Bienvenido – die Orange. Bei uns gilt sie beinahe als exotische Frucht, in Valencia wächst sie nicht nur im Umland auf Feldern, sondern auch mitten in der Stadt als Zierpflanze. Diese Zitrusfrucht hat aus Valencia eine wohlhabende Metropole gemacht, die das Lebensgefühl der Stadt verkörpert. Im Winter, wenn es bei uns kalt und ungemütlich ist, kommt die Orange zu ihrer Reife und leuchtet satt in der warmen und wohligen Wintersonne Valencias.
Seit fünf Jahren leuchtet die Stadt an einem Sonntag mitten im November für ein paar Stunden noch etwas mehr. Tausende von Läufern schlängeln sich dann durch die Stadt. Nahezu 17.000 waren es im vergangenen Jahr, die sich an den Marathon wagten. Weitere 8.500 Sportler nahmen die 10 Kilometer unter die Füße. Beide Läufe werden zeitgleich vor dem Ciudad de las Artes y las Ciencias, der City von Kunst und Geschichte, gestartet. Der überwiegende Teil der Läuferschar stammt natürlich aus Spanien selbst, etwa 12.000 werden es auch in diesem Jahr wieder sein. Nahezu 1.500 Italiener, rund 500 Belgier und Franzosen sind ebenso mit dabei. Unter den weiteren Nationen ist Deutschland mit etwa 140 Teilnehmern aufgelistet.
Bereits am Mittwoch reise ich zusammen mit Silke und meinem Freund Fossy an. Wir wollen uns die Stadt in aller Ruhe ansehen und etwas vom entspannten Lebensgefühl der katalanischen Region aufsaugen. Das gelingt uns auch ganz prima. Auf öffentliche Verkehrsmittel können wir gänzlich verzichten und die Stadt per pedes erkunden. Zahlreiche Straßencafés laden immer wieder zum Verweilen ein und so gönne ich mir das ein oder andere Servesa. In den Schaufenstern werden wir immer wieder auf den Valencia Shopping Run aufmerksam gemacht. Bereits zwei Tage vor dem Start bieten zahlreiche Geschäfte vergünstigte Angebote, die sich vor allem an die Läufer richten.
Am Freitag um 10 Uhr öffnet die Marathon-Messe schließlich ihre Pforten und da wir es gar nicht erwarten können, unsere Startunterlagen in Empfang zu nehmen, gehören wir mit zu den ersten, die sich auf den Weg zum modernen Wahrzeichen der Stadt machen. Die Ciudad de las Artes y las Ciencias wurde von den spanischen Architekten Santiago Calatrava und Félix Candela entworfen und im April 1998 mit der Eröffnung des L`Hemisféric eingeweiht. Die Messe selbst finden wir im Museu de les Ciencies Príncipe Felipe, einem dreistöckigen, interaktiven Wissenschaftsmuseum.
Das Palau de les Arts Reina Sofìa, eine extravagante Oper und Musikplast mit vier Sälen auf 37.000 m² passieren wir schon kurz zuvor auf dem Weg zur Messe. Die Pont de l`Assut de l`Or, eine Schrägseilbrücke, deren 125 Meter hoher Pylon den höchsten Punkt der Stadt bildet, rundet das Bild dieser futuristisch anmutenden Anlage ab. Im ersten Stock des Wissenschaftsmuseums können wir unsere Startnummern in Empfang nehmen. Hier herrscht noch Ruhe und alles ist herrlich relaxed. Dass Fossy die falsche Bestätigung zur Abholung ausgedruckt hat, spielt keine große Rolle. Zwei nette Damen an der Information scannen das mitgebrachte Blatt ein und schon hat auch Fossy seine Startnummer. Wir schlendern anschließend noch etwas durch die Messe, die sich kaum von anderen Marathonmessen unterscheidet. Abschließend bekommen wir noch eine prall gefüllte Tüte mit diversen Gimmicks und dem passenden Laufshirt.
Am Samstag wollen wir es etwas ruhiger angehen lassen und entscheiden uns für einen Besuch des L`Oceanogràfic, dem mit 110.000 m² größten Aquarium Europas. Der Bau wurde von Fèlix Candela in Form einer Wasserlilie geplant und befindet sich direkt hinter der Pont de l`Assut de l`Or. Das Aquarium wird durch eine vier Kilometer lange Pipeline mit frischem Wasser aus dem Mittelmeer versorgt. 42 Millionen Liter Wasser bieten Platz für 45.000 Meerestiere. Haie, Pinguine und Seelöwen gehören zu den rund 500 Arten, die es zu bewundern gilt. Eine besondere Attraktion sind die weißen Beluga-Wale, die im arktischen Gewässer leben und ich noch nie zuvor gesehen habe. Auch wenn wir uns heute eigentlich etwas schonen wollten, entschließen wir uns doch noch für einen Besuch des Hafens und sind dann doch etwas mehr als geplant gelaufen. Aber was soll`s: Valencia ist zu schön, um sich hier etwas entgehen zu lassen.
Am frühen Sonntagmorgen ist es dann so weit. Nach einem kurzen Frühstück mache ich mich zusammen mit Fossy auf den Weg zum Ciutat de les Arts y les Ciències. Die Stadt scheint noch zu schlafen. Je näher wir aber dem Start- und Zielgelände kommen, umso mehr Läufer drängen auf die Straßen. Es ist angenehm frisch, was sich aber im Verlauf des Marathons noch ändern sollte. Wie für uns arrangiert, erleben wir einen Sonnenaufgang, der alles in ein orangefarbenes Licht taucht. Schöner kann ein Tag nicht beginnen. |