Der Heilbronner Trollinger Marathon startet in diesem Jahr bereits in seiner 18. Auflage. Obwohl ich schon so viel über den Trolli, wie er gerne genannt wird, gehört habe, hat sich eine Teilnahme bisher noch nicht ergeben. Dieses Jahr will ich diesen weißen Fleck in meiner Marathonsammlung aber ausradieren und bin gespannt was mich erwartet. Oft fährt man ja mit großen Erwartungen zu Läufen mit großem Namen und ist hinterher enttäuscht. Ob es mir auch beim Trolli so ergehen wird? Ich werde sehen.
Schon am Samstagnachmittag mache ich mich auf den Weg nach Heilbronn im nördlichen Baden-Württemberg. Sie ist mit nicht ganz 125.000 Einwohnern die siebtgrößte Stadt des Bundeslandes. Die Anfahrt verläuft über die A8, A7 und abschließend über die A6 ganz entspannt. Ob es wohl ein Zufall ist, dass die drei befahrenen Autobahnen ausgerechnet Modellbezeichnungen der Automarke Audi sind. Jedenfalls verlassen wir die A6 in Neckarsulm, wo eben dieser Autohersteller sein zweigrößtes deutsches Werk angesiedelt hat und eben genau diese Modelle herstellt.
Es ist jedoch nicht das Audi-Werk, das mir ins Auge sticht. Es ist das Atomkraftwerk Neckarwestheim, das sich hier hoch über die umgebende Industrie erhebt und bei mir ein leicht beklemmendes Gefühl erweckt. Kurz darauf haben wir unser Hotel in Heilbronn erreicht. Drei Sterne soll es haben und ich kann es zunächst gar nicht glauben. Im Erdgeschoß des Gebäudes ist ein amerikanisches Fast-Food-Restaurant untergebracht und auch die Umgebung wirkt nicht sonderlich einladend. Egal, solange die Zimmer sauber sind, will ich ja nicht meckern.
An der Rezeption empfängt uns ein freundlicher Herr, der zwar noch keinen Dienst hat, aber die Anmeldung ohne zu zögern für uns übernimmt. Ich muss natürlich kurz noch den Witz loswerden, dass ich gerne das Einzelzimmer mit Whirlpool hätte. Die gibt es nur ein Haus weiter erklärte er grinsend, aber er könne es mir nicht empfehlen. Ah, es ist wohl eines dieser Establishments frage ich vorsichtig an. So ist es dann auch. Charly und ich beziehen unsere Zimmer, die tatsächlich meinen Vorstellungen entsprechen und ich prüfe kurz die Aussicht. Das Panorama ist überwältigend. Rechts erhebt sich ein Berg auf dessen Gipfel eine Burg mit Biergarten thront, unmittelbar vor mir habe ich einen perfekten Blick auf das Je t'aime, ein etwas heruntergekommenes Bordell und links säumt das Atomkraftwerk den Ausblick. Herrlich! Aber was solls… Vorhang zu und schon bin ich zurück in meiner heilen Welt.
Unsere Startunterlagen haben wir schon auf dem Weg zum Hotel abgeholt und so sortiere ich schon mal meine Klamotten für den nächsten Tag. Danach machen Charly und ich uns auf die Suche nach einem guten Italiener. Dazu schlagen wir den Weg in Richtung Innenstadt ein, da unser Viertel nicht nach empfehlenswerten Lokalen aussieht. Bierkneippen, asiatische Imbisse und Dönerbuden prägen hier das Bild. Doch nach einem kurzen Fußmarsch werden wir fündig und können kurze Zeit später frisch gestärkt den Rückweg antreten. Das Fernsehprogramm an diesem Abend gibt nicht wirklich etwas her und so zappe ich durch die unzähligen Programme, ohne mich wirklich für eine Sendung interessieren zu können. Hätte ich doch nur mein Buch nicht zuhause vergessen. Später als erhofft schlief ich dann doch irgendwann ein und verbrachte eine relativ unruhige Nacht, so dass mich der Wecker um halb Sieben morgens doch etwas unsanft aus dem Schlaf riss. Ein kurzes Frühstück und schon wenig später machten Charly und ich uns auf den Weg ins Heilbronner Frankenstadion. Ein Frankenstadion in Baden-Württemberg? Das hatte mich schon in der Ausschreibung stutzig gemacht. Aber tatsächlich befinden wir uns in der Region Heilbronn-Franken. Heilbronn gehörte im Mittelalter noch zum Herzogtum Franken und tatsächlich spricht man hier auch fränkischen Dialekt.
Am Frankenstadion angekommen, wollen wir erst mal unseren Kleiderbeutel loswerden und finden die Gepäckabgabe auch gleich auf der ersten Grünfläche vor dem Stadion. Doch hier will man von uns nichts wissen. Die Firma „Lidl“ hat hier ein eigenes Terrain angemietet. Die Fläche ist größer als bei manch anderem Landschaftsmarathon und wird durch gelbgewandete Läufer frequentiert. Das ist wirklich irre, mehr als hundert Läufer scheinen nur für den Discounter an den Start zu gehen und haben hier ihr eigenes Reich. Also folgen wir weiter den Schildern zur allgemeinen Gepäckabgabe und schon bald können wir uns unserer Last entledigen. Wir schlendern noch etwas auf dem Gelände des Stadions herum und laufen schon bald meinen Freunden vom LIWA-Lauftreff in die Arme. Mit Uli Teichmann, Jo Höschele, natürlich auch Kati Schramm, einigen Läufern des 100-Marathon-Teams treffe ich zahlreiche weitere Freunde. Auch mit Klaus und Margot Duwe kann ich mich noch kurz austauschen, bevor wir uns auf den Weg in den Startbereich machen. Dieser findet in der Badstraße außerhalb des Stadions statt. Die alleenartige Straße bietet viel Schatten, was ich schon jetzt gerne annehme, denn heute wird es mal wieder richtig warm. Neben uns verläuft idyllisch ein Seitenarm des Neckars und schon kommt die Lust auf‘s Laufen auf. Die triste Umgebung des Vortags ist sofort vergessen.
Rund 500 Marathonis tummeln sich zusammen mit einigen Marathonstaffel-Teilnehmern vor dem Startbogen. Auch nach beinahe achtzig gelaufenen Marathons stellt sich bei mir die inzwischen schon gewohnte Nervosität ein und ich will endlich los. Kathi und ich wollen heute mal wieder getrennt laufen, da Kathi etwas auf`s Tempo drücken will und ich nur einen langsamen Trainingslauf anvisiert habe. So sortiere ich mich auch gleich etwas weiter hinten im Feld ein. Bernie vom LIWA-Lauftreff ist in meiner Nähe und wäre ein idealer Laufpartner. Aber erst mal loslaufen und schauen, was sich so ergibt. Schließlich ist es auch so weit und wir werden auf die Strecke gelassen.
Ein paarhundert Meter geht es nun auf der Allee entlang des Neckar-Seitenarms entlang, bevor wir diesen überqueren und auf der Gegenseite zurücklaufen. Da es sich beim Trolli um einen Landschaftslauf handelt, wird die Innenstadt gänzlich ausgelassen und wir bringen die Stadt schnell hinter uns. Auf einem Rad- und Wanderweg geht es nun zwischen Wiesen hindurch in Richtung Sontheim, einen Ortsteil von Heilbronn. Dort erreichen wir nach fünf Kilometern auch schon die erste Verpflegungsstelle, die ich natürlich wahrnehme. Bernie ist nun schon länger an meiner Seite und gibt mir zu verstehen, dass er heute nicht gut drauf ist, ihm fehlen Trainingskilometer und er will mich ziehen lassen. Ich bleibe aber gerne noch ein paar Kilometer bei ihm und so erreichen wir schon kurz nach Flein den heftigsten Anstieg des Trollis. Zwischen Kilometer 9 und 10 sind etwa einhundert Höhenmeter zu überwinden. Diesen nehme ich natürlich gleich im Gehschritt. |