Zum 50. Mal findet heuer der Ebbser Koasamarsch statt, das ist so etwas wie eine Goldene Hochzeit und das muss natürlich richtig gefeiert werden. Bis vor zwei Jahren war der Kosamarsch noch eine reine Wanderveranstaltung. Eine richtige Hochzeit gab es eigentlich erst 2017, da haben sich nämlich die Wanderer mit den Trailrunnern verbandelt. Zu den vier Wanderstrecken wurden zusätzlich noch drei Trailrunning-Bewerbe angeheiratet. Das waren ein Halbmarathon mit 1000 Höhenmetern, Classic-Run über 33 km/1730 hm und als längste Trailrun-Distanz ein Marathon mit 44 Kilometern. Dabei ist es geblieben, bis auf den Marathon, der wird zum heurigen Jubiläum gestrichen und einmalig durch einen „Goldenen Fünfziger“ ersetzt. Hierfür gibt’s dann auch goldene Startnummern, eine golden Streckenmarkierung und ein goldglänzend bedrucktes Teilnehmershirt.
Die genauen Daten für den KOASA-Jubiläums-Ultralauf sind höchst beeindruckend: 52,4 km und 3450 Höhenmeter. „Zach, owa geil“ nennt man das hier. Ich weiß ungefähr, was mich erwartet, da Jan und ich bereits vor zwei Jahren auf der Marathonstrecke unterwegs waren, die größtenteils mit dem Ultra identisch ist und auf die jetzt also noch eine Schippe draufgelegt wurde. Neben den 9 Kilometern auch noch zusätzliche 1300 Höhenmeter. Höchster Punkt des Kurses ist auf 1550 Meter Höhe. Ich bin fast geneigt zu sagen: glücklicherweise nicht höher, wer weiß welche Streckenänderungen, bei den derzeitigen Schneemengen, noch damit verbunden gewesen wären. Auch hier sahen die Trails vor zwei Wochen noch ganz anders aus. Wurden aber durch reibungslose Zusammenarbeit vieler Beteiligter noch in erstklassigen Zustand versetzt.
Über dem Eingang der Ebbser Schule und Veranstaltungszentrum können wir schon mal Blickkontakt mit dem „Koasa“ aufnehmen, wie das Kaisergebirge hier mundartlich genannt wird. Es besteht aus den zwei Gebirgszügen Wilder Kaiser und Zahmer Kaiser. Die Lauf- und Wanderstrecken des Koasamarsch führen aber nur über den Zahmen Kaiser. Über die A8 ist Ebbs aus Deutschland gut zu erreichen, die Autobahnausfahrt liegt direkt vor Kufstein, so ist für Deutsche nicht einmal ein Pickerl für die österreichische Autobahngebühr zu lösen. Viel ist am Freitagabend allerdings noch nicht geboten, man kann lediglich seine Startunterlagen abholen. Die Festivitäten finden nur am Samstag statt.
Erst im Hotelzimmer sehe ich mir die Unterlagen genauer an, diese beinhalten u.a. auch einen separaten Zeitmesschip. Hm …wie soll ich diesen an meinen Schuh bringen? Meine Schuhe haben eine Schnellverschlusssystem in das man keinen Chip einfädeln kann. Da braucht es eine kreative Lösung. Da ich keine Kabelbinder oder sonstige Schnüre dabeihabe, kürze ich einen Lanyard und befestige diesen samt Chip am Schuh. Geht doch.
Der Start für den Ultra ist um 7 Uhr angesetzt. 20 Minuten vorher ist ein verpflichtendes Briefing für alle Teilnehmer vorgesehen. Nachdem gestern Abend noch 31 Grad angezeigt wurden, sind doch einige Wolken Übernacht aufgezogen und ich finde es sehr angenehm und nicht mehr so schwül. Gewitter soll es erst spät am Nachmittag/Abend geben. Das sieht schon mal gut aus.
Vor dem Briefing spreche ich noch Rennleiter Andi Moser wegen der Chipbefestigung an, der amüsiert sich köstlich über meine kreative Lösung und macht gleich ein Foto. Des Rätsel Lösung ist ganz einfach, es gab bei der Abholung noch zusätzlich Klettbänder, in das der Chip eingefädelt und über dem Knöchel am Bein befestigt wird. Aha, habe ich übersehen. Also bitte für alle zukünftigen Starter, merkt euch das, die Klettbänder befinden sich nicht automatisch in den Startunterlagen.
130 Ultratrailer stehen zum Briefing und zum Start bereit. Insgesamt bedeuten fast 1250 Teilnehmer eine rekordverdächtige Beteiligung. Aufgeteilt wird das in 518 Trailrunner und 729 Wanderer aus 24 Nationen. An Pflichtausrüstung ist einiges vorgeschrieben, aber nichts ungewöhnliches, was routinierte Trailer eh immer dabeihaben. Als Zeitlimit sind für die Gesamtstrecke 13 Stunden einzuhalten. Die VP Hinterbärenbad bei km 25,6 muss um 13.00 Uhr und VP Haberg km 37,6 um 16.30 Uhr passiert werden.
Der Start erfolgt pünktlich. In östlicher Richtung durchqueren wir erst einmal die Gemeinde. Ebbs ist mit einer Seehöhe von 475 m das tiefstgelegene Dorf Tirols, somit relativiert sich schon wieder unsere höchstgelegene Stelle von 1550 Metern, da geht’s ganz schön rauf. Die Nordwände des Zahmen Kaiser liegen in ihrer ganzen Dimension direkt vor unseren Augen, steil brechen sie in die breite Talebene herab. Bevor es aber da für uns richtig auffi geht, dauert es noch etwas. Wir ziehen vorerst noch mit mäßiger Steigung durchs Unterinntal. Einige Kilometer müssen wir uns gedulden bevor es runter von Asphalt- und Schotterstraßen auf die Trails geht.
Rechts oben auf dem Buchberg, einem der letzten Hügelausläufers des Zahmen Kaiser kann man die über 500 Jahre alte St. Nikolaus Kirche ausmachen. Sie steht auf dem Boden der spurlos verschwundenen Stammburg der Ebbser, diente ursprünglich in einer etwas anderen Form als Burgkapelle. Bei Renovierungen kamen seltene Fresken aus dem frühen 16. Jahrhundert zu Tage.
Die Kühe fühlen sich vielleicht etwas gestört von uns, schauen grimmig drein, sind aber friedlich und lassen uns passieren. Langsam nimmt die Steigung zu. Die erste Labestelle erreichen wir an der Aschinger Alm nach 7,5 km. Noch weht ein kühles Lüftchen, aber die Wolken haben sich schon fast verzogen. Ich gönne mir einige Becher Iso. Anschließend geht es noch einen Kilometer abwärts auf Asphalt und dann links weg in den Kaiserwald. Ich muss vorsichtig sein, seit einigen Wochen konnte ich wegen verhärteter Waden kein Lauftraining mehr absolvieren. Natürlich werde ich so von einigen geschluckt.
Nach 11 Kilometern erreichen wir den Einstieg in den Musikantensteig. Jetzt wird’s ernst. Die Strecke des Ultratrails vereint sich hier mit den Teilnehmern des Classic-Run, Halbmarathon, „40er“ Klassisch und „20er“, was gleich für deutlich mehr Belebung auf der Strecke sorgt. Vorerst sind es aber nur Wanderer. Der Start des Classic-Run erfolgt erst um 9 Uhr und die Halbmarathonis folgen um 11 Uhr.
Etliche Stufen erleichtern uns den steilen Aufstieg. Vor einer seilversicherten, ganz schmalen Querung an einer Felswand entlang hat sich eine hohe Schneewechte aufgebaut. Ich hab sie noch gut in Erinnerung, normalerweise ist die steilabfallende Passage ziemlich spektakulär mit toller Aussicht ins Inntal. Die hochaufgetürmte Schneewand nimmt uns aber jeglichen Nervenkitzel. Macht dafür aber optisch wieder etwas gut.
Wenig später erreichen wir den Musikantentreff. In früheren Zeiten trafen sich hier die Musikanten um sich zum Musizieren in den Hütten im Kaisertal zu verabreden. In einem ausgehöhlten und vergitterten Felsen sind auch Musikinstrumente vergangener Zeit ausgestellt. Gerade hat sich eine große Gruppe hier eingefunden, aber nicht um zu musizieren, sondern um eine kurze Rast zu machen, von dem anstrengenden Aufstieg.
Wir erreichen den Ansatz der Felsenwände, die Steilheit nimmt nochmals zu, da sind schon mal 45% Steigung mit dabei. Immer wieder sind auch Stufen in den Pfad eingearbeitet, serpentinenförmig geht es hinauf. Wir verlassen den Wald und über uns kann man bereits die Vorderkaiserfeldenhütte ausmachen, wir erreichen sie nach 13,4 km. Auf 1400 Meter Höhe wird uns hier einer der schönsten Ausblicke ins Kaisertal geboten. Das hat natürlich schon seinen Preis, ich bin ziemlich fertig und nehme erst mal Platz vor der Hütte und verpflege mich ausgiebig an der Verpflegungsstation.
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