5.4.2025 MARATHON am LECH – City Wall
Autor: Andreas Greppmeir  
 
 

Ziemlich genau zweieinhalb Jahre ist es her, dass ich meinen letzten Marathon ins Ziel gebracht habe. Eine lange Zeit in der vieles passiert ist. Nun bin ich wieder da und ich hoffe, dass sich das so schnell auch nicht ändert. Eine Garantie dafür habe ich leider nicht, aber ich bin guter Dinge.

Als ich im Dezember wieder mit dem Laufen anfing, merkte ich schnell, dass es nicht ganz so einfach werden würde. Fünf Kilometer waren schon mühsam, doch mein erstes Ziel war der Silvesterlauf in Gersthofen und das hat bekanntlich ja geklappt. Was es mir etwas erleichterte, war, dass der Körper offensichtlich nichts vergisst und so blieben dankenswerterweise Muskelkater – auch wenn ich es mal übertrieb – aus. Nach dem Halbmarathon in Altenmünster vor einer Woche steht nun Bernies Marathon am Lech auf dem Programm. Ich bin Realist. Durchlaufen wird unmöglich sein. Fifty/Fifty was Laufen und Gehen angeht schon eher. Aber man hat ja 24 Stunden Zeit. Ich habe in keinster Weise vor, das Zeitlimit auszureizen, will aber auch nichts herausfordern. Unter acht Stunden, das klingt realistisch.

Und so stehe ich am Samstagmorgen am Parkplatz des Weitmannsees in Kissing und alles ist wie immer. Andere Läufer treffen ein, man klatscht ab, nimmt sich kurz in den Arm und unweigerlich schreit Marius Müller-Westerhagen in meinem Hirn: Ich war nie wirklich weg, ich hab mich nur versteckt … Ein bisschen nervös bin ich aber schon. Ich hab zwar einen Plan, aber ob der aufgeht, das weiß ich selbst nicht. 42 Kilometer bleiben 42 Kilometer, ob man nun schnell oder langsam läuft oder ob man sie geht. Es wird am Ende weh tun, aber dafür macht man das ja, oder etwa nicht?

Plötzlich geht es schnell und der Start kommt unerwartet. Bernie zählt kurz herunter und los geht’s. Das Starterfeld in Form von acht Läufern und einer Läuferin macht sich auf den Weg. Eines wird bei mir heute Premiere feiern. Ich habe mir die Strecke, die Bernie bereitgestellt hat, aufs Handy geladen und werde mich per Komoot durch die Runde führen lassen. Anfangs hoffe ich jedoch, dass ich möglichst lange Sichtkontakt zu Vorauslaufenden habe, um etwas Akku zu sparen. Die einen sagten, der Akku wird durch die permanente Satellitenverbindung schnell leer, die anderen meinten, das geht sich locker aus. Daher ist erstmal Akku-Sparen angesagt.

Am Lech entlang geht es in Richtung Augsburg beziehungsweise Auen- und Kuhsee. Bekanntes Terrain, da kann ich erst mal schauen, wie es bei mir läuft. Judith, Andreas und Bernie laufen vor mir her, in einem Tempo, dem ich locker folgen kann. Das Wetter ist klasse. Selbst Petrus scheint von meiner Rückkehr begeistert zu sein und keine Wolke ist am Himmel zu sehen. Auch die Temperaturen passen. Ich brauche keine Sorge zu haben, dass ich bei meinen Gehpausen frieren werde. So passieren wir schließlich auch den Auensee und dann kommt auch der Kuhsee in Sicht. Dort werden wir den Hochablass überqueren und an der Olympischen Kanustrecke vorbeilaufen. Es ist wohl dem schönen Wetter geschuldet, dass sich etliche Kanuten im wilden Wasser tummeln. Auch einige Interessierte folgen dem Treiben im Wasser.

Ich jogge gemütlich weiter und unterquere die Friedberger Straße und vernehme hinter mir plötzlich bekannte Stimmen. Judith, Andreas und Bernie kommen von hinten angelaufen. Mir war nicht bewusst, dass ich das Trio überholt hatte und erkundigte mich bei Bernie. Ich war einer kleinen Biegung vor der Unterführung nicht gefolgt und hatte gut 500 Meter abgekürzt. Ich werde sie hinten wieder anhängen, wenn ich sie nicht unfreiwillig unterwegs gut machen sollte.

Wir bleiben ab jetzt eine ganze Zeit lang zusammen. Judith ist ebenfalls noch nicht richtig fit und muss viele Laufpausen einlegen. Bernie erklärt, dass er die beiden Münchner durch die Stadt unbedingt begleiten will und ab dem Siebentischwald davonziehen wird. Momentan würde ich tatsächlich gerne etwas mehr laufen, aber ich weiß ja nicht, für was es gut ist, und bleibe immer in Sichtweite. Wir überqueren den Osram-Steg und der Lech liegt nun wieder links von uns. Bis zur MAN-Brücke geht es weiter und wir werden nun den Lech für längere Zeit verlassen. Zwischen MAN-Hauptverwaltung und UPM, ehemals Haindl-Papierfabrik, laufen wir in Richtung der alten Stadtmauer, die über 500 Jahre alt ist, wie Bernie zu berichten weiß. Über eine Treppe geht es hinauf zum Biergarten „Lug ins Land“ und wir haben tatsächlich eine gute Aussicht über die Stadt. Der Steinerne Mann, oder d`stoinerne Ma, wie der Augschburger sagen würde, lädt zu einem kurzen Stopp ein, bevor wir über eine weitere Treppe wieder hinunterlaufen.

Jakober-, Vogel- und Rotes Tor sind unsere nächsten Etappenziele. Die Kahnfahrt und der Fünfgratturm liegen auf dem Weg und ich muss feststellen, dass ich hier schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr war. Fünfgratturm? Der ein oder andere Ortskundige wird sich nun fragen, was das sein soll? Fünffingerlesturm heißt eines der baugeschichtlich bedeutendsten Denkmäler im Volksmund und dürfte den meisten Datschiburgern auch nur unter diesem Namen bekannt sein.

Am Roten Tor durchqueren wir den Park und verlassen ihn durch eine Unterführung in Richtung Siebentischwald. Bernie wird nun langsam, aber sicher davonziehen und als Navigator ausfallen. Andreas ist natürlich wie immer technisch bestens ausgerüstet und ich lasse mein Handy noch etwas stecken. Solange ich beide vor mir in Sichtweite habe, spare ich weiter Akku. Wer weiß für was es gut ist. Wir schlängeln uns kreuz und quer durch den Siebentischwald. Hier und da kommt mir ein Weg bekannt vor. Manchmal verliere ich leicht die Orientierung. Immer öfter kommt es vor, dass ich um eine Ecke biege und Judith und Andreas sind kurz außer Sichtweite.

 

Munich Urban Trail
Marathon am Lech A
Marathon am Lech B


   
   
 
 

Es wird Zeit mein Handy hervorzukramen. Ich starte die Komoot-App. Alles wunderbar. Leiten lasse ich mich durch eine Frauenstimme, die mir den Weg über Kopfhörer ansagt. Allerdings nur über einen Kopfhörer, beim anderen ist wohl der „Gummipoppel“ abhandengekommen. Das Navigieren klappt ganz gut und ich befinde mich irgendwann in Siebenbrunn wieder. Ein Stadtteil, der mir nur vom Namen her bekannt ist, aber so gibt es wenigstens etwas Neues zu sehen. Auf einem Hof erregt eine Sammlung von VW Polos aus den 80er Jahren meine Aufmerksamkeit. Vom Polo GT mit Überrollkäfig bis zum höchst restaurierungsbedürftigen Fahrzeug ist alles dabei. Ich hatte oft von einem Audi 50 geträumt, baugleich mit dem Polo, aber nur schwer zu bekommen. Während ich so vor mich hin sinniere, nähre ich mich dem Lech wieder. Der weitere Weg wird mich wieder zum Kuhsee zurückbringen. Die Stimme in meinem Ohr meldet sich nun immer wieder mit seltsamen Ansagen. Mal ist sie sich nicht ganz sicher, ob ich der Strecke nun 1,1 Kilometer oder nur 300 Meter lang folgen soll. Mal bittet sie mich, umzukehren, was überhaupt keinen Sinn macht. Gut, den Kuhsee werde ich auch so finden.

Ich muss feststellen, dass es inzwischen ganz schön warm geworden ist. Hätte ich doch mal auf das lange Laufunterhemd verzichtet. Das Laufshirt allein hätte genügt. Je länger ich so vor mich hinlaufe bzw. gehe – der Gehanteil überwiegt zugegebenermaßen inzwischen – um so mehr reift in mir der Plan, dass ich mir am Kuhsee ein Bierchen gönnen werde. Die „Schwarze Box“ ist mit Augustiner bestückt. Der Entschluss gibt mir eine Prise Motivation zurück.

Irgendwann fällt mir ein Mountainbike auf, das quer auf meiner Ideallinie steht. Frechheit. Als ich mich nähere fällt mir ein junger Mann auf, der neben dem Fahrrad kniet und mit einer Spiegelreflexkamera, einem kurzen Objektiv und großem Spiegel fotografiert. Wohl ein Spezialist in Sache Makrofotografie. Interessiert verlangsame ich mein eh nicht allzu hohes Tempo und versuche zu erkennen, was es hier wert ist, dass man sich all die Mühe macht. Ich erkenne sein Objekt der Begierde und kann es kaum glauben. Jessi hatte mir einen Tag zuvor noch ein Foto von einer gänzlich grauen Biene gezeigt, die sie auf einer Balkonpflanze entdeckt hat. Eine graue Sandbiene verriet uns das allwissende Google. Hatte ich noch nie gehört und nun hatte ich gleich mehrere Exemplare vor mir. Natürlich musste ich mein Wissen sofort an den Mann bringen und fragte den Fotografen, ob das graue Sandbienen sind. Dass es Sandbienen sind, konnte er mir bestätigen, ob es sich allerdings um „graue“ handelt, konnte er nicht mit Gewissheit beantworten. Dilettant.

Ich schmunzle dank der Begegnung eine Weile vor mich hin und nähere mich langsam, aber sicher dem Kuhsee. Die Dichte an Spaziergängern, Wanderern und Radfahrern nimmt deutlich zu, um so mehr ich mich dem Hochablass nähere. Vor dem Überqueren des Hochablasses muss ich mich erst mal hintenanstellen. Es ist die Hölle los und die gefühlt eintausend Fahrradfahrer kommen kaum aneinander vorbei. An ein Laufen ist hier nicht zu denken und ich schlängle mich durch die Massen auf dem Wehr. Drüben angekommen, klappt mir erst mal der Unterkiefer runter. Beim Anblick der Warteschlange vor der „Schwarzen Box“ berechnet mein geschultes Auge eine ungefähre Wartezeit von 45 Minuten. Auch wenn ich es nicht eilig habe, so viel Zeit hab ich dann doch wieder nicht. Also weiter.

Am Kiosk der Wasserwacht sieht es besser aus. Es stehen nur ein paar Leute an. Bingo. Ich krame mein Geld aus dem Laufrucksack und höre eine Stimme, die mich bittet, doch zur nächsten Luke zu kommen. Der Aufforderung komme ich gerne nach und ziehe eine halbe Minute später zufrieden mit einem Augustiner in der Hand von dannen. Da ich ja beruflich bedingt schon eine gewisse Vorbildfunktion habe, plagt mich auch nur bis zum ersten Schluck das schlechte Gewissen, als ich mich am Rand des Kinderspielplatzes niederlasse, um mich genüsslich meinem Gerstensaft hinzugeben. Das ist tatsächlich der ruhigste Platz am Kuhsee und nicht mal volle Windeln könnten gegen den Gestank der zahlreichen Einweg-Grills anstinken.

Während meiner Rast telefoniere ich kurz mit Silke, die mich gleich durchschaute, da mein Punkt auf ihrer Ortungsapp seit geraumer Zeit Stillstand anzeigt. Da sie jedoch erkennen konnte, dass sich ein Kiosk in meiner Nähe befindet, war sie beruhigt. Ich mach mich weiter auf den Weg und kurz darauf vibriert meine Laufuhr. Sie zeigt an, dass der Akku fast leer ist und schaltet auf den Energiesparmodus. Ich kann nun nichts mehr erkennen. Keine Zeit- und keine Kilometerangaben mehr. Hoffentlich hält sie bis zum Ende durch. Doch zuverlässig brummt sie nach jedem Kilometer, den ich zurückgelegt habe. Es zieht sich jetzt gewaltig. Mein Vorteil ist aber, dass ich mich auskenne und so den Fortschritt gut abschätzen kann. Nach einer Runde um den Auensee nähere ich mich wieder dem Weitmannsee. Die Stimme im Ohr, will mich zum Ende hin noch etwas ärgern und will mich zurückschicken. Nicht mit mir. Ein kurzer Zupfer am Kabel und Frau Komoot verstummt für die letzten Kilometer.

Am Parkplatz des Weitmannsees entdecke ich Judith, Andreas und Bernie, die offensichtlich auf mich warten. Ich signalisiere, dass ich noch kurz meine finale Runde um den See drehen werde und gleich da bin. Jetzt packt mich nochmal der Ehrgeiz und ich laufe die ganze Runde, um schließlich an der großen Hinweistafel des Sees abzuklatschen. Das Ziel ist erreicht. Mein erster Marathon nach zweieinhalb Jahren liegt nun hinter mir. Das Glücksgefühl will sich noch nicht recht einstellen. Meine drei Lauffreunde gratulieren mir zum Finish und ich bin schon ein bisschen stolz. Ich hol mir am Kiosk der Weitmannsee-Gaststätte ein zweites Augustiner und ja, ich lasse mich wieder am Rand des Kinderspielplatzes nieder. Die Beine sind ordentlich schwer. Ich bin müde. Waren die Marathons früher auch schon so lange? Ich kann mich nicht erinnern. Aber eines ist klar, schon lange habe ich mir kein Bier mehr so verdient, wie dieses.

Danke Bernie, für die Organisation und auch für das Verständnis, dass ich am Ende ein paar Meter zu wenig auf der Uhr hatte, da mich Herr Garmin und Frau Komoot auf der Strecke im Stich ließen. Danke auch einfach dafür, dass ich wieder dabei sein durfte. Für mich ist das inzwischen nicht mehr selbstverständlich. Aber wie schon am Anfang erwähnt, ich bin zuversichtlich und werde weiter bemüht sein, meine Form zu verbessern, damit ich irgendwann auch wieder einen Marathon durchlaufen kann.

   
   
   
   
   
 
Bernie
Charly
Greppi
5:53:34
6:00:30
7:07:01
 
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