Nach genau 20 km erfolgt mit einer Spitzkehre die Streckentrennung, wir dürfen uns von den L-Startern verabschieden. Für die XLer geht es weiter aufwärts. Der Aufstieg erfolgt über herrliche Almwiesen und einem Kammweg hinauf zum Gründegg. Uns bietet sich ein bombastischer Panoramablick. Auf der einen Seite die Hohen Tauern auf der anderen der Hochkönig sowie das Tennengebirge. Rechts von uns mitten auf der Wiese ist ein Kreuz zu erkennen, ich frage mich, ob es einen Gipfel markiert. Der Abstecher ist mir aber zu weit, um das evtl. zu erfahren.
Über eine kleine Holzleiter überwinden wir den Viehzaun und passieren viele kleine Moorseen und Lacken. Diese liegen links und rechts von kleinen Erhebungen umgeben in einem schwach ausgeprägten Talkessel. Allmählich wird es immer steiler und vor allem steiniger je höher wir kommen. Zu unserer Linken geht’s auch schon mal weit runter. Der Gipfel des Gründegg (2168 m) markiert nach 22,5 km den höchsten Punkt unserer Strecke. Zwei Bergwachtler überwachen unser Bemühen und sind dann auch gerne bereit ein Gipfelfoto zu knipsen.
Weit einzusehen ist vom Gipfel ein großer Abschnitt unseres weiteren Weges. Bevor wir auf den Kamm kommen, muss aber noch ein großes Schneefeld durchquert werden. Ich bin froh Stöcke dabei zu haben. Zweieinhalb Kilometer und 500 hm geht es abwärts bis zur nächsten VP. Der Streckenabschnitt ist wieder gut gewässert, mit vielen Rinnsalen und Wasserpfützen durchzogen. Dem Enzian taugt das, wie man sehen kann, er steht voll in der Blüte.
Durch eine breite Schneise kann ich schon von weitem die Kleinarler Hütte ausmachen. Zur Halbzeit unseres Kurses haben wir uns eine anständige Pause verdient. Ein großer Topf mit Linsensuppe steht zur Stärkung bereit. Da kann ich mal wieder nicht nein sagen. Für mich ist das auch immer ein gutes Zeichen, solange es mir während eines Laufs schmeckt, läufts. Aber wehe es geht mal nix mehr rein... Zum Essen spendiert mir der Wirt noch ein gebirgswassergekühltes Bierchen. Ich bin da nicht der einzige, der dieses Angebot nicht ausschlagen kann.
Mit Bill mache ich mich auf den Weg zur zweiten Hälfte. Der Hüttenwirt meint: „Das Ärgste habt’s überstanden, alles nimmer so schlimm“. Auf unserer Startnummer ist auch das Höhenprofil aufgedruckt, so glaube ich die Aussage nicht ganz vorbehaltlos. 200 Meter müssen wir wieder zurück, von wo wir hergekommen sind, dann geht’s rauf zum Kitzstein. Einfach geht anders, die 300 hm ziehen sich lange durch rustikales Gelände dahin.
Auf einem Kammweg überqueren wir den langgezogenen Bergrücken des Kitzstein, links und rechts geht’s weit runter. Geil, ein Traum für Trailrunner und wieder ein Panorama zum Jubelieren. Die Einheimischen nennen den Kitzstein allerdings Gabel, was möglicherweise Indiz für seine zwei Gipfel sein könnte, die er eigentlich aufweist. Wir steuern direkt auf ein großes Naturkreuz auf dem Vorberg zu. Von weitem sieht es für mich eher wie ein heidnischer Versammlungsplatz aus. Rundum sind kreisförmig gekürzte Baumstämme angeordnet.
So weit entfernt bin ich gar nicht mit meiner Einschätzung, die Erklärung steht auf einer Tafel. Der alte Lärchenbaum wird „Das kosmische Kreuz“ genannt und ist eine Darstellung aus der Schöpfung von Mutter Erde. Am Boden ist der Baum nach allen vier Himmelsrichtungen ausgerichtet, der Kreuzungspunkt symbolisiert unsere eigene Mitte. Ein Zeichen, dass wir mit allen verbunden sind. Mit dem Kreuz als zusätzliche Achse, wird die Verbindung zwischen Mutter Erde und dem Kosmos hergestellt. Umgeben von 12 Positionen als Symbol der Ganzheit (12 Stunden, 12 Monate, 12 Gehirnnerven, 12 Apostel usw.). Beim nächsten Mal nehme ich mir hier mehr Zeit.
Das nächste Highlight wartet auf uns beim Abstieg. Ein unpassierbarer Pfad zwingt uns erst durchs dichte Gestrüpp und anschließend auf eine Schneetreppe. Echt Wahnsinn, was man hier für uns in den Schnee gezaubert hat. Fast vertikal balanciert man die Stufen abwärts. Natürlich überwacht von der Bergwacht. Ein Mitstreiter jammert an den Bergwachtler hin: „Was hat das mit Trailrunning zu tun?“ Da sind Bill und ich gänzlich anderer Meinung, wir sind schlicht begeistert. Trailrunning bedeutet für mich auch Fortbewegung auf schwierigstem Terrain und gerade das macht doch auch mal so richtig Spaß.
Genau 30 km stehen an der Maurachalm auf unserem Tacho, mit einer Matte wird die Zwischenzeit gemessen. Wahrscheinlich dient sie auch der Kontrolle, wir sind hier am nördlichsten Punkt der Strecke. Von hier schlagen wir den Rückweg ein. Vom Almwirt bekommen wir belegte Brote und Bauernkrapfen zur Stärkung serviert.
Für zwei Kilometer geht es weiter abwärts. Zum ersten Mal haben wir heute eine Schotterstraße unter den Füßen. Ich packe meine Stöcke ein und versuche Kilometer zu machen und dabei etwas Zeit aufzuholen. Insgesamt summiert sich der Abschnitt auf 6 km, auf mehr oder weniger gepflegten Wegen. Wir befinden uns jetzt auch wieder auf dem Salzburger Almenweg, passieren dabei einige bewirtete Hütten, die gut besucht sind. Unsere nächste VP erreichen wir nach 34 km neben der Karseggalm. Die Brote mit Geräuchertem sehen auch wieder sehr lecker aus und lassen mir keine Wahl. Das wird schon mal wieder nix mit einer ausgeglichenen Kalorienbilanz.
Nach etwa 35 km ist Schluss mit der Herrlichkeit des leichten Laufens, wir werden wieder in den Wald und in die Pampa geleitet. Ist natürlich viel schöner und abwechslungsreicher. Der Himmel gefällt mir dafür immer weniger, es wird dunkler und ungemütlicher. Oben auf der Hochwildalm wird es mir dann doch etwas zu kühl, ich ziehe Weste und Ärmel über. Es tröpfelt aber nur, die Regenjacke wird noch nicht benötigt. Ich bin schon seit einiger Zeit ganz einsam und alleine unterwegs, niemand mehr vor oder hinter mir zu sehen.
Ab km 38 gibt es nochmals einen Kilometer auf einer Schotterstraße, genau unterhalb des Gründegg-Gipfels. Hätte ich den Kurs genau studiert, hätte ich mir die Wegführung bereits von oben ansehen können. Eine letzte Kletterpassage führt noch einmal bis fast auf den Saukarkopf auf 1900 m hoch. Nach etwa 42 km sind aber alle Anstiege geschafft und das reicht mir auch für heute. Der Rest geht bergab.
Die Streckenvereinigung mit dem L-Kurs erreiche ich einen Kilometer später. Natürlich ist jetzt niemand mehr von den L-Startern unterwegs. Steil geht es über Almwiesen nach unten. Menschen gibt es für mich seit einiger Zeit keine mehr zu sehen, dafür häufen sich die Rindviecher. Manch eine steht schon sehr provozierend im Weg. Einmal muss ich sogar an ein einer besonderen Engstelle am Hang durch die Wiese ein Stück hochsteigen um ihr auszuweichen. Die Kuh ist zufrieden und ignoriert mich.
Einen Kilometer weiter stößt auch der M-Kurs dazu. Die finalen 6 Kilometer aller drei Strecken sind identisch. An der Gersreitalm ist wieder eine Zeitmessmatte aufgebaut, dazu unsere letzte Labestelle. In einem riesigen Topf schwimmen noch ein paar Würstchen. Was glaubt ihr? Ja, ja, ich hab immer noch Appetit.
Anfangs noch super steil, für mich kaum zu laufen, geht’s weiter. Aber bald wird’s etwas flacher. Ich weiß nicht was im Würstchen drin war, aber ich kann jetzt nochmal den Turbo zünden und bis ins Ziel durchstarten und sogar noch einige Mitstreiter überholen. Ich bin happy und auch restlos begeistert. Im Ziel nehmen mich Rudi und Stephan in Empfang und wollen sofort wissen wie es war: „Großartig, aber auch sehr anspruchsvoll. Bis auf die kurzen Schotterabschnitte Trails vom Feinsten mit grandiosen Aussichten.“ Gefühlsmäßig würde ich schätzen, das waren deutlich mehr als 2560 Höhenmeter, was mir meine GPS-Aufzeichnung hinterher auch bestätigt. Wie genau die dann natürlich ist, steht auf einem anderen Blatt.
An der Zielverpflegung gäbe es jetzt auch Kuchen. Nein danke, ich bin pappsatt. Aber das Zielschnapserl lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Ist ja auch gut für die Verdauung. Axel stößt mit mir an. Er ist zweimal die 15er-Runde gelaufen, nachdem ihn sein Wecker heute Morgen im Stich gelassen hat. So nach und nach treffen alle Kontrahenten im Ziel ein, die heute abwechselnd meine Begleiter waren. Ich freue mich natürlich für jeden von ihnen.
Trails geil, Landschaft traumhaft, Location perfekt. So würde ich die dritte Premiere der Mountainman-Serie in kurzen Worten beschreiben. Das Konzept mit Trailrunnern & Trailhikern sowie Teilnehmern mit Hunden funktionierte reibungslos. Alle Strecken im Großarltal sind recht anspruchsvoll. Besonders natürlich die XL-Strecke, sie ist eine echte Größe.
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