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18.8.2013
Allgäu Panorama Ultra Trail |
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Autor: Bernie Manhard |
Bericht mit 150 Bildern auf |
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Zu Beginn der Eiszeit vor 600.000 Jahren überzogen sich die aufgetürmten Alpen mit gewaltigen Gletschern. Diese wälzten sich in die Täler und schoben enorme Mengen von Schutt und Geröll vor sich her. Als die Gletscher wegschmolzen, hinterließen sie dieses Gerümpel dem Voralpenland. Daraus entstanden die sanften Hügel des Allgäus.
Auch der Name Allgäu weist auf diese landschaftlichen Attribute hin. Aus dem althochdeutschen stammt „alb“ (Berg, Bergwiese) und vom mittelhochdeutschen kommt „göu“, was so viel wie Landschaft oder Gegend bedeutet. So konnte sich das Allgäu mit seinen großartigen Bergregionen und seinen saftig grünen Wiesen und glücklichen Kühen zu einer der bekanntesten touristischen Regionen Deutschlands entwickeln.
Marathonveranstaltungen haben dagegen im Voralpenland einen eher schweren Stand. Wirklich tolle Läufe sind bereits wieder eingestellt worden, oder fristen ein kümmerliches Dasein mit ein paar Freaks. Ganz anders ist die Situation beim Allgäu Panorama Marathon mit Start und Ziel in Deutschlands südlichster Stadt Sonthofen. Seit seiner Premiere 2007 erfreut sich der APM erstaunlicher Beliebtheit, fast jedes Jahr können neue Teilnehmerrekorde gemeldet werden. Beim Einstand mit einem Halbmarathon und Marathon konnte man 280 Finisher vermelden. Ein Jahr später gab es bereits eine Steigerung von über 50 %.
Der 2009 neu hinzu gekommene Ultra Trail konnte auf Anhieb zusätzlich noch mehr Teilnehmer als der letzte Marathon vorweisen und man zählte bereits über 800 Finisher. 2011 wurde der Ultra Trail von der Deutschen Ultramarathon Vereinigung zur offiziellen Deutsche Meisterschaft aufgewertet. Nur knapp wurden 1.000 Finisher verpasst. Im Vorjahr war es aber so weit, die 1.000-er-Schwelle (alle Zahlen ohne Kinderläufe) konnte geknackt werden. Auch heuer geht die Erfolgsstory weiter, weit über 1.000 Teilnehmer wollen wieder dabei sein.
Woran liegt der Erfolg? Sicher nicht am Wetter, es hatte hier schon öfters subtropische Temperaturen. Da muss es gewichtigere Gründe geben, schaun mer doch einmal auf was das Erfolgsrezept basiert.
Prinzipiell kann ich den APM ja schon fast als ein Heimrennen bezeichnen, in 1 ¼ Stunden bin ich vor Ort und bei Fönlage kann ich die Hügel und Bergspitzen des liegengebliebenen Gerümpels der Eiszeit schon von meiner Haustüre aus sehen. Daher wähle ich heute auch eine morgendliche Anreise. Da ich mittlerweile auch schon zum 5. Mal in Serie in Sonthofen antrete, kann ich mir das Strecken-Briefing von Axel Reusch ersparen, ist kein unbedingtes Muss, aber für Neulinge beim UT schon empfehlenswert. Das Wetter bietet auch keine Unwägbarkeiten, wie immer wird es schön warm werden. Ja, a bisserl hat der Axel am Temperaturregler gedreht, es sollen nicht mehr ganz die etwas überzogenen Temperaturen von 35 Grad im Vorjahr erreicht werden.
Bereits ab 4:30 Uhr stehen die Helfer am Startplatz vor dem Allgäu Outlet bereit, um noch eventuelle Nachmelder oder Spätanreiser wie mich abzufertigen. Das geht alles in ein paar Minuten problemlos auch mit spärlicher Beleuchtung über die Bühne. Der eigene PKW kann und sollte am Startplatz nicht stehen bleiben, hier gibt es nur wenige Parkplätze und es macht auch keinen Sinn. Die Zielankunft aller Läufe ist im einen Kilometer entfernten Freizeitbad Wonnemar am Stadtrand, hier gibt es auch reichliche Parkplätze und Toilettenhäuschen. Die gibt es natürlich auch am Startplatz, für alles ist gesorgt. Wer das so wie ich in Betracht zieht, dem kann ich noch empfehlen für eigene Beleuchtung zu sorgen, die haben nämlich Dixies nicht. Schaden kann es nicht wenn man die Örtlichkeiten und Wege kennt, dann gibt’s auch zur frühen Zeit keinen Stress.
Auch heuer stehen wieder über 300 abgefahrene Typen im Dämmerlicht bereit um die Strapazen der fast 70 km langen Ultrastrecke mit 3000 Höhenmetern bei hochsommerlichen Temperaturen in Angriff zu nehmen. Um Punkt 6 Uhr geht’s los, nach wenigen hundert Meter haben wir Sonthofen hinter uns gelassen. Erst geht es noch flach ein Stück an der Iller und am Sonthofer Baggersee vorbei, bis wir die ersten Höhen bei den Hörnern packen. Vor uns liegen die Aufstiege über die Hörnergruppe. Bis auf wenige kurze steile Rampen sind die Anstiege alle gut zu bewältigen. Nach etwa einer halben Stunde gibt der Wächter des Allgäus die ersten Sonnenstrahlen frei, direkt hinter dem Bergrücken des Grünten bahnt sich die Sonne mit einem fotogenen Aufgang ihren Weg. Dass das im Verlaufe des Tages für uns nicht immer nur ein Segen sein muss, wissen alle Wiederholungstäter nur allzu gut. |
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Ständig wechselndes Terrain über Teerstraßen, Wiesen, Wurzelpfade und Kieswege führt uns zur Weltcuphütte (km 7), wo wir erstmals Flüssigkeit aufnehmen können. Entlang der Flanken von Ofterschwanger Horn und Rangiswanger Horn geht es für uns zum ersten Höhepunkt auf den Weiherkopf (1665 m). Für Wintersportler entsteht hier gerade die neue Weiherkopf-Bahn, für sie musste der alte Schlepplift weichen. Das Angebot für Skifahrer ist auf der Hörnergruppe breit gestreut, es reicht von einfachen Pisten bis hin zu einer FIS-Abfahrt und -Slalomstrecke vom Weiherkopf sowie einer schwarzen Piste in Ofterschwang, an der ebenfalls Weltcuprennen stattfinden.
Das Foto am Gipfelkreuz des Weiherkopfes muss heuer leider ausfallen, die Baustelle der neuen Liftanlage zwingt uns einen Weg etwas unterhalb zu nehmen. Die ersten knapp 1.000 Höhenmeter sind hier geschafft nach 13 km. Der etwa 1,5 km lange Abstieg vom Gipfel geht gehörig auf die Oberschenkel, in Serpentinen führt der Kiesweg steil bergab fast bis zum Bolsterlanger Horn (1586 m) und den Liften der Hörnerbahn. Man sieht schon an den Höhenangaben, die Hörner sind allesamt keine Bergriesen, wovor man Angst haben muss und richtig alpine Abschnitte finden sich auch nicht, somit auch gut geeignet für Läufer/innen die sich auch einmal von den Straßen weg, auf einen Trail oder Bergmarathon wagen wollen.
Ein Panoramaweg führt uns mäßig steigend über das Berghaus Schwaben zu einem Übergang über den Sattel des Riedberger Horns, etwas unterhalb des Gipfels. Königliche Aussicht bis hinüber zu den Firnfeldern der fernen Schesaplana und Säntis wird ihm nachgesagt. Vor dem Übergang gibt es eine Viehtränke, die in den letzten Jahren immer heiß begehrt war bei uns Läufern, da schon die meisten am kochen waren. Heute ist sie bei wirklich optimalen Läufertemperaturen noch ziemlich verwaist. Erste glückliche Allgäuer Rindviecher stehen hier und schauen unserm Treiben zu, man muss keine Angst vor ihnen haben. Gefährlich sind nur die Absperrungen, die sie davor abhalten, ebenfalls auf die andere Talseite zu gelangen. Ich bin heute schon vom Start weg mit Dieter unterwegs und er ist hier etwas unvorsichtig und zieht sich einige Wunden am Stacheldraht zu. Aber er ist auch gut ausgestattet, im Rucksack hat er Pflaster dabei.
Bis zu den Grasgehren-Liften (km 19) am Riedbergpass geht es über einen guten Kilometer streng abwärts. Andi empfängt uns als einzelner Cheerleader mit den Puscheln, er hat heute seine Elke alleine auf den Weg geschickt, muss sich für kommende Aufgaben schonen. An der großen Verpflegungsstation kann ich mein erstes richtiges Frühstück einnehmen. Das Angebot lässt kaum Wünsche offen, verschiedene Kuchen, Butterbrote, Obst und wer es braucht natürlich auch Sportlertypische Nahrung werden angeboten. Die meisten im hinteren Feld des Ultra Trails lassen sich hier Zeit und genießen das reichhaltige Angebot. Mittlerweile gibt es auch ein Zeitlimit von 3:15 Std. zu beachten.
Nach ausgiebiger Stärkung mache ich mich wieder mit Dieter auf den Weg. Es geht weiter abwärts. Recht unspektakulär beginnt für uns beide ein kleines Abenteuer auf dem nächsten Kilometer. Eine Viererbande Allgäuer Kühe fühlt sich durch unser Sporteln angespornt und jagt blöckend neben uns her. Die Dunkle sieht gefährlich aus und macht sich auch am lautesten bemerkbar. Und je weiter wir laufen, umso mehr Rindviecher gesellen sich dazu. Dabei schließen wir auch zu anderen Läufern auf, es entwickelt sich eine kleine Stampede. „Kuhl“ bleiben Brauner. Wir lassen uns nichts anmerken, werden auch nicht hektisch und bewegen uns so, inmitten von etwa 20 Rindern vorsichtig weiter. Am nächsten Viehgatter endet unser „kuhler“ Trail über die Hörner im doppelten Sinn, wir verlassen nicht nur die Ansammlung der nervösen Hornträger sondern sind auch am Ende unserer Hörnertour.
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Bis km 22 ist die Ultrastrecke identisch mit der des Marathon, an einer Teerstraße trennen sich die Wege. Bis zur Marathon-Weiche ist jeder Kilometer markiert, danach geht es auf der Ultra-Strecke in Fünfer-Schritten weiter. Mal auf mal ab gelangen wir auf ruppigen Trails durch einen Wald hinunter nach Rohrmoos zur nächsten Wasserstelle. Für Trail Runner folgt der schwierigste Abschnitt: 4 Kilometer Asphalt.
Am Hörnlepass überschreiten wir die Grenze ins österreichische Bundesland Vorarlberg, wenig später erreichen wir am gleichnamigen Gasthof die nächste große Labestelle (km 32). Vom Veranstalter gab es die Möglichkeit hierher Drob bags mit Wechselkleidung bringen zu lassen. Ich habe alles am Mann und benötige den Service nicht. Dafür umso mehr das reichhaltige Verpflegungsangebot.
In Riezlern überqueren wir zuerst die Breitach auf einer mächtigen Brücke und wenig später die Autostraße die bis ans Ende des Kleinwalsertales führt. Das Tal ist per PKW nur auf diesem Weg aus Deutschland zu erreichen, es gibt auch wegen seiner geographischen Lage keine direkte Straßenverbindung zum übrigen Österreich. Für uns geht es nach der Überquerung anfangs steil nach oben. Bis zur Söllereckbahn (km 40) sind auf breiten Wanderwegen, meist in der prallen Sonne, auf den nächsten 5 km zusätzlich 440 Hm zu bewältigen. Alleine ist man hier nicht unterwegs, zahlreiche Ausflügler sind auf ihren Wanderungen unterwegs.
Es ist mittlerweile auch wieder sehr warm geworden, aber noch erträglich. Dieter und ich sind etwas unterhopft, so nützen wir eine der zahlreichen Ausflugslokale zu einem Einkehrschwung. Der Rundumblick auf die Oberstdorfer Berge bis hinauf zum Grünten wo unser Ziel liegt ist optisch eine Augenweide, was die Entfernung betrifft aber eher beängstigend. Da hamma no was vor uns.
Der fast 700 Hm lange Abstieg hinunter ins Tal führt überwiegend durch den Wald und ist meist gut zu laufen. Zwischendrin liegt ein etwas schwierigerer steiler Abschnitt mit Stufen und Wurzeln durchsetzt, hier gilt es die Augen offen zu halten. Oberhalb des Freibergsees öffnet sich eine Lücke im Wald und gibt die Sicht frei auf die Heini-Klopfer-Skiflugschanze mit ihrer frei ausragenden Spannbeton-Konstruktion. Die Obersdorfer bezeichnen sie auch gerne als „schiefen Turm von Oberstdorf“. Die Schanze ist ausschließlich in Höhe des Absprungtisches mit Felsankern am Berg befestigt und die drittgrößte in der Welt.
Zweieinhalb Kilometer sind noch im Tal zurückzulegen, bevor wir in der Erdinger Arena bei den Skisprungschanzen eintreffen. Hier wird gesprungen, im Gegensatz zur vorherigen Schanze wo geflogen wird. Verrückt sind sie alle, denke ich mir, noch mehr als wir. Selbstverständlich wird in der Erdinger Arena auch gleichnamiges serviert und dankend von mir angenommen. Zum Zeitlimit von 8:30 Std. haben Dieter und ich noch eine Stunde Luft, so bleibt Zeit für eine ausgiebige Pause. Wer will, könnte sich auch massieren lassen.
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Nach einer Viertelstunde Pause packen wir’s wieder an, noch stehen die härtesten 20 km des Rundkurses vor uns. Unmittelbar nach Verlassen des Stadions steigt die Strecke sofort steil an. Nach zwei Kilometern dreht plötzlich, ein einige Meter vor uns laufender Mitstreiter aus Holland unvermittelt um und will den Lauf abbrechen. Alle die er passiert reden ihm gut zu, er solle es sich doch noch einmal überlegen, trotzdem setzt er seinen Rückweg fort. Ein paar Minuten dauert es, dann rollt er uns wieder von hinten auf, hat es sich jetzt doch wieder anders überlegt und versucht bis ins Ziel durchzukommen.
Bis zur Gaisalpe (km 65) sind auf vorerst noch meist komfortablen Wegen 500 Hm unterhalb des Rubihorns zu bewältigen mit teilweise herrlichen Ausblicken auf die jetzt gegenüberliegenden Hörner. Im Biergarten der Gaisalpe gönnen wir uns unter schattigen Bäumen noch einmal eine kurze Pause, bevor es an den schwierigsten Abschnitt geht, den Aufstieg zum Sonnenkopf. Ein schmaler, oft rustikaler Single Trail führt uns aber vorerst noch zu einer schönen Aussicht ins Tal und hinunter nach Fischen. Das hier errichtete Kreuz ist natürlich kein Gipfelkreuz, sondern zum Gedenken an einen Musikkameraden errichtet.
Unmittelbar nach der nächsten Wasserstation wird es richtig ernst, der Weg zweigt auf einen Pfad zum Sonnenkopf ab. Der folgende Abschnitt ist der anspruchsvollste des gesamten Ultra Trails und bei den meisten schon berüchtigt. Durch den Wald geht es supersteil auf einem ausgetretenen Pfad nach oben. Im letzten Drittel des Aufstiegs verlassen wir abschnittsweise den Wald, ich habe noch in Erinnerung, dass das Gipfelkreuz dann bald in Sichtweite kommen wird und so ist es auch. Helfer motivieren von oben herunter auf den letzten Metern, dann ist der finale Aufstieg geschafft. Man hat sogar Kanister mit Wasser bis hier herauf geschafft und versorgt uns damit. Die Rundumsicht ist großartig und das Zielbanner in Sonthofen mit ein bisschen Phantasie auch schon zu auszumachen. Fast alle verharren und verschnaufen hier ein paar Minuten und genießen diese herrliche Aussicht.
Vom Gipfel liegen noch 10 km vor uns, aber es geht nur mehr bergab. Vorsicht ist geboten auf dem ersten Kilometer des nachfolgenden Abstiegs, der ist nicht von Pappe, technisch nicht einfach und dazu noch mit dem harten Aufstieg in den Knochen kann man schnell stolpern. Hab ich schon mit eigenen Augen erlebt. Eine prima Labe erwartet uns bei km 61, für den langen Downhill genehmige ich nochmal eine ausgiebige Stärkung. Ab hier kann man es laufen lassen. Abwechselnd über Schotterwege, Grashügel und Teerstraßen.
Wie immer empfängt uns Orga-Chef Axel Reusch unter dem Zielbanner vor dem Freizeitbad Wonnemar und gratuliert jedem persönlich. Ich freue mich ganz besonders auf mein 3. Allgäuer Steinmännle und werde ihm auch wieder einen Ehrenplatz einräumen. Neben den vielen tollen Antrittsgeschenken wie Rucksack, Stirnband, Schlauchtuch, Pflegeset und noch einigen anderen Leistungen befindet sich auch ein Gutschein für einen kostenfreien Eintritt ins Wonnemar im Antrittsgeld und den werde ich jetzt umgehend einlösen um wieder auf den Damm zu kommen und für die Heimfahrt gerüstet zu sein.
Bei den drei Hauptbewerben sind wieder weit über 1.100 Läufer ins Ziel gekommen. Das Erfolgsrezept ist ganz einfach: Hier passt einfach alles und dazu ist es noch verdammt schön auf den Überbleibseln der Eiszeit.
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