von Mandarfen nach Imst läuft. Es gibt nur am Ende ein paar Abzweigungen, aber ich hatte mich getäuscht, jede der zahlreichen Kurven gibt einen neuen tollen Blick auf die Landschaft preis. Nun durchqueren wir einen von mehreren Tunnels auf der Strecke. Die Anweisung stets rechts zu laufen, macht hier besonders Sinn. Die L16 ist nämlich nicht für den Verkehr gesperrt. Auch wenn auf der Straße noch nicht viel los ist, gibt es doch den ein oder anderen Verkehrsteilnehmer, der die Hinweisschilder auf die Laufveranstaltung ignoriert und nach meinem Gefühl zu schnell und zu nah an uns verbeifährt. Insbesondere in den Tunnels birgt das ein gewisses Gefahrenpotential. Kurze Zeit später erreiche ich relativ locker Neurur und somit die zweite Verpflegungsstation bei Kilometer 9.
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