Drei Jahre ist es her als ich im irischen Wexford meinen 46. Marathon lief. Damals war es mehr oder weniger Zufall, dass ich ausgerechnet beim Wexford Marathon an den Start ging. Silke und ich wollten den Südosten Irlands erkunden und dabei sollte nach Möglichkeit auch noch ein Marathon herausspringen. Der Wexford Marathon entsprach dabei genau meinen Vorstellungen. Ein familiärer Landschaftslauf mit gut einhundert Teilnehmern, einem ansprechenden Höhenprofil und einer herrlichen Umgebung. Der Marathon blieb mir natürlich in bester Erinnerung und es blieb auch die Freundschaft zur Organisatorin Dee Browne. So kam es dann auch irgendwann zu dem Versprechen, dass ich wieder zurückkomme und wenn möglich sollte es mein Jubiläumsmarathon, also der Einhundertste, werden.
Es war nicht ganz einfach dieses Versprechen zu halten. Über zwanzig Marathons musste ich dafür im vergangenen Jahr bewältigen. Dieses Jahr war mein Laufkalender mit acht Marathons bis Anfang Juni ebenfalls dicht gefüllt. Alles ging gut und meine Sorgen über eventuelle Verletzungen oder Erkrankungen waren unbegründet. So ging es für Silke und mich schon am Donnerstag endlich wieder nach Irland. Nach gut zweieinhalb Flugstunden landeten wir in Dublin, mieteten uns einen Kleinwagen und machten uns auf den Weg in den Süden. Die Fahrt nach Wexford dauert noch einmal gut zweieinhalb Stunden.
Wexford ist eine kleine beschauliche Stadt, die im 9. Jahrhundert von den Wikingern gegründet wurde. Sie liegt an der Mündung des Flusses Slaney, den wir bei unserer Anreise auf einer langen Brücke überqueren. Die langen Kaianlagen Wexford`s liegen nun vor uns und dahinter erhebt sich die Silhouette der Stadt. Die Vorfreude auf die kommenden Tage steigt nochmal an. Ich freue mich auf die gelassene Atmosphäre Wexfords, deren Altstadt eine für Irland wirklich typische Fußgängerzone hat. Altmodische Geschäfte wechseln sich mit gemütlichen Pubs ab. Zusammen mit der Ruine der Selskar Abbey aus dem 12. Jahrhundert und den bunten Fassaden der Geschäfte bietet sich hier für das Auge an jeder Ecke etwas.
Nachdem wir uns in unserer Ferienwohnung einquartiert haben, bleibt noch Zeit für ein gemütliches Abendessen und natürlich geht es in`s Kilrane Inn, unserer Stammkneipe von vor drei Jahren. Ein genialer Burger und frischgezapftes Guinness und schon fühlen wir uns wieder wie zu Hause. Obwohl wir die Umgebung damals schon ausreichend erkundet haben, finden sich für die kommenden Tage noch genügend neue Möglichkeiten. Der Irish National Heritage Park und die Wicklow Mountains sind jedenfalls einen Besuch wert. Natürlich gibt es auch ein paar Plätze, die wir unbedingt noch einmal besuchen wollen. Am Samstagnachmittag steht Wexford`s Altstadt auf dem Plan, denn zwischen 12 und 15 Uhr gibt es die Möglichkeit im Clayton White Hotel die Startunterlagen abzuholen und das lässt sich wunderbar verbinden. Eine Marathonmesse oder ähnliches sucht man in Wexford allerdings vergeblich. In einem kleinen Büro im ersten Stock treffen wir auf Dee und es gibt natürlich erst einmal ein herzliches Wiedersehen. Als ich das Büro wieder verlasse, habe ich allerdings nur mein Laufshirt in den Händen. Die Startnummer will mir Dee erst kurz vor dem Start geben. Da wartet wohl eine Überraschung auf mich.
Am Sonntagmorgen ist es dann endlich so weit. Mein Jubiläumsmarathon steht an und ich bin tatsächlich etwas nervös. Eigentlich ist es doch nur ein Marathon wie jeder andere, aber irgendwie kribbelt es heute etwas mehr im Magen als sonst. Jedenfalls scheint auch das Wetter etwas zu einem tollen Jubiläum betragen zu wollen. Die Sonne strahlt. Am Himmel ist keine Wolke zu sehen. Es hat gut 15 Grad. Silke und ich treffen gut eine Stunde vor dem Start um 9 Uhr am Hafen ein. Der Zielbogen ist auf dem Kai im Hafen aufgebaut und der Startbogen gut dreihundert Meter weiter direkt am Hafen. Es wartet heute eine neue Strecke auf mich. Es geht 21 Kilometer runter nach Rosslare und auf der identischen Strecke wieder zurück. Im Gegensatz zu meiner letzten Teilnahme soll die Strecke flach sein, was aber alles relativ ist. Die Straßen hier sind immer leicht wellig, so dass mit Sicherheit auch keine einfache Aufgabe ist, die da vor mir liegt.
Am Hafen ist es noch ruhig. Die meisten, der gut 140 gemeldeten Läufer sind zwar schon da, doch Aufregung ist nicht zu spüren. Ich treffe vor dem Start zu meiner Freude noch auf Alexandra, die in Deutschland aufgewachsen ist, aber schon seit Jahren in Wexford lebt und kann mich so sogar noch ein paar Minuten auf Deutsch unterhalten. Eine viertel Stunde vor dem Start versammeln sich die Teilnehmer rund um den Startbogen. Gerry Forde, ein Handbiker, der auch vor drei Jahren schon am Start war, ist schon startklar. Heute hat er sogar einen Konkurrenten. Den beiden wird etwas Vorsprung gegeben, damit sie beim Start keine Probleme bekommen. Es sind noch gut zehn Minuten bis zum Start.
Dee überreicht mir nun auch meine Startnummer. Es ist die „100“. Wow, was für eine Ehre. Zudem hebt sich meine Startnummer auch farblich von den anderen ab. Natürlich machen wir noch ein gemeinsame Erinnerungsfotos, bevor mir Silke helfen muss die Startnummer ans Shirt zu heften. Die Finger sind doch etwas zu zittrig. Schon vor dem Start erkennen mehrere Teilnehmer den Grund für die besondere Startnummer und gratulieren schon mal vorab. Dann geht es aber endlich los. Dee`s Sohn Aidan übernimmt das Startprozedere und schickt uns auf die Reise. Kaum bin ich ein paar hundert Meter gelaufen, verfliegt auch schon die Nervosität und ein gutes Gefühl stellt sich ein. Ich sortiere mich knapp hinter dem 4:30-Stunden-Pacer ein und will ihn langsam davonziehen lassen. 2:20 Stunden habe ich mir für die erste Hälfte vorgenommen, um dann gemütlich zurücklaufen zu können. Unter fünf Stunden will ich trotz des fordernden Höhenprofils bei meinem Jubiläum dann doch bleiben.
Am Hafen entlang laufen wir erst einmal in Richtung Süden. Die Strecke ist lediglich auf dem ersten Kilometer für den Verkehr gesperrt und zum Ortsende hin geht es schon mal leicht bergan. Als wir Wexford verlassen geht es auf einer breiten Landstraße weiter. Ab hier ist die Strecke wieder für den Verkehr freigegeben, was jedoch nicht stört. Die Iren sind äußerst rücksichtsvoll und zuckeln schon mal für mehrere Minuten hinter einem her, wenn es gerade keine Überholmöglichkeit gibt. Kurz nach dem „2 Meilen“-Schild geht es nach links weg und es wird ruhiger. Hier herrscht kaum noch Verkehr und wir passieren auch unser Hotel. Ich selbst bin inzwischen warmgelaufen und kann dem Pacer vor mir leicht folgen. Dennoch will ich ihm, wie geplant, nicht auf den Fersen bleiben und eventuell unnötige Körner zu verbraten. Dieser Streckenabschnitt ist wirklich herrlich. Bäume und Büsche säumen den Weg. Weitläufige Weiden liegen ebenso links und rechts von uns. Auf ihnen weiden riesige Kuh- und Schafherden. Einfach Irland! Unterwegs komme ich auch immer wieder mit Läufern ins Gespräch und so vergeht die Zeit wie im Flug.
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