2./3.8.2013 Gondo Event  
Autor: Bernie Manhard Bericht mit 250 Bildern auf
   
 
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Der Streckenverlauf des Doppel-Marathons beim Gondo Event ist in Kürze recht schnell erklärt. Wir starten am Samstag in Gondo, laufen über den Simplonpass auf die andere Seite der Berge, übernachten in Ried-Brig und auf teilweise veränderter Wegführung geht es am Sonntag wieder über den Pass zurück nach Gondo.

Neu im Programm ist die Möglichkeit, sich die Strecke zu teilen. Bei der Gondo Stafette werden die beiden unterschiedlichen Marathons auf zwei Personen aufgeteilt, jeder läuft einen Tag. Wer nicht ganz so weit laufen will, für den wird noch das Gondo Running mit 28 km angeboten. Beim Gondo Plausch ist dieselbe Variante noch etwas entschärft, es darf marschiert oder gewalkt werden, ohne Zeitmessung. Eines haben aber alle gemeinsam, sie sind ordentlich mit Höhenmeter versehen, denn bei allen Strecken ist der Simplon auf alten Schmuggler- und Handelspfaden zu überqueren. Bei allen Konkurrenzen dürfen im Übrigen Stöcke verwendet werden, womit wir dann doch wieder eher beim Trailrunning wären.

Zu einem der Höhepunkte des Gondo Events zählt die Überquerung des Simplon, er gilt auch als einer der schönsten Alpenübergänge und verbindet das Rhônetal im Schweizer Kanton Wallis mit dem Lago Maggiore. Bis ins 17. Jahrhundert wurde der Pass hauptsächlich von Schmugglern und Söldnern benutzt, denn die enge Gondoschlucht galt lange Zeit als unpassierbar. Erst der Walliser Kaufmann Kaspar Jodok von Stockalper begann ihn in der Mitte des 17. Jahrhunderts für Salztransporte vom Mittelmeer her, mit Lasteseln zu nutzen, was ihm auch großen Reichtum einbrachte und den Beinahmen „König des Simplon“. Danach entwickelte sich der Simplon über Jahrhunderte zur kürzesten Verbindung zwischen Paris und den oberitalienischen Handelszentren, allen voran Mailand. Von den historischen Weganlagen des Stockalperwegs sind noch heute große Abschnitte sowie beeindruckende Bauten erhalten und liegen natürlich auch an der Laufstrecke.

Die erste für Fahrzeuge geeignete Passstraße ließ Napoleon 1801 – 1805 errichten, um mit seiner Artillerie südwärts zu gelangen. Seit etwas mehr als hundert Jahre muss man nicht mehr zwingend über, sondern kann auch durch die Berge nach Italien gelangen. 1906 wurde ein 19 km langer Eisenbahntunnel durch den Simplon eröffnet. Dadurch besteht heute für uns die Möglichkeit per Autoverladung von Brig/Schweiz nach Iselle di Trasquera/Italien, eine Verkürzung der Fahrzeit auf 20 Minuten herbeizuführen.
Jan und ich wollen die Möglichkeit aber nicht nützen, bei dem wunderschönen Wetter möchten wir vorab schon mal den Übergang auf der Passhöhe begutachten. der auch der bestausgebaute Passübergang der Schweiz ist. Damit hat er sich auch zu einer Transitstrecke für den Schwerverkehr entwickelt, die jährlich von zigtausend LKWs befahren wird. Obwohl es sich um eine Nationalstraße handelt, darf man ihn aber auch mit dem Fahrrad überqueren. Diverse Baustellen behindern aber gerade ein zügiges Vorwärtskommen.

Flankiert von einer hochaufragenden und steilabfallenden Felswand wirkt Gondo sehr beengt und auf den ersten Blick für mich auch etwas bedrohlich. Das Grenzdorf klebt förmlich an einem Steilhang. Direkt am Ortseingang ist der Grenzübergang nach Italien. Daneben steht der imposante Stockalperturm. Die Tragödie vom 14. Oktober 2000 sieht man ihm nur mehr bei näherem Betrachten an. Nach einem Unwetter mit verheerenden Regenfällen zerstörte ein gewaltiger Erdrutsch innerhalb von ein paar Sekunden 10 Häuser, dabei verloren 13 Menschen ihr Leben. Zur Erinnerung an diese Unwetterkatastrophe, organisiert der Verein Gondo Event alljährlich diesen Gedenklauf.

Am Freitag werden uns ab 17 Uhr im 5. Stock des Stockalperturms Nudeln und Salat serviert. Es besteht auch die Möglichkeit auf Eigeninitiative im Gebäude zu übernachten. Als Wahrzeichen von Gondo war man schnell daran interessiert ihn wieder aufzubauen. Im Gang zeugen noch Fotografien von den enormen Beschädigungen nach dem Unglück. Erste Idee war eine Umgestaltung in ein Museum, das wurde aber zugunsten eines Hotels verworfen. Heute verfügt man über insgesamt 42 Betten und bietet modernste Seminarinfrastruktur in diesen historischen Gemäuern. Mittlerweile hat der Betrieb ob seiner Originalität und seiner Ausstrahlung bereits etliche Qualitätslabel errungen. Beim Reisemagazin GEO wird er sogar unter den 90 schönsten Hotels Europas geführt.

Stockalper begann 1666 mit dem Bau dieses mächtigen Hauses mit dem siebenstöckigen Turm. Es diente ihm als Lagerraum für Transportgüter, Verwaltungsgebäude und als Herberge. Im lukrativen Schmuggelgeschäft spielte das Gebäude ebenso eine große Rolle. Wegen der großen Lagerkapazitäten konnten sich die Schmuggler im Turm mit Gütern wie Rauchwaren und Kaffee eindecken, welche sie über die steilen Felsen am Zoll vorbei über die Grenze transportierten.

Wer sich beim Gondo Event um nichts kümmern will, dem wird vom Veranstalter ein Komplettpaket angeboten bei dem man bestens versorgt wird. Im Preis von CHF 246,- enthalten, sind da neben der Startberechtigung für beide Marathons, noch je zweimal Abendessen, Frühstück und Übernachtungen im Massenquartier. Natürlich muss man diesbezüglich seine Ansprüche etwas herunterschrauben, aber das Quartier im ehemaligen Schulhaus, direkt am Start- und Ziel entpuppt sich als recht komfortabel. Große Duschräume und ausreichend Toiletten stehen zur Verfügung. Die 20-Bett-Zimmer sind gut ausgestattet mit Stockbetten, Matratzen, Kopfkissen, Ablagemöglichkeiten und nicht ganz unwichtig, mit Stromanschlüssen um GPS, Akkus usw. nochmals mit Saft zu versorgen. Nur einen Schlafsack muss man selber mitbringen. Heuer ist das Quartier seit langer Zeit einmal nicht ausgebucht, so dass die ebenfalls noch zur Verfügung stehende Zivilschutzanlage nicht benötigt wird. Im Zimmer bleibt die Nacht erstaunlich ruhig, nicht einen einzigen Schnarcher kann ich vernehmen. Dafür donnert der in unmittelbarer Nähe rauschende Wasserfall mit voller Kraft durch die Nacht.
 
Gondo   Stockalperturm   Stockalperturm nach Erdrutsch
Pasta Party Unterkunft Gleich geht's los
 

Etappe 1

Bis 6 Uhr bleibt alles ruhig im Zimmer, dann machen sich die ersten auf den Weg zum Stockalperturm wo das Frühstück serviert wird. Im schönen Ambiente des wunderbar restaurierten Turms gibt es beim Angebot nichts zu mäkeln, ich für meinen Teil benötige nicht einmal einen Bruchteil des Angebotenen. Außerdem bietet uns die Strecke mit 8 Verpflegungsstationen noch ausreichend Möglichkeiten nachzufassen. Trailer werden ja normalerweise eher selten mit so einem Verpflegungsangebot in so kurzen Abständen ausgesetzt. Bis zum Start können wir unser Gepäck zum Transport auf die andere Talseite am LKW abgeben. Stress und Hektik sind hier Fremdwörter.

Gestartet wird am 1. Tag um 8 Uhr. Wie in den letzten Tagen, sind wieder hohe Temperaturen zu erwarten, bis jenseits der 30 Grad. Aber am Nachmittag besteht große Gewitterneigung, so habe ich mich doch zum Mitführen einer Regenjacke entschieden. Von Organisationsleiterin Brigitte Wolf bekommen wir noch eine kurze Einweisung was wir bei den Streckenmarkierungen zu beachten haben. Grundsätzlich gilt: wenn nach 100 Meter keine Markierung auftaucht, sollte man aufmerksam werden, nach 200 Meter ohne Sichtkontakt ist man falsch gelaufen.

Bekanntestes Gesicht am Start ist sicher Super-Trailerin „Lizzy“ Hawker die am letzten Wochenende in Davos beim K78 noch den 5. Platz belegte, sie ist auch regelmäßig in Gondo am Start um sich den letzten Schliff für den UTMB zu holen. Das Gondo Event hat noch viele weitere Liebhaber gefunden die hier regelmäßig am Start sind.

Die ersten Meter führen auf der Hauptverkehrsstraße durch den Ort. Ich weiß nicht ob der Verkehr irgendwo angehalten wird, ich kann nichts ausmachen, aber um diese Zeit sind scheinbar nur Läufer unterwegs. An der ersten Möglichkeit verlassen wir die Teerstraße und gelangen auf den historischen Stockalperweg. Auf nur mäßig ansteigenden Trails kann ich schnell meinen Rhythmus finden. Bereits auf den ersten Kilometern werden uns unvergessliche Eindrücke entlang der Doveria durch die enge Gondoschlucht geboten. Teilweise laufen wir direkt neben der Straße, mal unter und manchmal auch über ihr. Dabei geht es über viele spektakuläre Brücken.

Holz- und Steinbrücken wechseln mit modernen Stahlkonstruktionen, die aktuellen, aber auch früheren Wegebauer haben hier einen aufregenden Pfad durch die Schlucht geschaffen, kaum zu glauben dass Stockalpers Männer hier ihre Handelsroute durchführten. Erst seit August 2002 ist der Weg durch die imposante Schlucht wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Stehenbleiben ist aber an diversen Stellen wegen Felssturzgefahr untersagt. Haben wir ja auch nicht vor.

Nach drei Kilometern geht es unterirdisch weiter, wir durchqueren zwei Tunnel der ehemaligen Festungsanlage Fort Gondo, über mehrere hundert Meter geht es angenehm temperiert durch die Felsen. Grüne Wiesen und auch gelegentliche Asphalt-Passagen führen uns nach Simplon Dorf. Die Wege bis dahin sind allesamt hervorragend und ohne größere Probleme zu meistern. Immer wieder passieren wir dabei alte Gemäuer und Handelsstationen aus vergangenen Tagen.

Die ersten 500 Höhenmeter liegen in Simplon Dorf (km 8,5) hinter uns. Der Baustil mit den typischen Steinplattendächern erinnert an seine italienische Nachbarschaft. Wir laufen mitten durch den Dorfkern. Am Ortsende ist die zweite Versorgungsstation errichtet. Es stehen Cola, Iso, Wasser, Linzer Törtchen, Salzbrezeln, Bananen und Riegel zur Verfügung.

Über saftige Alpweiden, rauschende Bäche und auch immer wieder kleine Ansiedelungen, wo wir manchmal gefühlsmäßig durch den Garten spazieren, führt der Weg beständig nach oben. Es wird aber auch zunehmend steiniger und steiler. Schon von weitem kann man das hochaufragende Alte Spittel erkennen. Es wurde 1650 von Kaspar Stockalper erbaut und diente als Herberge für Wanderer und Kaufleute. Die drei oberen Stockwerke nützte seine Familie als Sommersitz. Im untersten wurde armen Reisenden unentgeltlich Unterkunft und Verpflegung gewährt.

Zu seinen Füßen, unterhalb am Hang liegt das Alte Hospiz, das führt auf Napoleon zurück. Auf seinen Befehl sollte es gleichzeitig mit der Militärstraße entstehen und als Kaserne dienen. Der Grundstein des länglichen Gebäudes wurde 1813 gelegt; der Bau dauerte aber bis 1831. In der Zwischenzeit wurde Napoleon gestürzt, die Franzosen verschwanden aus dem Wallis und das Bauwerk wurde eingestellt. Bis dahin war nur das erste Stockwerk fertig geworden.

 
Gondoschlucht   Gondoschlucht   Alte Gemäuer
Altes Hospiz Alte Spittel Überblick
 

Knapp die Hälfte des vorgegebenen Zeitlimits von 8:15 Stunden muss am Simplonübergang (km 17) bewältigt sein. Die letzten sollten um 12 Uhr den Verpflegungsposten erreicht haben. Hier können wir uns noch kräftig stärken, bevor es weiter nach oben geht. Im Angebot steht jetzt zusätzlich noch Bouillon zur Verfügung.
Bis zum höchsten Punkt unseres Kurses, dem Bistinenpass auf über 2.400 m liegen noch 6 km und über 600 Hm vor uns. Der Weg hinauf führt in einem weiten Bogen oberhalb des Simplon-Plateaus an den Flanken des Tochuhorn und Magehorn entlang. Nicht übermäßig steil, aber immer in steiniger Hanglage sollte man schon Vorsicht walten lassen. Je höher wir kommen umso beeindruckender wird die Aussicht, nach oben präsentieren sich die Berggipfel des Monte Leone, Wasenhorn und Fletschhorn, unter uns schlängeln sich die Serpentinen des Simplon über die Passhöhe.

Einige alpine und daher nur vorsichtig passierbare Abschnitte beeinträchtigen das Vorwärtskommen doch spürbar. In einer Senke kann ich mich nur mehr an den zahlreichen Fähnchen orientieren, der vor mir liegende Wiesentrail ist als solcher kaum mehr erkennbar, er führt durch eine fast unberührte Graslandschaft, nur das nieder-gedrückte Gras unserer Vorläufer machen ihn noch als unsere Laufstrecke erkennbar. Aber die Route ist vorbildlich ausgeschildert und Verlaufen eigentlich unmöglich. Kurz unterhalb des höchsten Punktes wird es nochmal richtig steil. In der Mittagshitze nicht unbedingt ein Vergnügen, ich bin froh, zu den eigentlich vielen VPs, noch zusätzlich meinen Trinkrucksack aufgefüllt zu haben. Recht unspektakulär präsentiert sich der Übergang am Bistinenpass, nur eine Steinpyramide deutet auf einen besonderen Punkt hin. Eine Labestation versorgt uns mit allem was benötigt wird.

Fast in einem Rutsch geht es durch das unbewohnte Nanztal hinunter ins erste Etappenziel. Dabei sind beim Downhill über 17 km etwa 1.900 negative Höhenmeten zu durchzustehen. Besonders ruppig und steil sind die ersten 5 km, meine Oberschenkel kommen mächtig ins kochen. Im Tal steht die Luft, kaum ein Lüftchen regt sich und von oben brennt die Sonne unbarmherzig auf die Birne. Erst ab VP Nidistri Alp nimmt das Gefälle spürbar ab. Zwischendrin gibt es jetzt auch mal einige flache Abschnitte. Wohltuend sind die vielen Rinnsale, die über unsere Piste laufen und an denen man sich eiskaltes Wasser über den Kopf laufen lassen oder die Mütze in das erfrischende Nass tauchen kann. Unter zwei Wasserfällen lasse ich mir eine eiskalte Kopfmassage verpassen. Sehr wohltuend. Aber lange hält das nicht an, das Wasser verdampft viel zu schnell.

Bis km 37 geht es meist in bewaldeten Abschnitten mit moderatem Gefälle auf breiten Waldwegen abwärts. Ein Singletrail durch den Wald trägt deutlich zur Verschärfung bei, die Oberschenkel bekommen noch einmal unerwartet viel Arbeit. Dazu gesellen sich noch einige rustikale und steile Gegenanstiege.

Einer der Höhepunkte des 1. Tages und ein besonderes Schmankerl beim Gondo Event ist die Durchquerung der Saltina. Ja, schon richtig gelesen: Durchquerung. Auch wenn mittlerweile die Brücke über den Gebirgsbach wieder aufgebaut ist, so wird sie doch im Normalfall von den Läufern nicht beachtet. Enorme Regenfälle ließen im Oktober 2000 die Saltina so anschwellen und reißend werden, dass sie auch vor der Brücke keinen Halt machte und sie komplett zerschmetterte. In Gedenken daran müssen die Teilnehmer, von der ansässigen Feuerwehr gesichert, direkt durch den Gebirgsbach. Ich bin richtig enttäuscht, als man mir mitteilt, dass dies heute zu gefährlich ist, da die Strömung zu stark ist. Dabei hatte ich mich doch schon so auf spektakuläre Bilder mit meiner wasserdichten Kamera gefreut und zudem bei diesen Tropentemperaturen auf die Erfrischung in den kühlen Fluten.

Trockenen Fußes erreiche ich, leider über die Brücke, die andere Seite. Zur Enttäuschung über die verpasste Durchquerung gesellt sich noch ein pickelharter Schlussabschnitt. In der glühenden Sonne geht es steil nach oben. Es sind zwar nicht einmal 100 Höhenmeter auf etwa 1,5 km verteilt, die aber haben es noch einmal nachhaltig in sich. Die letzten 1.500 Meter werden auf Schildern in 500er Schritten angezeigt. Vor der Schule in Ried-Brig ist der Zieleinlauf. Die Strecke und die Hitze des Nachmittags zeigen ihre Wirkung, ich bin erstmal richtig groggy und muss raus aus der Sauna in den Schatten.

Den bietet uns der direkt neben dem Ziel gelegene Zivilschutzbunker unter dem Schulhaus. Momentan kann ich mir nicht vorstellen, am morgigen Tag dasselbe zu wiederholen. Zwei große Schlafräume stehen in der Zivilschutzanlage zur Verfügung, ähnlich ausgestattet wie schon das Schulhaus in Gondo. Auch hier steht reichlich Platz zum Ausbreiten der Ausrüstung zur Verfügung, die nassen Sachen können im Waschraum aufgehängt werden und eine Steckdose findet sich auch, so können mit mir, auch meine Akkus wieder regenerieren. An das Getöse der Lüftungsanlage muss man sich erst gewöhnen, die Wiederholungstäter kennen sich hier schon besser aus, viele sind mit Sack und Pack in die überirdische Turnhalle der Schule gezogen, eine sogar ins Freie direkt vor dem Eingang. Nach einer Dusche und Erholungspause bin ich wieder fit und die Lebensgeister kommen zurück.

Die angesagten Gewitter treffen passend ein: nämlich geraume Zeit nachdem der letzte das Zielbanner passiert hat. Ab 17:15 Uhr kann im Schulhaus das Abendessen eingenommen werden. Nicht einfach nur Nullachtfuffzehn, sondern zubereitet von einer ortsansässigen Metzgerei gibt es zu den Maccaronis noch mehrere Scheiben Fleisch, dazu Salatteller, Brot und Früchtejoghurt.

Wohin mit der überschüssigen Zeit wird sich manch einer am noch frühen Abend fragen. Da könnte ich zwei Empfehlungen abgeben. Nur ein paar Meter weiter um die Ecke gibt es eine kleine Kneipe mit Tischen im Freien, hier kann man ein oder auch zwei Bierchen zwitschern, vielleicht macht das die Lüftungsanlage erträglicher. Steht bei Jan und mir natürlich auf dem Programm.

Einen kulturellen Tipp hätte ich aber auch noch, verbunden mit.einem Spaziergang durch Ried-Brig. Eine Besichtigung von sehenswerten Walserhäuser aus dem 16. Jahrhundert, sie beginnt schon direkt an der Schule. Wer auf dem letzten Kilometer zum heutigen Zieleinlauf noch in der Lage war, einen Blick auf die Bauweise zu werfen, wird da vielleicht schon neugierig geworden sein. Besonders die uralten Speicher mit den sogenannten Mäuseplatten sind eine Augenweide. Um Ratten und Mäuse am Eindringen zu hindern, wurde an den senkrechten Pfosten eine waagerechte Steinplatte aus Schiefer oder Granit eingebaut. Ihre Flächen waren so glatt behauen, dass sich Mäuse und Ratten an ihrer Unterseite nicht festklammern konnten. Diese Steinplatten sind heute eines der Wahrzeichen der alpinen Baukultur des Wallis. Besonderes Merkmal ist auch das Lerchenholz der Bauten. Die unbehandelten hellen Balken färbten sich unter der Sonne mit der Zeit schwarz. Ich streune etwas umher, entdecke auch alte Hornschlitten, wirklich höchst interessant.

 
Bistinenpass   Nanztal   Erfrischung
Nicht mehr weit Saltina-Durchquerung Walserhaus mit Mäuseteller
 

Etappe 2

Ab 7 Uhr werden am zweiten Tag die Läufer per Jagdstart auf die Strecke geschickt. Das heißt, der Zeitschnellste startet als Erster, gefolgt von den Nächstplatzierten entsprechend der Zeitabstände. Um 7:30 Uhr wird dann der große Rest der Meute losgelassen, das ist natürlich der Großteil. Der Grund hierfür liegt darin, dass man sicher gehen will, dass der Gesamtsieger der Zweitages-Wertung auch als erster das Ziel in Gondo erreicht.

Streng geht es gleich los am frühen Morgen, hinauf zum Schallberg sind auf den ersten drei Kilometern sofort 350 Hm zu absolvieren. Meine Achillessehen benötigen eine längere Einlaufphase, daher befinde ich mich vom Start weg fast am Ende des Feldes. Nach einer halben Stunde gelangen wir wieder auf den Stockalperpfad mit herrlich abenteuerlichen Holzbrücken. Zum Teil fallen die Felswände hier fast 300 Meter senkrecht nach unten.

Um die unbezwingbare Saltinaschlucht zu umgehen, musste Stockalper seinerzeit den obenliegenden Weg in den Schallberg führen. Für uns eröffnet sich ein imposanter Blick auf die weit unten fließende Saltina. Wenig später erreichen wir die erste Verpflegungsstelle. Ab hier nur mehr mäßig steigend gleiten wir wellenförmig durch Wald- und Wiesenabschnitte. Auch der eine oder andere Asphaltkilometer ist zu passieren.

Nach unterqueren einer alten Steinbrücke laufen wir nach einer Spitzkehre auf das moderne Gegenstück, die monströse Ganterbrigga zu. Das Wahrzeichen des Gantertales überspannt das tiefe Tal auf einer Länge von 678 Metern in einem langgezogenen S-Bogen. Im Dezember 1980 wurde der Betongigant dem Verkehr übergeben. Der Konstrukteur der Brücke gab sich im Nachhinein selbstkritisch: „Bei einem Entwurf sollte man sagen können, ich muss nichts mehr hinzufügen und kann auch nichts mehr wegnehmen. Hier hätte ich besser noch etwas weggenommen...“ Etwas filigraner hätte wirklich nicht geschadet. Immerhin spendet sie unserer VP (km 9) einen schönen Schattenplatz. Obwohl der bis jetzt noch nicht notwendig ist, das Gewitter vom Vorabend, hat doch spürbar abgekühlt.

Ein 2 km langes Bergabstück bringt uns in das wilde Tal der Taferna. Entlang des rauschenden Wildbaches führt uns der Stockalperweg wieder über mehrere wunderschöne Holzbrücken. Zuerst in sanften Anstieg, letztendlich aber recht steil geht es hinauf auf den Simplon. Das ehemalige Wirtshaus am Wegesrand ist noch gut in Schuss. Zu Stockalpers Zeit bewirtete die sagenumwobene Johanna Fy die Säumer und Reisenden die über den Pass kamen. Besuchern ihrer Kneipe verdünnte sie den Wein mit Wasser. Nach ihrem Ableben musste sie der Sage nach dafür büßen. Als „Arme Seele“ soll sie angeblich ihre Schuld im Kaltwassergletscher sühnen, aus dem Wanderer in der Nacht ihr Klagen hören können: „Ich heissu Johanneli Fy, Bi zer Taferna Wirti gsy, Hä Wasser üssgga fer Wy, Müös jetz in de Chalte Wassru sy!“

Auf dem Simplon-Pass (km 19) angekommen, gibt es wieder das Zeitlimit zu beachten. Um 12 Uhr sollten hier alle durch sein. Bestens ausgestattet ist wieder die Labestelle. Von oben grüßt ein steinerner acht Meter hoher Adler herunter, er ist das Wahrzeichen des Simplons. Wurde im Zweiten Weltkrieg als Symbol der Wachsamkeit von der Gebirgsbrigade gebaut.

Meine fotografische Arbeit kann ich auf den nachfolgenden 12 Kilometern so gut wie einstellen, ich möchte nicht unbedingt alles doppelt aufnehmen, wir laufen wieder auf denselben Wegen wie gestern, nur heute in entgegengesetzter Richtung. Über das Alte Hospiz, Spittel und Simplon Dorf geht es bergab zum Weiler Gabi. Die ersten Meter verlaufen noch etwas zähflüssig nach dem langen Aufstieg, aber dann komme ich immer mehr ins Rollen und kann viele Mitstreiter hinter mir lassen. Das Gefälle und die Wegbe-schaffenheit sind genau nach meinem Geschmack, nicht zu steil und sehr gut gemischt.

Übermut tut selten gut, nur mehr wenige Meter liegen zwischen einer Vierergruppe und mir. So richtig schön im Flow wähle ich die Direttissima durch ein Matschgebiet um die vor mir liegenden schnellstmöglich einzuholen und handle mir dafür eine gratis Schlammpackung vom Feinsten ein. Seitlich am Hang lande ich mit voller Breitseite in der Suhle. Vielleicht sollte ich es als Strafe auffassen, weil ich als leidenschaftlicher Trailrunner heute mit leichten Straßenschlappen ohne Profil unterwegs bin, 100 g weniger pro Schuh, haben mich zu diesem Schritt bewogen. Bereut habe ich es aber bisher bei dem trockenen Wetter nicht.

Ich bin jetzt vollkommen aus dem Rhythmus und versuche an den nächsten Rinnsalen den Dreck einigermaßen zu entfernen, was nicht so recht klappt. Erst an einem Brunnen kann ich mich besser vom Schlamm befreien. So verliere ich doch viele Minuten und fast alle die ich beim Downhill hinter mir lassen konnte, haben mich jetzt wieder überholt. Am VP in Gabi (km 30) muss ich mich nochmals etwas sammeln und lege eine kleine Pause ein, auch um für den folgenden Aufstieg gerüstet zu sein.

Die Route über das Furggi ist streng. Die 650 Höhenmeter beim drei Kilometer langen Aufstieg sind ein echtes Kriterium. Steil zieht sich der Stockalpertrail nach oben. Auf einer Felsplatte kann ich eine Inschrift von 1635 und damit aus seiner Zeit entdecken. Mann oh Mann, wie haben die Maultiere seiner Zeit, dazu vollbeladen den Aufstieg auf diesem Weg wohl bewältigen können?

Aber auch der folgende Abstieg ins Zwischbergental ist nicht von Pappe. Nur selten bin ich bereit an den steinigen und steilabfallenden Bergflanken richtig Fahrt aufnehmen. Mir ist die Sturzgefahr zu hoch. Zwischen 1894 und 1897 kam es hier im Zwischbergental zu einem wahren Goldrausch. Stockalper begann zwar bereits um1660 mit dem Golderzabbau, der große Boom sollte aber erst mehr als 200 Jahre später folgen. Der Aufwand dafür war enorm; es wurden eigens Seilbahnen und Unterkünfte für die Arbeiter gebaut und sogar eine kleine Bahnlinie verlegt. Weil das Erz im Durchschnitt einen viel zu niedrigen Goldgehalt aufwies, ging das Unternehmen nach nur zwei Jahren Pleite. Geblieben sind neben ein paar begehrten Sammlerartikeln, wie Historische Aktien und Münzen aus Gondo-Gold noch ein paar Ruinen und Stollen, die teilweise auch besichtigt werden können. Im Stockalperturm kann man seit 2009 das Goldmuseum besuchen.

Nach dem steilen Abstieg führt der Weg nach Überquerung der Doveria nur mehr gemäßigt abfallend, dafür aber sehr rustikal mit Steinen durchsetzt bis ans Ziel in Gondo. Auf dem Schlussabschnitt gibt es noch einige historische Steinbauten zu begutachten. Die letzten 1.500 Meter werden wieder runtergezählt. Ich treffe genau zur Siegerehrung bei den Kinderläufen ein. Die gibt es nämlich hier auch. Das Gondo Event ist ein Fest für die ganze Region.

Jan und ich liegen gerade auf der Massagebank als die Siegerehrung beginnt. Als der Sprecher erwähnt dass alle Finisher aufgerufen werden, machen wir uns schnell auf die Socken um noch rechtzeitig vorstellig werden zu können. Zu unserer Überraschung bekommen alle einen Siegerpreis ausgehändigt. Spezialtäten vom Simplon: Birnschnitzbrot und 1 kg schwerer Laib Käse.

Wer Läufe durch Naturschönheiten und Berge liebt, ist beim Gondo Event bestens aufgehoben, das gemeinsame Erlebnis beim Essen, Schlafen und Laufen macht ihn ziemlich einzigartig. Die Streckenführung ist ein echtes Highlight, nicht zu extrem alpin und daher auch sehr gut zu bewältigen. Großer Dank gebührt dem Gondo-Event-Team für die Durchführung und natürlich allen voran dem eigentlichen Erfinder dieses Trails: Kaspar Jodok von Stockalper. Grandios, was er erschaffen hat.

Brücken im Schallberg   Saltinaschlucht   Altes Wirtshaus
Simplon Adler Schlammbad Siegerpreis
 
Jan
Bernie
6:30:48 | 7:20:27 | Gesamt 13:51:15
6:54:29 | 7:48:12 | Gesamt 14:42:41
 
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