Die MOUNTAINMAN-Serie ist zurück aus der Quarantäne und die erste Station ist der beschauliche Ort Reit im Winkl in den Chiemgauer Alpen. Eigentlich wollte ich nicht nur in Wort, sondern vor allem in Bild diese wunderschöne Landschaft beschreiben. Doch ich muss mich leider schon vorab entschuldigen, denn die (Un-)Wetterlage im südlichen Oberbayern sorgte dafür, dass man weder die schönen Aussichten genießen, geschweige dem; ordentliche Fotos zustande bringen konnte. Dennoch möchte ich über dieses besondere Erlebnis berichten.
Vor vier Jahren wurde erstmals ein Trail-Event unter dem Namen „MOUNTAINMAN“ ausgetragen. Inzwischen hat sich diese Serie in der Trail-Szene etabliert und sukzessive um weitere Läufe erweitert. So gibt es neben Reit im Winkl noch Großarl im Salzburger Land, Nesselwang im Allgäu und seit diesem Jahr einen weiteren MOUNTAINMAN im Schwarzwald. Dazu kommen noch ein Wintertrail und diverse Wettbewerbe auf virtueller Ebene. Auch die angebotenen Distanzen bieten für jedermann etwas. Reinschnuppern kann man in die Trail-Welt in Reit im Winkl auf dem S-Racetrack über 11 km mit 300 Höhenmetern. Mit etwas Erfahrung kann man sich auch für die 25 km mit 950 Höhenmetern oder 38 km mit 1500 Höhenmetern anmelden. Die XL-Stecke ist nur für erfahrene und trainierte Trail-Läufer gedacht. 53 km und 2200 Höhenmeter sind hier zu bewältigen. Ich entscheide mich für die XL-Variante. Start ist um 6:00 Uhr. Zielschluss um 20:00 Uhr. Das sind also vierzehn Stunden, die auch mit dem ein oder anderen Einkehrschwung in einer der vielen Almen leicht zu bewältigen sein sollten.
Die Wetterprognosen sind schon bei meiner Anreise am Freitag nicht gerade prickelnd. Leichter Dauerregen ist vorausgesagt. Am Nachmittag kann es auch etwas mehr werden. Daher packe ich in meinen Laufrucksack nicht nur die Pflichtausrüstung wie Handy, Pfeife, Rettungsdecke, Verbandspackerl und einen Liter Flüssigkeit. Ich finde auch noch Platz für eine lange Laufhose, eine Regenjacke und ein Wechselshirt. Als ich mit meiner Familie am Freitagnachmittag in Reit im Winkl ankomme, besuchen wir erst Mal die kleine Marathonmesse, die im Freien abgehalten wird. Ich hole mir mein Startband, dass mich zum Zutritt in den Startbereich für den Samstag berechtigt.
Während meine Mädels am Stand von „On“ eifrig Schuhe probieren, mache ich mich auf die Suche nach bekannten Gesichtern. Ein „Grüß Gott Herr Greppmeir“ klingt aus den Lautsprechern und ich werde schnell fündig. Rudi Obermeier und Stephan Irrgang, die wohl engagiertesten Laufmoderatoren im bayerischen Raum justieren gerade ihre Ausrüstung. Wir freuen uns, dass wir uns endlich wieder treffen können. Auch Jutta Mützer, die „Race-DirektorIn“ darf ich endlich in natura kennen lernen und wir können uns austauschen.
Nach dem obligatorischen Abend beim Italiener, heißt es frühzeitig Gute Nacht zu sagen. Der Start ist wie gesagt um 6.00 Uhr und daher wird mich der Wecker um 4.30 Uhr aus dem Schlaf reißen. Mit der Hoffnung auf besseres Wetter, als hervorgesagt finde ich schnell die notwendige Ruhe. Um 3.00 Uhr werde ich wach. Draußen schüttet es wie aus Eimern. Ich kann weiterschlafen und als ich schließlich aus meinem Bett krieche, geht der erste Blick nach draußen. Es hat aufgehört zu regnen, aber die Wolken hängen dicht über den Bergen. Normalerweise kann ich von meinem Balkon bis zum Wilden und Zahmen Kaiser blicken, heute sehe ich vielleicht noch zwei Häuser weiter. Es ist eine ziemliche Suppe da draußen. Nichtsdestotrotz mache ich mich eine dreiviertel Stunde vor dem Start auf den Weg zum Festsaal. Es dämmert gerade und beim Start sollten keine Stirnlampen, die ebenfalls zur Pflichtausrüstung gehören, nötig sein. Ich komme noch mit einigen Teilnehmern ins Gespräch bis meine beiden Lauffreunde aus Baden-Württemberg und auch Andreas Bettingen eintreffen.
Bald ist es so weit, dass wir starten können. Rudi und Stephan erklären noch einmal die pandemiebedingten Regeln. Es sind keine Masken im Start- bzw. Zielbereich notwendig. Auch an den Verpflegungsstationen dürfen wir darauf verzichten. Vor der Startlinie sind auf dem Rasen zahlreiche gelbe Punkte aufgesprüht. Laut Rudi ist es ganz einfach wie beim „Mensch-ärgere-Dich-nicht“. Jedes Manschgerl stellt sich auf einen Punkt, womit auch die Mindestabstände gesichert sind. Die Siegambitionierten bittet man nach vorne und alles klappt ganz wunderbar. Ich freue mich wie ein kleines Kind, endlich wieder in einem richtigen Starterfeld zu stehen und kann es kaum erwarten loszulaufen. Die Läufer werden noch zum Klatschen animiert, einige sind aber noch zu müde, dennoch ist die Stimmung gut. Die Musik verstummt und eine riesige Kuhglocke gibt das Startsignal. Durch eine künstlich erzeugte Rauchwolke hindurch machen wir uns auf den Weg. Der MOUNTAINMAN – Reit im Winkl ist gestartet.
Wir verlassen zügig die Sportanlage und die ersten Kilometer werde ich erst einmal zum Warmlaufen nützen. Es gibt keine nennenswerten Steigungen. Über den Krautloidersteg tauchen wir in den Märchenwald ein. Geschnitzte Hexen und sonstige Sagen- bzw. Märchenfiguren säumen den Weg. Nachdem der Start noch trocken war, beginnt es nun leicht zu nieseln. Aber das kann ich mehr hören als spüren. Der Wald schützt uns noch davor frühzeitig nass zu werden. Bei Kilometer 3 erreichen wir Gut Steinbach und damit die erste Verpflegungsstelle. Entweder habe ich sie übersehen oder sie gab es heute gar nicht. Egal, ich habe gut gefrühstückt und brauche noch keine Verpflegung, auch wenn ich weiß, dass nun der erste Anstieg vor uns liegt.
Gut drei Kilometer geht es nun nach oben und dabei gilt es auch 500 Höhenmeter zu überwinden. Wir befinden uns auf Höhe der Reit-im-Winkl-Schanzen. Vier Skisprungschanzen machen Sprungweiten von 20 bis 100 Meter möglich. Entdecken kann ich die Schanzen allerdings genauso wenig, wie die Verpflegungsstation zuvor. Entweder liegt es am trüben Wetter oder ich bringe die Augen einfach noch nicht weit genug auf. Ich vermute ersteres. Auf dem Anstieg zieht sich nun das Läuferfeld auch deutlich auseinander. Von den 128 gestarteten XL-Läufern dürften vielleicht noch zehn hinter mir sein. Das hatte ich so auch erwartet. Ich bin noch frisch und komme gut voran. Die Laufstöcke habe ich trotzdem schon ausgepackt.
Lautstarke Motivationsrufe dringen durch den Wald und mir ist klar, dass der erste Anstieg so gut wie bewältigt ist. Als ich den Jeep der „On“-Mitarbeiter erreiche, die sich lautstark mit ihrem Megafon bemerkbar machen, kann ich erst mal durchatmen. Ab jetzt geht es eine Zeit lang nur noch bergab. Ich befinde mich in Begleitung von Axel, mit dem ich den Lauf gemeinsam bewältigen will. Auch Andreas Bettingen ist noch gleichauf, wird mir aber bergab enteilen. Nun teilt sich auch die Strecke. XL und L geht nach links weg. Die M-Strecke führt nach rechts. Die Ausschilderung ist übrigens vorbildlich. Gut sichtbare Schilder in der jeweiligen Farbe leiten uns durch die Berge. Auch Markierung am Boden sind vorhanden, so dass ein Verlaufen unmöglich ist.
Am Ende des Bergabstücks, bei dem wir nahezu alle gewonnenen Höhenmeter wieder verloren haben, geht es über einen feinen Single-Trail, den ich von einer Wanderung mit Silke noch kenne. Das heißt auch, dass die Nattersberg Alm und somit die zweite Verpflegungsstation bei Kilometer 11 vor uns liegt. Ein wahres Büffet erwartet uns. Kuchen, Obst, Griebenschmalzbrote: Da greife ich doch gerne zu. Neben Wasser und Iso gibt es auch Bier und Obstler. Es ist noch nicht mal 8 Uhr am Morgen, ich kann mich zurückhalten. Aber einige vor uns haben sich auch hier schon bedient, versichert mir der Wirt. Während unserer kurzen Rast beginnt es nun erstmals richtig zu regnen und wir bleiben ein paar Minuten länger als geplant unter dem Sonnenschirm, bevor wir uns zu weiterlaufen motivieren können. Die lange Regenjacke bleibt aber vorerst mal im Rucksack, die kurze muss reichen. Wir haben ja noch einige Kilometer vor uns.
Kurz darauf erreichen wir den Parkplatz Seegatterl, der für viele Wanderungen aus Ausgangspunkt dient. Heute ist der Parkplatz nahezu verwaist. Bei diesem Wetter geht niemand freiwillig auf eine Wanderung. Am Ende des Parkplatzes wird unsere Startnummer kontrolliert. Wir haben den ersten Cut-Off der XL-Runde erreicht. Drei Stunden hätten wir bis hierher Zeit gehabt. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass wir knapp eine Stunde Polster haben. Es läuft gut.
Der nächste längere Anstieg liegt nun vor uns. Das Panorama Wirtshaus Dürrnbachhorn ist unser nächstes Ziel. Zunächst führt uns noch ein breiter Weg nach oben, der gut zu belaufen ist. Je weiter uns der Weg nach oben führt, umso mehr nimmt der Nebel und auch der Regen zu. Die Sicht verschlechtert sich immer mehr. Vor einer Alm führt der Weg auf einem schmalen Pfad weiter nach oben. Wir haben uns inzwischen zu einer fünfköpfigen Truppe vereint. Ein Läufer vor mir hat mit den Anstiegen sichtbar Probleme. Immer wieder rutscht er auf der schlammigen Strecke aus. Meine Trailer haben einen etwas besseren Grip, trotzdem muss auch ich ab und zu meine Stöcke zur Hilfe nehmen, um auf den Füßen zu bleiben.
Die Sicht hat sich inzwischen derart verschlechtert, dass ich Axel zwanzig Meter vor mir oft nicht mehr erkennen kann. Die letzten beiden Kilometer bis hoch zum Panorama Wirtshaus kosten uns noch einmal ordentlich Kraft. Teilweise versinke ich bis zu den Knöcheln im Matsch und von oben kommt immer mehr Regen. Trotz der Umstände kommen wir gut gelaunt am nächsten Verpflegungspunkt bei Kilometer 18 an. Wir können uns im Wirtshaus etwas aufwärmen. Das Büffet ist wieder hervorragend. Mir hat es der Käsekuchen angetan. Wir befinden uns auf 1610 Höhenmetern und hätten von der Terrasse aus, einen großartigen Blick über die Alpen. Heute ist jedoch nichts als eine graue Nebelwand zu sehen. Ich nütze die Pause und ziehe mich um. Ein trockenes Laufshirt und die lange Regenjacke kommen nun zum Einsatz.
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