13.7.2013 Pitztal-Gletscher Trail-Maniak
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Autor: Bernie Manhard Bericht mit 250 Bildern auf  
Hart, härter, Pitztal-Trails
 
ber13
 
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Ganz am Ende des Pitztals findet die Gletscher-Premiere und somit der 3. Lauf der Trail Maniak-Serie statt. Mario Schönherr und sein Team sind auf neuen Wegen und präsentieren uns ein Event unter dem Slogan: Trailrunning auf höchsten Niveau und das soll sich nicht nur auf die in ungewohnter Höhe stattfindende Veranstaltung beziehen, sondern in erster Linie die Anforderungen an uns Trail Runner verdeutlichen.

In Imst biegen Jan und ich ein ins 40 km lange Pitztal, einem Gebirgsstock der Ötztaler Alpen. Um 600 wurde es durch die Bajuwaren besiedelt und zählt bis heute zum Bairischen Sprachraum, somit bin ich hier auch noch zu Hause. Umgeben sind wir von 38 Dreitausendern. Der Pitztaler Gletscher bildet den Talabschluss. Hinter ihm steht Tirols höchster Berg, die Wildspitze mit einer Höhe von 3.774 m. Das etwa 10 km² große Gletschergebiet ist das zweitgrößte Österreichs. Der ursprüngliche Name lautet Mittelbergferner und der höchste Punkt liegt auf 3.440 m. Direkt aus der Gletscherzunge entspringt die Pitze, die dem Tal auch seinen Namen gibt.

Trailcity

In Mandarfen ist die Trailcity von Mario’s Säbelzahntiger-Events aufgebaut. Der kleine Weiler liegt auf 1.675 m Seehöhe und hat sich in den letzten Jahren zu einer touristischen Hochburg entwickelt. Ursprünglich war hier nur eine Alm und auch nur im Sommer bewohnt. Heute bieten mehrere Hotels Platz für bis zu 900 Gäste. So viele haben sich zur Premiere noch nicht angemeldet und somit ist die Zimmerbuchung auch kurzfristig kein Problem.

Erster Anlaufpunkt am Zielort ist der Check In im Bergführer-Büro in Mandarfen. Das fängt ja schon verheißungsvoll an. Verena empfängt uns und kontrolliert als erstes ob auch alle die richtige Handynummer angegeben haben. Das Mobiltelefon mit den eingespeicherten Nummern der Bergrettung und von Rennleiter Benedikt Walser gehört zur Pflichtausrüstung.

In den Startunterlagen finden wir neben Startnummer, Chip und Veranstaltungspresent noch diverse Gutscheine. Ganz ungewöhnlich, aber richtig klasse ist die Durchführung der Pasta Party. In vier umliegenden Hotels werden unterschiedliche Gerichte angeboten, jeder kann nach seinem Gusto entscheiden auf was er Bock hat und dort seinen Essensgutschein einlösen. Wenn das nicht eine tolle Sache ist, so bekommen wir unsere Kohlehydrate in Restaurant-Qualität.

Pflichtveranstaltung für alle Teilnehmer des 95K und 42K ist das Race Briefing in der Pitzalm um 18:30 Uhr. Die urige Location ist schnell proppenvoll und Sitzplätze Mangelware. Nach der Begrüßung werden wir schnell mit den Tatsachen vertraut gemacht. Wie bereits noch am Vortag auf der Website und per Mail bekannt gegeben, können die ursprünglich geplanten Strecken des 95K und 42K nicht 1:1 gelaufen werden. Daneben gibt es für Einsteiger auch noch einen 13K.

Fieberhaft suchte man in den wenigen verbliebenden Tagen nach einer neuen Strecke, nachdem Streckenchef Benedikt Walser und seine Bergführer-Kameraden die Freigabe für diverse kritische Abschnitte im Sinne der allgemeinen Sicherheit verweigerten, darunter auch die Passage über den Gletscher. Acht Kilometer im knietiefen Schnee sind einfach niemanden zuzumuten. Infolgedessen musste in der Kürze der Zeit die geplante Strecke komplett umgebaut werden. Für Trailspezialist „B´jak“ Thomas Bosnjak waren einige Sonderschichten fällig. Somit hat uns auch bei diesmal allerschönstem Sommerwetter, wieder die Wettervorgeschichte des ganzen Jahres eingeholt.

Mario verspricht uns dennoch eine Herausforderung die alle an unsere Grenzen bringen wird auf einer spektakulären Strecke. Zwei Cut Offs und Ausstiegsmöglichkeiten wird es geben, die erste in Trenkwald (km 57) um 18:30 Uhr und noch eine in St. Leonhard (km 68) um 21 Uhr. Alle die Innerhalb des Zeitlimits ankommen und dort genug haben, kommen in eine eigene Wertung und entgehen so dem DNF. Für die komplette Strecke sind 26 Std. Sollzeit vorgegeben. Durch den Wegfall der Gletscherpassage sind Spikes oder Eiskrallen nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Aber es werden immer noch diverse Schneefelder zu durchqueren sein, die aber meist im Laufe des Tages schon ziemlich sulzig und so gut zu passieren sein müssten.
Trailcity   Speaker   Alte Bekannte
Man trifft immer die selben Race Briefing in der Pitzalm Bergführer Benedikt Walser
 

Start 95K

Der Samstag beginnt für mich mit einem Adrenalinstoß, vor dem Ausrüstungs-Check um 4:15 Uhr ist meine Startnummer verschwunden, ich bin sicher sie im Hotelzimmer angelegt zu haben. Ich muss nochmal zurück und kann sie Gottlob ganz schnell in der Tiefgarage finden. Das Startnummernband war wohl nicht richtig eingerastet. Schnell bin ich wieder zurück am Startplatz. Alle 55 Starter des 95K werden ausnahmslos kontrolliert. Es dient nur zu unserer Sicherheit. So kommen bei mir schnell 5 Kilo mit Getränken zusammen die auf dem Rücken mittransportiert werden müssen.

Start 5 Uhr. Nur wenige Meter sind uns im Flachen zum Warmlaufen gegönnt. Nach überqueren der Pitze wird der Schweißausstoß gleich spürbar erhöht, fast ansatzlos geht es über 3 km und ca. 600 Höhenmeter über den Panoramasteig zum Rifflsee hoch. Auf halbem Wege haben wir bereits gutes Licht. An der Sunna Alm wartet bereits die 1. Labestelle auf uns. Eine fliegende Hi Tech-Kamera nimmt ferngesteuert unser Treiben auf, oder ist hier gar auch die NSE am Werk? Im Unterschied zu den 42K-Läufern werden wir nach einer 8 km-Runde hier ein zweites Mal auftauchen. Um nicht die Orientierung durch unterschiedliche Streckenführungen zu verlieren, wurden wir im Briefing darauf hingewiesen. Anfangs immer gegen den Uhrzeigersinn zu laufen.

Die ersten Eindrücke des Rifflsee sind schon faszinierend, aber noch präsentiert er sich nicht im besten Licht. Über eine Brücke gelangen wir am Rifflbach entlang auf dem Offenbacher Höhenweg ins Wurmtal. Leicht ansteigend kommt man ganz passabel voran, aber die Trampelpfade sind auch sehr steinig und mit Vorsicht zu genießen. Das Skelett am Boden kann noch keiner von uns sein. Erste kleine, gefrorene Schneefelder gilt es zu überqueren, den Einsatz von Spikes rechtfertigen sie aber bei weitem nicht. In voller Blüte präsentieren sich Alpenröschen und Silberdisteln.

Eine Besonderheit der beiden langen Trails sind Kontrollstellen, ähnlich wie es sie bei den IVV-Wandertagen gibt. Wer den 95K erfolgreich abschließen will, muss 7 Markierungen vorweisen können. Beim 42K sind es deren vier. Die Felder für die Markierungen sind auf der Startnummer aufgedruckt. Die erste Stempelstelle liegt am hintersten Ende unserer Schleife. Mit einer Zwickzange muss die Markierung ausgestanzt werden.

Der Rückweg unserer Runde führt an der Flanke des Grubenkopfes hinauf zum kleinen Plodersee. Im Winter vergnügen sich hier die Skifahrer. Nach überqueren einiger Skipisten wird der Blick frei auf den jetzt weit unter uns liegenden Rifflsee. Ein schmaler Trail führt uns wieder direkt an sein Ufer. Wo wir ihn jetzt aber im Uhrzeiger links herum umqueren müssen. Es gibt hier sogar einen längeren Abschnitt wo man ganz normal laufen kann.

Mittlerweile bietet sich ideales Licht für Fotoaufnahmen vom Rifflsee. Fast kitschig spiegeln sich die schroffen und noch schneebedeckten Gipfel des Kaunergrats im grünen Bergsee und bieten ein Postkartenmotiv erster Sahne. Er ist Österreichs höchstgelegener Bergsee (2.232 m) und ein typischer Moränenstausee. Bei sonnigem und warmem Wetter wird ihm eine große Menge an Schmelzwasser vom Rifflferner zugeführt.

Zur Sunna Alm geht’s noch eine kleine Anhöhe hinauf zur zweiten Verpflegung. Nicht vergessen dürfen wir hier den Stempel auf unsere Startnummer. Er wird ganz banal von einer Helferin als Kreuzchen aufgemalt. Ein paar Bissen würge ich runter. Der Weg zu VP3 ist weit, erst ganz hinten im Taschachtal, bei km 22 wird es wieder Verpflegung geben, daher nütze ich auch die Möglichkeit, meinen Getränkevorrat wieder aufzufüllen.

 
Ausrüstungs-Check   Wir sind bereit   Erste Steigung in der Dämmerung
Aufstieg Sunna Alm Rifflsee
 

Fuldaer Höhenweg

Über ein Viehgatter geht es rauf auf den Fuldaer Höhenweg, der kurze Anfangsabschnitt ist noch ein Begegnungsstück, wo mir die Nachzügler des 95K entgegen kommen. In südlicher Richtung führt unsere Tour oberhalb der Baumgrenze entlang den Sonnenhängen des Grubengrates und des Eiskastenkopfes. Die Höhenunterschiede sind nur mäßig, aber immer wieder dürfen dabei kleine Klettereinheiten über Rinnsale und Felsabschnitte absolviert werden. Die Aussicht ins vor uns liegende Taschachtal ist phänomenal. Immer näher rückt die Gletscherzunge des Taschachferners.

Ich versuche immer an Jan dranzubleiben, aber meine Fotostopps reißen doch große Lücken zwischen uns. Die Aufholjagd kostet mich viel Energie. Dennoch will ich versuchen, so lange als möglich an ihm dran zu bleiben, schon alleine damit ich auch Läufer auf meinen Bildern habe, was die Fotos noch eindrucksvoller machen.

Ausgetretene Pfade führen uns über Grashänge, die meist sehr steinig sind. Nach überschreiten zweier Eiskastenbäche gelangen wir in Schrofen- und Felsgelände. Der gesamte Fuldaer Höhenweg bewegt sich in Höhen zwischen 2.200 – 2400 Meter, tendenziell von vorne bis hinten leicht steigend. Durch einen Felssturz gibt es eine etwas ausgesetzte Kettenpassage nicht mehr. Daher müssen wir uns über das Schild: „Achtung, Kettensteig gesperrt, Lebensgefahr“ auch keine Sorgen machen, unsere Route führt unterhalb davon entlang. Die optischen Eindrücke auf dem Höhenweg werden immer beeindruckender, die Bergriesen des Ötztals, einschließlich der Wildspitze rücken immer näher in unser Blickfeld. Aber auch die Strecke wird immer anspruchsvoller, Klettereinheiten mit Seilen gesichert, nehmen mehr und mehr zu, ohne aber ins Extreme abzudriften und bereiten mir sehr viel Spaß. Was für ein Traumtrail.

Taschachhaus

Eine Brücke führt uns über den wild rauschenden Gletscherbach des Sexegertenferners hoch zum Taschachhaus auf über 2.500 m, nur ein paar hundert Meter unterhalb der Gletscherzunge. Den packenden Blick auf die Eisbrüche des Taschachferner können wir hier aus nächster Nähe genießen. Die Entstehung der Gletscher spielt sich oberhalb der Schneegrenze im Gipfelbereich der Hochgebirge ab. Die nicht abtauenden Schneemassen verdichten sich zu Eis und bewegen sich ca. 100 m im Jahr talwärts. Der zungenförmige Eisstrom schmilzt unterhalb der Schneegrenze ab und bildet eine gewölbeartige Öffnung, das Gletschertor, aus dem der Gletscherbach entspringt.

Die Labestation ist einiges weiter unten am Materiallift der Hütte aufgebaut, bis dahin gilt es noch ein gutes Stück zurückzulegen. Ein Akkuwechsel zwingt mich zu einer Pause, als ich fertig bin ist Jan längst über alle Berge. Über die Moränenhänge des Taschachferners steigt man ab in das ehemalige Gletscherbett , die gewaltige Dimension des Eises, das hier in unwahrscheinlich kurzer Zeit abgeschmolzen ist, kann man nur erahnen. Abschnittsweise fühle ich mich wie auf der Eiger-Moräne beim Jungfrau Marathon versetzt. Nur mit zwei krassen Unterschieden, hier geht es abwärts und vor allem, ich bin ganz alleine unterwegs. Ein Wunschtraum auf der immer völlig überfüllten Eiger-Moräne. Es ist richtig geil hier, auch wenn der Abstieg alles andere als leicht ist.

Rostbraun bis Dunkelrot glänzen Felsplatten des Gneis, der vorherrschenden Gesteinsart in den Ötztaler Alpen in den warmen Strahlen der Sonne, oft kreuzen große Steinplatten oder riesige Felsbrocken in den Rottönen unseren Laufweg. An der dritten Labe lege ich eine kleine Pause ein, Jan kann ich bergab nie und nimmer einholen. Mein doch jetzt schon schwer verdientes drittes Kreuzchen auf die Startnummer lasse ich mir natürlich nicht entgehen.

Ab VP führt ein bequemer Forstweg über 6 km runter zur Taschachalm. Unterbrochen wird der Downhill von einigen Viehgattern, die zu öffnen sind. Oft fühlen sich die Rindviecher gestört und meckern lautstark und davon stobend vor sich hin. Ich will nichts herausfordern und nehme lieber jedes Mal Tempo raus. Für die 42K-ler sind es an der Alm nur mehr wenige hundert Meter bis zur Zwischenstation in der Trailcity in Mandarfen. Mit uns meint es die Rennleitung besser. Ab Taschachalm jagt man uns fast senkrecht den Berg hinauf zur Rifflseehütte. Vorher kann aber noch an einer Getränkestation Hollundersaft getankt werden.

Die breite Schotterstraße führt über die Grubenkopfbahn hinauf zur Rifflseehütte. Wir haben schon schöneres und aufregenderes heute unter den Füßen gehabt. Ursprünglich stand der Aufstieg auch nicht auf dem Plan, vermutlich ist es ein Abschnitt der eingeschoben werden musste, um uns mit den nötigen Höhenmetern zu versorgen, um das Fehlen der Gletscherüberquerung auszugleichen. Nur wenige Serpentinen kann die Straße aufweisen, das macht den Aufstieg teilweise derart giftig dass es mir fast die Luft aus den Lungen saugt. 500 Höhenmeter auf nur 4 Kilometer machen mir in der prallen Sonne schwer zu schaffen. Unbarmherzig geht es durch bis zur Hütte. Jan war auch völlig fertig und ist eingekehrt auf einen Cappuccino und einer leckeren Speckknödelsuppe. Ich habe aber leider immer noch keinen sonderlichen Appetit. Nur ganz knapp haben wir uns verpasst.

Ein paar Meter weiter, an der Liftstation geht es auf dem Panoramatrail wieder runter. Steil und unwegsam durch blühende Felder von Alpenrosen, schön anzuschauen, aber nicht minder steil als der Herweg, dafür deutlicher unwegsamer und trailiger. An dessen Ende steht Mario und hält nach seinen Schäfchen Ausschau. Das schlimmste ist überstanden meint er und erklärt mir noch den Weg zum nächsten Fixpunkt, der Braunschweiger Hütte.

Nach 8 Stunden bin ich wieder im Verpflegungszelt in Mandarfen zurück. Jan macht sich nach einer Stärkung gerade auf den weiteren Weg. B‘jak gibt an Position 3 liegend ein Interview, er fühlt sich nicht optimal. Mir geht’s nicht viel besser, mir ist auch leicht übel, dabei sollte ich mich jetzt eigentlich ausgiebig verpflegen, aber irgendwie habe ich schon den ganzen Tag keine Lust auf Essen. Obwohl ich sonst derlei Probleme nicht kenne und eigentlich alles und viel verputzen kann. Mit Mühe kann ich mir eine Suppe reinwürgen. Verena sieht mir vielleicht was an, fragt mich, wie’s mir geht. Alles ok, nur nicht den schwachen Mann markieren, am Schluss werde ich noch aus dem Rennen genommen. Nach 15 Minuten geht’s weiter.

Zweimal ist der Durchlauf durch die Trail-City beim 95K (km 35 + 46) zu absolvieren. Nach der Runde zur Braunschweiger Hütte geht’s nochmal hier durch. Beim 42K wird die Schleife übersprungen, sie absolvieren gleich den Aufstieg über die Plangerossalpe, die bei uns nachfolgend dran ist.

 
Fuldaer Höhenweg   Gletscherblick   Fuldaer Höhenweg
Eiskastenbach Klettereinlage Gletscherzunge
Moräne Bernie Steiler Aufstieg
 

Braunschweiger Hütte

Ein Almenweg und eine Forststraße führen uns ins Gries, dem obersten Abschnitt des Flusslaufs der Pitze. Von oben kommen mir auf dem Begegnungsstück immer wieder die Verfolger des Führungstrios entgegen. Nicht dramatisch aber immer leicht steigend geht es bis zum Beginn des Felsengeländes, ab hier gibt es bis oben rauf nur mehr Steine. Die spürbar intensivere Sonneneinstrahlung lässt mich des Öfteren das herrlich klare und eiskalte Wasser der Pitze kosten, schmeckt besser als die laufwarme Brühe in meiner Plastikflasche. Mario hatte recht und Kühe sind auch nicht in der Nähe.

In seinem untersten Lauf am Bergansatz bildet die Pitze, die oben im Gletschergebiet entspringt eine wilde Felsklamm, ganz nahe kommen wir an eine Bachschlucht mit wildem Wasserfall ran. Das Wasser spritzt über große Felsenbrocken und spendiert mir eine erfrischende Dusche. Herrlich. Zu Beginn sind nur kleine Absätze und Felsbänder zu überwinden, aber die Stufen hinauf werden immer kräftezehrender. Oft müssen die Beine richtig hoch genommen werden, wie bei überdimensionalen Treppenstufen. Das kostet enorm viel Kraft.

Murmeltiersteig C, Steinbocksteig C+ – D+ sind die nächsten Kriterien die es zu überwinden gibt. Mir sind die Schwierigkeitsgrade kein Begriff und sie sind mir auch im Moment völlig wurscht, es ist definitv sauhart. Der Steig ist optisch eine Wucht, immer öfters sind jetzt Abschnitte mit Stahlseilen gesichert. Aber er ist kein Spaziergang, hier werden auch Hochkaräter nicht La Paloma pfeifend aufsteigen, mit unseren 40 km Anlauf und 2.000 Höhenmetern in den Beinen. Mario nennt das hier Alpine Running.

An einer Abzweigung mitten in der Wand sind unsere pinkfarbenen Wegweiser in zwei Richtungen angebracht. Nach oben geht es zur Hütte, der Rückweg zweigt hier seitlich und langsam wieder nach unten ab. Ernestine und Andrea sitzen hier lange und beraten wohl ob ihre Kräfte ausreichen um noch weiter nach oben zu klettern. Ich kann sie noch eine ganze Weile beobachten, während ich weiter aufsteige. Soweit ich sehen kann, entscheiden sie sich gegen einen weiteren Aufstieg.

Über Steilstufen, Felsblöcke jeder Größe, Felsplatten, bunte Moose, Alpenrosenfelder und zwischendrin auch mal Enziane, geht es mühsam Stück für Stück empor in ein kleines Kar. Plötzlich wird um eine Ecke der Blick auf den riesigen Gletscher frei. Atemberaubend schön. In ein paar Jahren schon könnte dieser Anblick bereits dem Klimawandel zum Opfer gefallen sein. Auch die Planen, mit denen die Gletscher im Sommer teilweise bedeckt werden, können deren stetigen Rückgang nur sehr begrenzt aufhalten. Es wäre im Übrigen unser Preis gewesen, die Passage über die schmutzig-graue Gletscherzunge des Mittelbergferners, gilt es in der Originalstrecke zu überqueren.

Aber wann kommt endlich diese „verdammte“ Braunschweiger Hütte in Sicht. Ich habe keinen Schmalz mehr in den Schenkeln, mir fehlt das Gen, des hier ebenfalls beheimateten Steinbocks. Ein Fehltritt aus Schwäche könnte mich in große Gefahr bringen. Übertriebener Ehrgeiz ist hier sicherlich fehl am Platz. Ich kämpfe innerlich lange mit mir, der nächste Aufstieg, nach Rückkehr in Mandarfen, über die Plangerossalpe beinhaltet ebenso 1.000 hm und schwierige hochalpine Abschnitte wie diesen und einen Abstieg der einem das Grauen lehren kann. Zudem ist das Zeitlimit für den offiziellen Ausstieg in Trenkwald (km 57) um 18:30 Uhr und das ist für mich unmöglich zu schaffen. Ich entschließe mich, wenn ich zurück bin, auszusteigen. Getreu dem Motto der Veranstaltung: „Safety first“.

Auf einem Schneefeld, mit Hütte im Visier, kommt mir Jan entgegen. Mein Entschluss aufzuhören steht fest und teile ihm das mit. Jan meint nur: „Ich bin schon tot“. Auf 2.759 m liegt die Braunschweiger Hütte. Erbaut wurde sie bereits 1892 und später noch zweimal erweitert. Sie ist die höchstgelegene Unterkunft auf dem Fernwanderweg E5. Direkt davor ist unsere Versorgungsstation aufgebaut, Mir ist übel, vermute dass es vielleicht an der Höhe liegt. Würge mir ein Gel rein und zwei Dosen Red Bull. Dazu 20 Minuten Pause im Liegen in der Sonne. Eile ist jetzt auch nicht mehr geboten.

Wieder einigermaßen auf dem Damm, nehme ich den Abstieg in Angriff. Im schon aufgeweichten Schneefeld sinke ich teilweise fast bis zu den Knien in den Schnee. Mir kommt es runterwärts noch steiler vor als herauf. Aber ich bin doch wieder einigermaßen erholt und komme problemlos voran. Nach der Abzweigung geht es nur mehr langsam fallend weiter runter ins Tal. Es gibt aber noch interessante und delikate Passagen durch Kamine und über Bachläufe zu meistern. Jetzt kann ich mir viel Zeit dafür lassen und es so richtig genießen.

Direkt oberhalb des Gletscherstübeles endet im Tal dieser Gebirgstrail. Fast 5 Stunden habe ich für den 11 km langen Abschnitt benötigt, so lange wie noch nie in meinem Leben auf dieser Distanz. Ich freue mich doch tatsächlich, jetzt auch wieder auf einer stinknormalen Straße richtig laufen zu können.

Im „Ziel“ erwartet mich schon Jan, er hat’s mir gleich getan und hat seinen Lauf ebenfalls beendet. Ich überquere noch schnell die Zeitmessung und bekomme danach auch eine Medaille umgehängt. Für ca. 46 km habe ich 13 Stunden benötigt, das hatte ich mir durchaus anders vorgestellt. Sieger Matthias Dippacher benötigt für den 95K 15:33 Std., mit 3 1/2 Stunden Vorsprung auf den nächsten. Er ist aber auch einer der Besten Trailer Deutschlands. Insgesamt bewältigen nur 10 Männer die komplette Runde von 55 Gestarteten. Dazu kommt noch eine junge Trail Runnerin. Ich habe wirklich allergrößten Respekt, man sieht es ihr wirklich nicht an. Zu den offiziellen Finishern kommen noch 3 in die St. Leonhard- und 7 in die Trenkwald-Wertung. Beim 42K sieht die Bilanz deutlich besser aus, von 121 gestarteten, konnten immerhin 102 Finisher das Ziel erreichen.

 
Die Pitze   Hammeraufstieg   Jan im Schneefeld
Pause Mittelbergferner Abwärts
 
Weißwurstfrühstück und Siegerehrung

Zur Siegerehrung am Sonntag gibt es für alle noch Weißwurstfrühstück und das beliebte Erdinger Alkoholfrei, wieder unter strahlend blauem Himmel. Auf das Podest dürfen heute zu recht alle 11 Finisher des 95K und auch jene die innerhalb der Cut Off-Zeiten an den Ausstiegsstellen blieben. Sie sind wirklich alle richtige Tough Guys im Alpine Trail Running.

Für den 95K möchte ich lieber keine Empfehlung abgeben, als jemand der ausschließlich nur im Flachen und auf Hügelstrecken trainieren kann, bin ich hierfür sicher auch kein Maßstab. Aber ich war mit meinem Abbruch in bester Gesellschaft. Nur 20 % Finisher über 96 km sprechen für sich. Der Lauf ist definitiv für Trailer auf oberstem Level. Eines ist bei dieser Strecke nämlich gewiss: „Trailrunning auf höchstem Niveau“ ist in dem Fall kein billiger Marketingspruch, auch wenn Mario ein echter Werbeprofi ist. Es ist nichts als die reine Wahrheit.

Als der Knaller für „normale“ Trailer darf sicher der 42K bezeichnet werden, diese Strecke hat das Zeug jeden Trail Runner zu begeistern und kann auch von den meisten bewältigt werden. In der Originalstrecke wird er sicher auch einige Kilometer mehr aufweisen als die Bezeichnung aussagt. Phantastische Streckenabschnitte in einer grandiosen Landschaft. Sollte es die Gletscherquerung auch noch schaffen, mit aufgenommen zu werden, wird der Lauf in der Streckenlänge schwer zu toppen sein.

Ich habe viele begeisterte LäuferInnen im Ziel gehört, aber auch Kritiker. Zu schlechte Markierungen, zu wenige Sicherheitsleute an der Strecke. Jeder ist gut beraten, den 42K nicht mit einem Bergmarathon zu vergleichen. Es kann in dieser hochalpinen Landschaft sicher nicht an jeder Ecke ein Bergwachtler stehen oder auf jedem zweiten Stein eine Markierung angebracht werden. Dafür gibt es die Pflichtausrüstung mit u.a. detaillierten Streckenkarten und Notfallnummer. Trail Running hat auch immer etwas mit Autonomie und Abenteuer zu tun und das ist auch genau das, was die echten Trail Runner wollen.
 
Jan im Ziel   Sieger Matthias Dippacher   Die einziger Finisher beim 95K
 
Jan
Bernie
12:32:18
13:08:07
 
 
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