18.7.2015 Eiger Ultra Trail E51
Autor: Bernie Manhard Bericht mit 260 Bilder auf
 
 
 
2015
 
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...

Von Nordwand zu Nordwand könnte ich gerade die Stationen meiner Laufaktivitäten beschreiben. Nachdem ich noch vor zwei Wochen die Aufstiegsroute des Matterhorns kennenlernen durfte, bin ich schon an der nächsten Felsenbastion. Grindelwald liegt direkt am Fuße der mit 1800 Metern höchsten Nordwand der Alpen.

Beim neuen Veranstaltungsmittelpunkt im neugestalteten Dorfzentrum am Bis in die dreißiger Jahre galt sie als unbezwingbar und hielt allen Versuchen einer Eroberung stand. Erst 1938 konnte das Team um Heinrich Harrer und Anderl Heckmair die fast senkrecht aufragende Wand bezwingen. Viele Versuche davor endeten tödlich und auch danach spielten sich unter dem Gipfel wahre Dramen mit vielen Todesfällen ab. Im Schnitt werden auch heute noch sechs bis acht Mal pro Jahr Alpinisten aus der Nordwand geborgen, im Gegensatz dazu erreichen aber auch rund 115 Bergsteiger den Gipfel des 3970 Meter hohen Eigers. Die Erstbesteigung des Eigergipfels gelang bereits im August 1858 von der Wengernalp über die Westflanke.

Den Mythos muss sich der Eiger Ultra Trail erst noch erarbeiten, aber man ist auf einem guten Weg. Nordwand-Rekord-Bezwinger Ueli Steck hat mit seinem Statement über den E101 („harder than the northface solo“) gehörig mit der Werbetrommel gerührt. Wer es nicht weiß, in der Fabelzeit von 2:47 Stunden stellte Ueli Steck im Februar 2008 einen Speed-Rekord an der Eiger-Nordwand auf, anschließend hat er auch noch das Matterhorn in 1:56 h und den Grandes Jorasses in 2:21 h vernascht. Der liegt im Übrigen kurz nach Courmayeur direkt an der UTMB-Strecke, so haben diese berüchtigten Nordwände auch irgendwie eine gewisse Verbindung mit Ultra Trails.

Nebenbei ist Ueli Steck auch Botschafter des Eiger Ultra Trail. Nächstes Jahr will er es dann doch versuchen mit dem E101 lässt er uns beim Briefing in einer verfilmten Gruß-Botschaft vom Summit eines 4000ers ausrichten. Derzeit hat der verrückte Hund nämlich Wichtigeres zu tun, er versucht gerade alle 82 Viertausender der Alpen hintereinander zu bezwingen. Innerhalb 1000 Kilometer Entfernung sind dabei 100.000 Höhenmeter in 80 Tagen zu bewältigen. Die Überführungen von Berg zu Berg legt er dabei natürlich nicht mit dem Auto oder Zug zurück, sondern einzig mit dem Radl. Von Bequemlichkeit könnte man dann sprechen, wenn der Gipfeln per Gleitschirm verlassen wird, das soll auch manchmal vorkommen. Damit ist jetzt schon mal das Vorurteil ausgeräumt, Ultra Trailer haben besonders einen an der Waffel.

Der Eiger Ultra Trail ist bereits bei seiner dritten Ausgabe ein echter Renner. Am 4. Oktober wurde die Anmeldephase eröffnet, bereits im Dezember waren alle 800 Plätze für den E51, sowie die 700 für den E101 vergeben. Etwas später folgte dann die Ausbuchung des E16 mit 500 Startplätzen. So stehen heuer weit über 2000 Trailrunner in den Meldelisten.

Der erste Weg in Grindelwald führt mich natürlich zur Startnummernausgabe. Ebenso wie das Veranstaltungszentrum ist sie 2015 auch umgezogen, sie befindet sich direkt neben dem Eventgelände in der Sporthalle. Dabei haben muss man unbedingt seinen fertig gepackten Rucksack mit der vorgeschriebenen Pflichtausrüstung. Startnummer und Unterlagen erhält man erst nach einer ausführlichen Kontrolle und Bestätigung per Zettelchen.

Ein bisschen geht es in der Halle auch zu wie auf einem türkischen Bazar oder einer Tauschbörse. Da gibt es noch welche die versuchen ihre Startplätze up zu graden, andere wollen lieber doch nicht so weit und verhandeln über einen downgrade, das gleich sich dann prima aus. Weitere wiederum haben noch kurzfristig einen Platz bekommen und versuchen den Veranstalter noch von einer Umschreibung zu überzeugen. A bisserl was geht immer, bei vielen hat das Gefeilsche dann schlussendlich auch geklappt. Der Großteil ist aber natürlich eh glücklich, überhaupt dabei sein zu dürfen, bei der großen Nachfrage.

Mein Traum von „100 zum 100.“ muss leider ausfallen, mein Knie erhebt derzeit Einsprüche beim Bergablaufen, so verzichte ich aus Vernunftgründen auf die längste Distanz. Nicht nehmen lasse ich mir aber einen Start, so bin ich wie im Vorjahr wieder beim Panoramatrail über 51 km am Start.

Die Wettervorhersage, in diesem wahrscheinlich heißestem Juli seit es Wetteraufzeichnungen gibt, ist eindeutig und lautet auch für den Samstag: Hohe Temperaturen mit Gewitterneigung. Prompt erreicht uns am Donnerstag die SMS vom Veranstalter, der Start wird um eine Stunde nach vorne verschoben. Eine gute Idee, so wird die erste Startgruppe um 5:45 Uhr und die zweite um 6:00 Uhr das Rennen aufnehmen.

Der Aufstieg


Um 5:30 Uhr ist die Luft noch angenehm, ein Gewitter am gestrigen Abend hat für Abkühlung gesorgt. Ich bin fast geneigt, die Ärmlinge anzulegen, lasse es dann aber doch sein. Ideale Bedingungen also auch für den E101, der um 4:30 Uhr gestartet wurde. Ich darf in der ersten Startgruppe laufen mit Start um 5:45 Uhr. Ja klar, bin auch einer der Schnellen. Unter 10 Stunden ist die Vorgabe für den ersten Startblock. Sollzeiten gibt es natürlich auch zu erfüllen, die Hauptanforderung sind 14 Stunden für die gesamte 51-Kilometer-Runde und 26 Stunden beim E101.

Der erste Kilometer führt uns durch Grindelwald. Natürlich orientiere ich mich an das hintere Ende des Feldes, das geht auch ganz schnell, 3 – 4 Fotos und die meisten sind vorbei. Bei noch schwachem Licht muss ich lange ruhig halten um eine einigermaßen akzeptable Bildausbeute zu erzielen. Meine Temporeduzierung hat aber eigentlich einen anderen Hintergrundgedanken. Nach einer etwas ungläubig dreinblickenden Herde Lamas erreichen wir nach 2,5 km das Waldgebiet unterhalb des Wetterhorns. Auf die Engstelle mit anschließender Brückenüberquerung wurden wir bereits beim Briefing hingewiesen und ich kenne sie auch schon vom Vorjahr. Hier gibt es immer Stau und daher herrscht absolutes Überholverbot. Am Ende des Feldes sind fast alle durch und ich kann ohne Behinderung den Steg überqueren.

Erst ein paar Minuten bin ich unterwegs und es treibt mir bereits den Saft aus allen Poren, für diese Uhrzeit in dieser Höhe ist das sicherlich sehr ungewöhnlich. Wie soll das heute noch weitergehen? Unterhalb der majestätischen Felsenwand des Wetterhorns beginnt für uns der erste ernsthafte Aufstieg. Bis auf fast 3700 Meter steigt die Wand direkt vor uns auf, neben dem Eiger wird er auch oft als der Hausberg von Grindelwald bezeichnet. Mir gefällt aber auch der Blick zurück ins grüne Grindelwaldtal, das sich in ganzer Länge hinter uns ausbreitet.

Kurz bevor wir den Felsansatz der Wand erreichen zweigen wir etwas nach links ab, was auch die Steigungsprozente sofort etwas abmildert, unterbrochen von einigen geringen Gefällpassagen …und immer lauter werdender Musik …habe ich Musik geschrieben, so würde ich das nicht bezeichnen. Einer der Sportskameraden transportiert eine Musikanlage in seinem Rucksack mit und beschallt uns mit einer stocklangweiligen Endlosschleife mit Hintergrundgedudel und das mit 80 oder 90 Dezibel. Es ist grauenhaft und unerträglich. Glücklicherweise ist er schneller unterwegs, gleichzeitig reduziere ich aber auch noch mein Tempo, damit ich die Nervensäge aus den Ohren bekomme.

Nach gut 7 Kilometern und 1000 Höhenmetern erreichen wir die erste Verpflegungsstation an der Grossen Scheidegg. Die Passhöhe liegt auf 1.960 Meter und verbindet Grindelwald mit Meiringen im Haslital. Für den öffentlichen Verkehr ist die Straße aber gesperrt, hier dürfen nur Postbus, Radfahrer und Trailrunner drüber. Uns genügen aber die letzten hundert Meter bis zur Verpflegungsstelle. Unter Rennradlern ist die Straße aber sehr beliebt und berüchtigt. Die Besonderheit an der durchgängig ausgebauten und etwa 3 Meter breiten Straße ist nämlich, dass sie als Bergpoststraße gilt. Das bedeutet, dass die Busse per Gesetz immer Vorfahrt genießen. Da diese manchmal die ganze Straßenbreite benötigen, ist für die Radler ein Verlassen der Straße manchmal der einzige Ausweg.

 
Eiger Nordwand   Start 5:45 Uhr   Alte Wetterhorngondel
Blick ins grüne Grindelwaldtal Grosse Scheidegg Wetterhorn Nordwand
Herrliche Trails Blick auf's Schreckhorn   Deftiges Frühstück
 

Abwechselnd auf gut zu laufenden Trails und Wanderwegen in etwa 2000 Meter Höhe führt die Strecke leicht wellig an den Hängen des Schwarzhorns Richtung First. Wir laufen genau auf die schneebedeckten 4000er der Berner Alpen zu. Erst vor ein paar Tagen hat sie Ueli Steck auf seiner 82-Viertausender-Tour abgeklappert.

Fast unmerklich, aus heiterem Himmel verschleiert sich unsere Sicht, ohne direkte Sonneneinstrahlung wird das Laufen gleich spürbar angenehmer, um nicht zu sagen optimal. Schlecht ist das für den Blick auf die Bergriesen und damit leider auch für meine Fotos, das immer diffusere Licht macht meinem Apparat schwer zu schaffen.

Kurz bevor wir an den Liftstationen der First-Bahnen unseren zweiten Verpflegungspunkt erreichen, zweigt die Strecke des E101 nach unten ab, sie dürfen eine 9 Kilometer lange Zusatzschleife drehen, die etwa 500 Höhenmeter Auf- und Abstieg beinhaltet. Ein paar Meter weiter, direkt an der Labestelle vereinen sich beide Strecken wieder. Empfangen werden wir mit viel Applaus und einem Spalier von Zuschauern. Als erste Sollzeit müssen hier 3:30 Stunden eingehalten werden. E51 und E101 haben unterschiedlich Einlaufkanäle in die Station und auch separate Futterplätze. Riegel und Gels machen mich nicht sonderlich an, ich erspähe Schinken, Käse und Weißbrot am 100er-Verpflegungstisch, das gibt’s am 51er-Tisch nicht. Ein deftiges Frühstück ist jetzt genau das was ich mir vorstelle und es hindert mich auch niemand daran, hier zuzugreifen.

Mit der Vorverlegung des E51-Starts ist ab VP First gleich spürbar mehr los auf der Laufstrecke. Mäßig aufwärts geht es über die Gummihütte zum zweigeteilten Bachalpsee. Im blauen Juwel der Berner Alpen spiegelt sich das Schreckhorn, durch den trüben Himmel nicht ganz so eindrucksvoll wie mit Sonne, aber trotzdem noch wunderschön. Nicht nur für den Event-Fotografen ist hier ein exzellenter Platz, jeder der heute eine Kamera am Mann oder Frau hat, zückt diese hier. Man sieht es ihm nicht an, aber der See dient tatsächlich schon seit 100 Jahren der Energiegewinnung für Grindelwald.

Halb dürfen wir den malerischen See umrunden, anschließend müssen wir wieder kraxeln. An einem  Grat geht es aufwärts Richtung Rötihorn oder Reeti wie er auch genannt wird, mit traumhafter Aussicht auf die Jungfrau, die mit 4158 m der dritthöchste Berg der Berner Alpen ist und mit Eiger und Mönch die weltberühmte Dreiergruppe bildet. Der Name Jungfrau basiert im Übrigen nicht auf irgendwelche Männerphantasien. Augustinerinnen besaßen bereits im 15. Jahrhundert an den Nordwesthängen der Jungfrau eigene Alpen. So hießen sie beim Volk nur Jungfrauenberge. Die Bezeichnung hat sich im Laufe der Zeit bis hin zum höchsten Gipfel des Massivs eingebürgert und ist so geblieben ist.

Während der Name Mönch nichts mit Klosterbrüdern zu tun hat. An seinem Fuß befinden sich Alpweiden, auf welchen früher, zu Zeiten von Pferdezucht, Münche, also Wallache im Sommer weideten. So hat man den über den Münchenalpen gelegenen Berg Münchenberg genannt und irgendwann nur mehr Münch oder Mönch. Habt’s wieder was gelernt.

Nach Durchquerung eines Felsenmeers nach einem Übergang geht es durch die weite Alpmulde der Bussalp hinunter und weiter bis Oberläger, dem Standort unserer nächsten Versorgungsstation. Für mich zählen die technisch nicht allzu schweren Trails über Graskuppen und Täler mit der grandiosen Aussicht zu den Highlights der Strecke. 5:15 Stunden beträgt das Zeitlimit an dieser Station. Einen ganz wichtigen Hinweis sollte man nicht ignorieren. Auf den nächsten beiden VPs gibt es wegen ihrer exponierten Lagen keine Möglichkeit Wasser oder Iso in die eigene Trinkflasche nachzufüllen.

An der Station läuft Dieter auf mich auf, bei meiner 50. Langstrecke haben wir uns kennengelernt, zwischendrin bei Trails schon mal ein Radler gemeinsam gezischt, heute zu meinem 100. Jubiläum nehmen wir gemeinsam den Aufstieg zum Faulhorn in Angriff. Ich freue mich wirklich, das ist eine tolle Geschichte. Dieter ist zum dritten Mal beim E101 am Start, bisher konnte er aber noch nie die komplette Strecke absolvieren und ist dementsprechend voll motiviert. Bei der Premiere wurde wegen Gewitter verkürzt, im Vorjahr musste er nach einem Sturz mit Knieproblemen aufgeben. Aber für heute sieht’s gut aus.

Der Aufstieg über felsdurchsetze Wiesen zum höchsten Punkt der Strecke auf 2680 Meter ist giftig und macht vielen zu schaffen, auf 3,5 km sind über 600 Höhenmeter zu bewältigen. Obwohl es steil hinauf geht, ist er dennoch gut zu begehen, finde ich. Das legendäre Berghotel auf der Spitze liegt dabei immer in Sichtweite. Im Sommer 1832 nahm die Gaststätte ihren Betrieb auf – zum damaligen Zeitpunkt als die höchstgelegene der Alpen.

Betrachtet man das Höhenprofil des E51 ist auf dem Gipfel die Hälfte des Rennens gelaufen, ein Großteil der Aufstiege ist bewältigt, von hier geht es überwiegend nur mehr bergab. 6:30 h ist die benötigte Durchgangszeit um im Rennen zu bleiben. Der Rundblick vom Faulhorn ist trotz des mittlerweile ziemlich dusteren Himmels einfach großartig, tief unten liegt der türkisblaue Brienzersee, auf der anderen Seite die graue Silhouette der 4000er.

Die rapide Wetterverschlechterung bereitet der Rennleitung große Sorgen. Sollte es noch schlechter werden steht eine eventuelle Verlegung des Abstieges bis zur Schynigen Platte zur Debatte, sollten wir später noch erfahren. Am Berghaus Männlichen ist über das komplette Rennen eine Meteorologe postiert, der die Wetterentwicklung genau beobachtet. Heute Morgen hätte ich im Traum nicht daran gedacht, dass ich heute einmal frösteln muss, aber es ist wirklich kühl geworden und ungemütlich auf dem Summit. Viele wechseln auf ihre Regenjacken, ich begnüge mich mit meinen Ärmlingen, in der Hoffnung dass die ersten Regentropfen nicht noch zunehmen.


Der Aufstieg lief gut   Am Bachalpsee   Einfach nur schön
Richtung Reeti Felsenmeer Eiger, Mönch und Jungfrau
Restschneefeld Dieter Aufstieg zum Faulhorn

Der Abstieg

Sehr vorsichtig gehen die meisten den kurzen, aber schwierigen und bis zu 25% steilen Abstieg von der Spitze hinunter durch loses Geröll an. Fulen nennen sich diese lockeren Gesteinsschichten aus Schiefer und Mergel, von denen das Faulhorn auch seinen Namen hat. Die Steilheit nimmt wieder ab, aber gefährlich bleibt der weitere Abstieg dennoch, ein Sturz in das scharfkantige Gestein könnte schlimme Folgen haben, Dieter kann ein Lied davon singen.

Meine Oberschenkel sind durch den langen Aufstieg gerade ziemlich müde und ich bin schon mehrmals am Stolpern. Irgendwann erwischt es mich dann doch und ich muss den Staub küssen, habe aber riesiges Glück, mich brettert es genau auf eine größere und glatte Felsplatte und komme ohne Blessur davon. Mein Bergab-Selbstvertrauen ist damit natürlich im Eimer und ich reduziere nochmals mein Tempo, was glücklicherweise zeitlich für mich kein Problem darstellt, da ich doch weit vor dem Zeitlimit liege.
Der Biergarten vom Berghaus Männdlenen ist heute noch verwaist, an Sonnentagen kann man hier oft nur schwer einen Sitzplatz ergattern. Der Abstieg hinunter zur Berghütte ist deftig, aber wenigstens mit Seilen gesichert. Für uns gibt’s hier nix zu trinken, höchstens gegen Bares. Und es geht höchst schwierig durch loses Gestein weiter.

Nach einer Richtungsänderung laufen wir in einer Mulde unterhalb des Sägissa jetzt wieder direkt auf das Faulhorn zu. Ich bin hier nicht der einzige der etwas langsamer macht durch das grobe Gestein. Dann geht es in einer erneuten 180-Grad-Wendung um den Felsstock des Sägissa herum und an der langgezogenen Nordflanke entlang.
Unter uns liegt jetzt der wunderschöne Sägistalsee auf einer Höhe von 1960 m. Er wird durch zwei Bergbäche gespiesen und hat einen unterirdischen Abfluss. Wirklich war, im See gibt es Kanadische Seeforellen. Abschnittsweise kann man über den Bergzug eine Etage tiefer wieder den Brienzersee ausmachen. Immer leicht abschüssig geht es durch das urwüchsige Karstgebiet weiter, kleine Restschneefelder sind dabei noch zu überqueren.

In Egg (km 29) bekommen wir wieder Wassernachschub, aber nicht zum Nachfüllen. Die Vorräte sehen für mich aber schon arg begrenzt aus, ob da noch viele Nachfolgende richtig nachtanken können, bin ich mir nicht ganz sicher. Vielleicht kommt ja Nachschub. Ein paar hundert Meter tiefer ist es jetzt schon wieder spürbar wärmer geworden, die ersten Wolkenlöcher sind auch bereits auszumachen, scheinbar ist die Schlechtwetterfront wieder durch.

Den spektakulären Grat der Panoramatour zur Schnynigen Platte erreichen wir über eine Stahltreppe. Dort empfängt uns eine der schönsten Aussichten der Alpen mit der Berner Gipfelparade und dem wunderschönen Seenpanorama von Thuner- und Brienzersee mit dem wunderbar dazwischen gelegenen Interlaken. Ich muss hier etwas von der Laufstrecke abweichen um näher an die Abrisskante zu gelangen und ein paar Fotos schießen.

Am Ende der Tour zweigen wir nach links vom Panoramaweg ab und es geht auf einem Schotterweg bergab zu unserer nächsten VP. Meine Oberschenkel sind jetzt wieder erholt, meine Form steigend und ich will hier bergab wieder Tempo aufnehmen. Die Straße ist ein Alptraum: steil und grob geschottert. Meine Oberschenkelmuskulatur ist bald am Anschlag und brennt wie Feuer, die Fußnägel stehen an der stabilen Zehenkappe des Laufschuhes an. Wer hier stürzt, benötigt anschließend einen Schönheitschirurg. Glücklicherweise sind es nur ein paar hundert Meter zur Station.

Faulhorn Gipfel   Sybille   Abstieg vom Faulhorn
Steil geht's runter zur Männdlenen Hütte An der Innri Sägissa Sägistalseelein unter der Ussri Sägissa
Panoramatrail zur Schynige Platte Thuner- und Brienzersee Schnynige Platte

Die Cut-Off-Zeit an der Schynigen Platte beträgt 10 Stunden, da bleibt mir viel Zeit für die Reststrecke. Die Labe ist wieder ausgezeichnet bestückt und wir können endlich wieder unsere eigenen Wasserflaschen auffüllen. Es ist wieder richtig warm geworden und bis Burglauenen liegen 9 km steilster Abstieg vor uns.

Über Almwiesen geht es in den Wald, wo wunderschöne Single-Trails auf uns warten. Schöne Sachen haben aber auch oft Schattenseiten, die Pfade sind oft brutal steil und unwegsam. Durchsetzt von hohen Wurzelstöcken ist oft nur mehr Absteigen denn Laufen möglich. Je wärmer es wird und je länger ich unterwegs bin, umso besser fühle ich mich aber und es läuft wieder. So kann ich wieder einige der Kameraden einsammeln, die mich während meiner Schwächephase überholt haben. Viele sind natürlich auf der 100er-Strecke unterwegs und haben dasselbe noch einmal vor sich und teilen sich ihre Kräfte noch ein.

Aber die Strecke geht nicht durchgehend abwärts, zwischendrin ist auch noch eine einen Kilometer lange Klettereinheit mit 150 Hm eingestreut. Über 1000 Höhenmeter im Abstieg beinhaltet der letzte Abschnitt bis Burglauenen. Im Tal sind die Heizstrahler bereits wieder an und das schlechte Wetter vergessen.

Unmittelbar nach der VP in Burglauenen ist die Stunde der Wahrheit – für mich leider nicht – nach Überquerung der Bahngleise führen die 7 Schlusskilometer des E51 nur mehr mäßig ansteigend, meist der schwarzen Lütschine folgend ins Ziel nach Grindelwald. Der E101 führt nach rechts, über Wengen geht es laaange hinauf zum Berghaus Männlichen. Die paar Meter bis zur Streckentrennung gehe ich mit Jan, er hat einen Heidenrespekt vor dem anstehenden Anstieg, ist lieber auf flacheren Strecken unterwegs.

Etwas wehmütig muss ich mich von ihm trennen, mein ursprünglicher Plan sah ja anders aus und im Moment wäre ich auch gut drauf, aber hilft alles nix. Im Laufschritt packe den Schlussabschnitt bis kurz vor dem Ortsanfang von Grindelwald. Die Rampe in das Zentrum geht so ziemlich jeder nur noch hoch. Die letzten Meter führen durch das Zentrum von Grindelwald, dann geht’s links ab in den Zieleinlauf. Von oben führt eine Holzrampe hinunter in den Zielkanal. Was für ein geiler Zieleinlauf. Der Eventbereich ist voll besetzt, man empfängt auch bereits die Ersten des E101.

Ich muss am Treppenansatz noch meine bayerische Fahne mit 100er-Aufschrift hissen, dann stürze ich mich hinunter und mein hundertster Marathon/Ultra ist unter Dach und Fach. Natürlich bin ich stolz und glücklich diese magische Zahl erreicht zu haben, aber lieber noch hätte ich sie am Sonntagmorgen erreicht. Jeder Finisher bekommt auch heuer wieder das Unikat aus Stein, ein handverlesenes Stück Eiger am Band.

Um 20 Uhr stehe ich frischgeduscht und gestärkt wieder im Zielbereich und verfolge die Zieleinläufe der E101-Finisher. Wir haben jetzt wieder, wie heute Morgen beim Start wolkenlosen Himmel. Etwas sehnsüchtig denke ich daran, wie schön es doch jetzt wäre bei diesem herrliche lauen Sommerabend noch auf dem Eiger Trail unterwegs zu sein. Die Rennleitung und der Meteorologe denken ähnlich, wie wir noch erfahren sollten.
Aus heiterem Himmel wird es urplötzlich duster, schlagartig verdichten sich die schwarzen Wolken und ein schweres Gewitter zieht in kürzester Zeit auf. Um 22 Uhr blitzt und donnert es und es schüttet wie aus Eimern. Ich muss an Dieter denken, ob er bei seinem dritten Versuch wohl die komplette Strecke noch laufen darf?

Bei der Siegerehrung am Sonntag um 10 Uhr werden wir von OK-Chef Ralph Näf aufgeklärt. Der Rennleitung blieb nichts anderes übrig als das Rennen an den Bergstationen zu unterbrechen. Etwa zwei Stunden dauerte die Unterbrechung, dann konnten die aufgehaltenen Läufer/innen ihr Rennen auf einer verkürzten Strecke fortführen. Die Durchgangsstationen Lauberhorn, Eigergletscher und Pfingstegg wurden gestrichen und die betroffenen Trailer werden in einer gesonderten Liste gewertet.

Wieder einmal zeigte sich wie schnell sich das Wetter in den Bergen ändern kann und wie wichtig eine angemessene Pflichtbekleidung wirklich ist. Die Organisatoren haben schnell gehandelt und alles richtig gemacht. Ich habe von niemand gehört, dass er gerne bei dem Gewitter oben weiter gelaufen wäre. Die Macher haben auch heuer wieder, bei der erst dritten Auflage bewiesen, dass hier ganz kurzfristig und umsichtig schnell gehandelt wird und man so beim Eiger Ultra Trail in besten Händen ist. Da kommt man doch gerne wieder.

Schlussabstieg   Blick ins Tal   Burglauenen
Geiler Zieleinlauf Raus mit der Fahne 100 sind voll
 
Bernie
10:46:55
 
 
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Laufbericht 2016 2007 Am Fuße der Nordwand | Bernie Manhard

Laufbericht 2014 2007 Ein Stück Eiger | Bernie Manhard
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