Das Tannheimer Tal ist ein Hochtal in Tirol auf rund 1.100 Metern Höhe an der Grenze zum Allgäu, von dort erstreckt es sich vom Oberjoch bis nach Weißenbach im oberen Lechtal auf etwa 20 km Länge. Mit dem Bike bin ich schon hin und wieder mal durchgekommen, aber vor allem im Winter war ich in früheren Zeiten des Öfteren in einem der diversen Skigebiete unterwegs. Aber, was das Laufen angeht, muss ich gestehen, ist das Tannheimer Tal ein noch unbekanntes Gebiet auf meiner Lauflandkarte.
Genau genommen stimmt das natürlich nicht, denn die Enklave Jungholz, die nur über einen Punkt nahe dem Gipfel des Sorgschrofens mit dem übrigen Land Tirol verbunden ist und eigentlich auch auf deutschem Staatsgebiet liegt, zählt auch zum Tannheimer Tal. Erst vor zwei Wochen bin ich dort beim Mountainman noch durchgekommen und das nicht zum ersten Mal.
Den SEEN-LAUF mit den klassischen Hauptläufen über zehn und 23 Kilometer gibt es schon länger, dazu wurde auch immer wieder eine Trailstrecke angeboten. Vor zwei Jahren ist die Event-Location von Tannheim nach Nesselwängle umgezogen, seitdem werden mit dem „3 Hütten Trail S“ (12,5 km, 700 Höhenmeter) und den „6 Hütten Trail L“ (25,7 km, 1.500 Höhenmeter) sogar zwei Trailrunning-Strecken angeboten. Ich nützte dieses interessant klingende Angebot, um auf der 25 km langen Distanz endlich auch einmal das Tannheimer Tal laufend kennenzulernen.
Ich bin nicht der Einzige, der Gefallen an der Veranstaltung gefunden hat, schon seit längerer Zeit sind offiziell alle Distanzen ausverkauft, nur für Nachmelder vor Ort stehen noch Startplätze zur Verfügung, allerdings ohne Medaille. Insgesamt wird eine Rekordbeteiligung von 1.000 Sportlerinnen und Sportlern inklusive der Kinderläufe ihre Runden absolvieren.
Ich breche frühzeitig von zu Hause auf und wähle eine entspannte Anfahrt durch das Voralpenland und dem kleinen Grenzübergang kurz nach Pfronten. Die L261 ist nur eine kleine Landstraße, selten darf man mal Tempo 70 km/h hier fahren und das ist auch gut so. Plötzlich ist die Straße mit dutzenden von Rindern über einige hundert Meter Länge hinweg bevölkert. Links und rechts liegen ihre Weiden und die sind nicht von der Straße mit Zäunen oder Gräben abgetrennt, so ist das auch ihr Revier. Ich hab es nicht eilig, bin früh dran und bin als Tierfreund wirklich begeistert. So frei nach dem Motto: Free Alma – Im Tal der freien Kühe. Es dauert etwas, aber irgendwie schlängeln sich alle Autofahrer problemlos durch die Herde.
Vor dieser Richtung kommend liegt wenig später das Startgelände beim Sportcenter Nesselwängle direkt am Ortseingang. Auf über einen Kilometer Länge hat man davor einen parallel zur Straße verlaufenden Feldweg an einer Wiese als Parkplatz umfunktioniert, wohin alle ankommenden Fahrzeuge eingewiesen werden. So bleibt der Tag auch weiterhin für mich entspannt.
Unterhalb der markanten Gipfel der Rote Flüh, Kellenspitze und Gimpel im Nordosten und der gegenüberliegenden Krinnenspitze im Südwesten liegt in Nesselwängle, unser Start- und Zielgelände in einer wunderschönen, exponierten Lage. Nicht umsonst genießt das Tannheimer Tal den Ruf als schönstes Hochtal Europas. Organisiert wird der SEEN-LAUF | TRAIL-RUN Tannheimer Tal vom Sportverein Nesselwängle, dem Skiclub Tannheimer Tal und dem FC Tannheim. Die Abholung der Startnummern geht fix von statten. Auf Grund der riesigen Nachfrage wurden nochmals 300 Startplätze, sogar mit Medaille für Nachmelder, zur Verfügung gestellt.
Nordost-Runde
Die ersten die heute an den Start gehen, sind um 10 Uhr die knapp 200 Läuferinnen und Läufer auf dem 6-Hütten-Trail. Vor dem Startbogen wird uns vor den Bergmassiven die Streckenführung recht anschaulich vom Rennleiter erklärt. Ja, da geht’s ganz schön hoch und dazu wird es noch sehr warm werden. Heute gibt es nur tiefblauem Himmel und es sind auch keine Störungen zu erwarten. Mit den Höllenglocken von AC/DC werden wir pünktlich in den Aufstieg geschickt. So muss ich es ausdrücken, denn bereits vom Start weg, geht es leicht aufwärts. Somit entfällt für mich ein erstmal lockeres Einlaufen.
Auf schmalen Sträßchen und Wegen werden wir an das erste Massiv herangeführt. Nach gut einem Kilometer geht es zwischendrin dann aber doch noch für einige hundert Meter leicht abwärts, wo ich besser in einen Laufschritt finde. Eine mit vielen Personen flankierte Spitzkehre schickt uns nach 2,5 km auf einen Serpentinensteig und tief in den Wald. Mit vielen Windungen und oft mit Treppenstufen verstärkt, steigen wir auf bis zum Gimpelhaus, das auf einer kleinen, sonnigen Ebene liegt. Erst kurz unterhalb verlassen wir den dichten Wald und es wird steiniger mit einigen ausgesetzten Stellen auf den letzten Metern.
Das Gimpelhaus liegt auf einer Höhe von 1.659 m, wir haben hier 4,1 km auf der Uhr und auch schon über 500 Höhenmeter abgearbeitet. Direkt daneben ist die erste Getränkestation für uns errichtet. Viele wollen bereits Wasser über den Kopf, dem Wunsch kommen die Helfer gerne nach. Iso und Cola werden auch angeboten.
Mäßig steigend führt unser Weg weiter bis zur Tannheimer Hütte, der zweiten Hütte auf unserem 6 Hütten-Trail. Der neue Holzbau wurde erst im Sommer 2024 wieder eröffnet, nachdem die alte Unterkunft die Behördenauflagen nicht mehr erfüllen konnte und seit 2015 geschlossen war. Von der Sonnenterrasse könnte man bereits ein erstes herrliches Panorama genießen.
Etwas wellig führt unser Trail weiter und die Aussicht wird immer beeindruckender. Unterhalb der schroffen Felswände der Tannheimer Gruppe mit Roter Flüh, Kellenspitze und Gimpel queren wir den gewaltigen Hang über mehrere Geröllfelder. Ich komme mit einigen Mitläuferinnen und -läufern ins Gespräch, alle sind restlos begeistert von den Ausblicken und viele zücken auch immer wieder ihre Smartphones, um das im Bild festzuhalten.
Mir fällt auf, dass es hier viele kleine Wasserfälle und Wasserläufe gibt, woraus man sich das kühle Nass über den Kopf schöpfen kann. Vor zwei Wochen im naheliegenden Nesselwang, war es noch so trocken, dass dies ganz ausgeschlossen war.
Unser Pfad führt uns ein Stück abwärts, unterhalb von Felswänden und Wasserfällen entlang. Von oben konnte man bereits Aushöhlungen ausmachen, welche wie Höhleneingänge aussehen, sie entpuppen sich aber beim direkten Vorbeilauf als nicht sonderlich tief, aber optisch machen sie dafür umso mehr her. Nach einem kurzen Auf- und Abstieg wiederholt sich eine ähnliche Szenerie noch ein zweites Mal, mit einer weiteren Höhlenaussparung. Hier ist die Natur noch am Arbeiten, wie mir scheint. Sieht jedenfalls sehr geil aus.
Am Hochjoch erwartet uns ein fantastischer Blick hinunter nach Reute und wenig später erreichen wir unseren höchsten Punkt des Kurses auf knapp 1.800 m Höhe, die Hälfte aller Aufstiegsmeter liegen bereits hinter uns. Etwa 1 km Luftlinie entfernt liegt die Bergstation der Reuter Hahnenkammbahn. Dort bin ich ebenfalls schon viele Male die Pisten im Winter hinunter gewedelt. Da kommen viele Erinnerungen auf. Lang, lang ist’s her... |