Nach einem U-Turn geht’s wieder aufwärts. Unser nächstes Ziel ist der Gipfel der Reuterwanne auf 1542 m Höhe. Es wird wieder Winter, verbunden mit viel Schnee und Matsch. Durch tiefe Schlammrinnen führt ein schmaler Pfad im zähen Nebel nach oben. Diesmal sogar bis zum Gipfelkreuz. Dort sind wieder mehrere Männer der Bergwacht postiert, wie überhaupt auf der gesamten Strecke, bei den heutigen Verhältnissen bestimmt kein angenehmer Job. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was wir auf diesen freien Gipfel wohl für eine grandioses Panorama verpassen. Hilft ja nix, es könnt ja noch viel schlechter sein und von oben was runterkommen.
Wieder höchst fordernd geht’s vom Gipfel runter. Ich bin froh, Stöcke dabei zu haben, das ist wie eine kleine Lebensversicherung. Nach der Walddurchquerung wartet wieder eine bequeme Schotterstraße und ich kann etwas Gas geben. Die Sicht wird nach unten tatsächlich etwas besser, für kurze Zeit kann ich sogar durch ein Wolkenloch einen Blick bis ins Tal werfen. Als wirkliche Aussicht kann man das zwar noch nicht bezeichnen, aber immerhin. Nach oben ist‘s aber leider trostlos, alles noch zu. Für uns geht’s auch wieder auffi. Sehr schön und steil im Wald und auch wieder mit wunderbaren Schlammlöchern. Da macht mir das Fotografieren der Mitläufer besonders viel Spaß. Ansonsten ist das heute kein Vergnügen. Ständig muss das Objektiv gereinigt werden dabei verstreicht auch immer einiges an Zeit.
Der Aufstieg zur Unteren Reuterwanne beinhaltet wieder 300 Höhenmeter. Steil zieht sich der Trail durch den Wald hoch, ausnahmsweise mal sehr griffig, ohne die Pampe, dafür aber mit toller Lichtstimmung. Ein paar Sonnenstrahlen versuchen sich durch die Wolken zu kämpfen. Einige schnaufen schon ganz gewaltig. Kurz komme ich mit einem Mitstreiter ins Gespräch, er hat die Schnauze voll von der Schlammschlacht und will im Tal aussteigen. Ich versuche ihn zu überzeugen, dass man dabei auch Spaß haben kann.
An der Alpe Blöße (km 18) ist die zweite große Labe. Neben hygienisch verpackten Broten mit Käse, Speck, Griebenschmalz und veganem Aufstrich steht erstmals auch Cola im Angebot. Rainer ist ein echter Mountainman, stolz präsentiert er mir sein Tattoo mit dem Original Mountainman-Logo auf dem Oberarm. Er ist auch bei fast jeder Veranstaltung dabei.
Der Grüntensee befindet sich schon in unserem Blickfeld, dazwischen liegt aber noch die morastige Wiese der Buron-Skiabfahrt. Ratsam ist der Blick auf den Boden sonst kann man schnell mal eintauchen. Durch den Campingplatz gelangen wir ans Ufer des Grüntensee. Dieser ist nicht natürlichen Ursprungs, sondern ein Stausee der Wertach und dient dem Hochwasserschutz und der Stromerzeugung. Die Aussicht auf den Wächter des Allgäus, den Grünten, hat ihm wohl seinen Namen beschert.
Knapp zwei Kilometer laufen wir am Ufer entlang bis ans östliche Ende wo wir wieder Richtung Berge abzweigen. Leicht wellig mit kürzeren Steigungen und sehr abwechslungsreich geht es weiter. Da sind auch mal 500 Meter auf dem Radweg neben der Landstraße dabei, aber auch wieder schöne Trailabschnitte und Waldwege.
Kurz nach Bayerstetten kann ich bereits aus einiger Entfernung Lautsprecheranfeuerungen vernehmen. Gibt’s hier noch eine weitere Veranstaltung? Weit gefehlt, ein einzelner Sprecher mit Megaphon verbreitet am „On Happening“ (VP vom Sponsoring-Partner On) bei km 28 eine Riesenstimmung und feuert jeden Vorbeikommenden euphorisch an. Der Bursch ist ziemlich stimmgewaltig, Respekt.
Nachmittags um 14 Uhr fallen am Ortsrand von Nesselwang dann doch noch die ersten Regentropfen, die lohnen aber nicht mal das Auspacken einer Regenjacke. Die Strecke führt uns oberhalb des Trendsportzentrums vorbei, die Sprecher sind immer wieder mal heraufzuhören. Etwa 500 Meter vom Ziel entfernt, treffen wir wieder auf unseren ersten Schlammaufstieg von heute Morgen. An der Streckentrennung geht’s für die 30er jetzt direkt runter ins Ziel. Die „XL“ sieht einen erneuten Aufstieg zur Alpspitz vor. Ich pack’s nochmal an.
Unsere Zusatzschleife ist identisch mit der S-Runde. Den Wasserfallweg passieren wir im Gegensatz zum ersten Aufstieg auf der linken Seite, ausschließlich auf Naturwegen, sämtliche Brücken und auch die spektakuläre lange Stahlgitterleiter fallen somit weg, weiter oben vereinen sich die beiden Aufstiegsmöglichkeiten wieder. Als Alternative wird diese Routenführung auch Startern mit Hunden in der ersten Runde angeboten, damit die nicht übers Gitter müssen.
Verbessert hat sich die Aussicht im oberen Bereich, mittlerweile kann man sogar etwas von der Landschaft ausmachen. Auf dem Wurzelsteig kann ich über mir, immer wieder begeisterndes Gejohle vernehmen. Wie, wenn jemand an einem Stahlseil Richtung Tal rast. Das muss ganz nah sein, durch die hohen Bäume kann ich aber beim besten Willen niemand sehen. Ich kann das Rätsel nicht auflösen.
Ich bin heilfroh als ich endlich diesen brutal steilen Aufstieg hinter mir habe. Am Sportheim Böck wird immer noch siedend heißer Tee serviert, vom Zimt-Gugelhupf ist auch noch was da und auch der Schnee und die Nebelsuppe sind immer noch wie in der Früh.
Ich frag mal beim Helfer am Ausschank nach, ob es hier irgendeine Bahn oder etwas Ähnliches, hinunter ins Tal gibt, da ich diese seltsamen Geräusche vernommen habe. Da bin ich genau beim Richtigen gelandet. AlpspitzKICK nennt sich eine spektakuläre Zipline, an der man in zwei Sektionen an einem Drahtseil insgesamt 1,2 km talwärts rauscht. Start ist an der Bergstation der Alpspitzbahn. Der Fluggast wird in Vierpunkt-Klettergurten ins Stahlseil eingeklinkt. Die erste Sektion zum Warmwerden ist 400 m lang und man erreicht 60 km/h. Sektion zwei hat 800 Meter Länge, in bis zu 60 Meter Höhe wird Tempo 120 erreicht. Dann wäre das für mich ja auch geklärt.
Jetzt geht‘s owie. Zur Sicherheit frage ich bei der Bergwacht noch nach, ob ich meine Stöcke einpacken kann. Definitv, durchgängig 6 Kilometer Schotterstraße warten auf mich, dann kommt aber noch das Finish. Nicht ganz so schnell wie an der Zipline, aber doch mit durchgängigem Tempo kann ich bis fast runter ins Tal brettern. Das schlammige Ende erwartet mich fünfhundert Meter vor dem Ziel. „Ja, so a Baaz“, der Weg hat sich nochmal deutlich verschlechtert. Wildsäue wären hier auch in ihrem Element. Mittlerweile führt noch eine zusätzliche Spur mitten durch den Wald, vermutlich haben die Teilnehmer sie selbst gespurt, da es auf dem Weg kaum mehr ein Halten gibt.
Dann hab ich es geschafft, ein hartes Stück Arbeit auf einer anspruchsvollen Strecke mit 39 Kilometern und letztendlich strammen 2600 Höhenmetern liegt hinter mir. Ich hoffe ja, dass es nächstes Jahr dann 42 km sind, wie eigentlich schon für heuer vorgesehen.
Im Ziel werde ich von Rudi & Stephan coronamäßig abgeklatscht. Die beiden moderieren jetzt auch schon seit vielen Stunden, das ist bei dem Wetter ebenfalls eine stolze Leistung. Schee war’s wieder, wie in alten Zeiten als so ein Lauf noch ganz normal war.
Besten Dank an Jutta und ihr Team, die hartnäckig dafür gekämpft haben, um die Veranstaltung durchzuführen. Ich denke das hat sich gelohnt, des bisserl Baaz war doch auch eine Riesengaudi. Normalerweise würden wir jetzt gemeinsam noch a Zielschnapserl trinken, das muss wegen Corona ausfallen, wir dürfen uns aber am Ausgang bedienen und den Kurzen, ein Schloss Neuschwanstein-Bierchen und einen Energydrink mitnehmen.
Perfekt funktioniert hat auch das Hygienekonzept, die Polizei inklusive Polizeioberrat waren mehrmals vor Ort, um die Lage zu kontrollieren. Es gab nichts zu kritisieren; auch sie waren vom Konzept und von der Disziplin aller Teilnehmern begeistert. Na dann, hoffentlich auf ein Neues in 2021.
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