Zum dritten Mal schlägt die MOUNTAINMAN-Serie ihre Zelte, bzw. Start- und Zielbogen in Nesselwang auf. Bei den beiden vorhergehenden Auflagen zeigte sich das Allgäu dabei nicht von seiner schönsten Seite, sie wurden jeweils begleitet von ziemlich widrigen Wetterverhältnissen. Besonders betroffen war dabei immer die XL-Strecke, der längsten angebotenen Distanz. Bei der Premiere im Mai 2019 legte der Sturm nach 5 Stunden Laufzeit den Zielbogen um und ließ Zelte im Zielbereich umherfliegen, sodass nach dem 65. Läufer im Ziel abgebrochen werden musste. Im Oktober 2020 sorgte nasskaltes Wetter, samt Wintereinbruch auf den Hochlagen für Schnee und eine grenzwertige Schlammschlacht bei mir für unvergessene Momente.
Fleißig unterwegs war im Vorfeld bereits Rennleiter und Streckenchef Horst, für heuer hält er eine deutlich veränderte Streckenführung für uns bereit. Nachdem sich die „XL“ im Vorjahr noch aus der „L“ und „S“ Strecke zusammensetzte, wird letztere durch einen neuen Trail-Abschnitt ersetzt. Als großen positiven Effekt sehe ich auch, die damit verbundene Streckenverlängerung von bisher jeweils gut 39 Kilometern, auf die heuer erstmals ausgeschriebene Marathon-Distanz. Endlich erwachsen, würde ich da mal sagen. Zu den 42,4 km gesellen sich noch anspruchsvolle 2.400 Höhenmeter. Ebenfalls neu, ist eine integrierte Bergwertung auf der XL-Strecke. „Vertical 500”, nennt die sich und führt über 4,5 km und 500 hm von Pfronten Kappel bis zum Sportheim Böck.
Um 8.00 Uhr wird die XL gestartet, bis 18.00 Uhr bleibt das Ziel geöffnet, zwischendrin ist bei km 22 ein Zeitlimit von 6:30 Stunden einzuhalten. Wer zu langsam ist, wird auf die M-Strecke geleitet. Wichtigste Pflichtausrüstung ist ein eigener Becher, sonst gibt’s an den sechs VPs nix zum Nachtanken. Fehlen dürfen natürlich auch nicht die üblichen Accessoires an Ausrüstung, welche man aber eigentlich immer dabeihaben sollte, auf so einer langen Strecke.
Die letzten Infos können wir uns wieder beim Race Briefing am Freitag auf YouTube ansehen. Chefin Jutta versorgt uns wie immer mit allem, was man rund um die Veranstaltung so wissen muss. Gibt nicht mehr viel neues zu berichten, was wir eh nicht schon per Mail oder auf der Website erfahren konnten. Das Wetter wird es gut mit uns meinen, nachdem gerade noch rechtzeitig das Tiefdruckgebiet zur Wochenmitte wieder die Fliege gemacht hat, aber ein paar Flocken Schnee ganz oben für uns hinterlassen hat. So freue ich mich schon auf die Aussichten vom herrlichen Allgäuer Bergpanorama, worauf wir im Vorjahr komplett verzichten mussten.
Meine Anreisezeit ist mit einer guten Stunde relativ kurz, so reise ich erst am Samstagmorgen direkt zum Start an. Um 4 Uhr aufstehen ist zwar grausam, aber hilft ja nix. Eine längere Parkplatzsuche kann man sich in Nesselwang ersparen, zwar bietet das Trendsportzentrum nur eine begrenzte Anzahl an Parkplätzen, aber wir dürfen im angrenzenden Industriegebiet, von fast allen Firmen die Stellplätze benützen und die sind wirklich üppig, niemand muss lange suchen.
Am Eingang zum Eventbereich wird erstmal genau kontrolliert. Zutritt bekommt nur, wer auch die 3G-Regeln einhalten kann. Als Bestätigung gibt‘s dann ein gelbes Bändchen um das Handgelenk. Die Maskenpflicht im kompletten Start- und Zielbereich entfällt dafür komplett.
Ich komme gerade rechtzeitig, am Micro bei den Moderatoren Rudi und Stephan ist gerade Mareile Hertel im Interview. Sie ist auf der XL-Strecke am Start und hat einiges auf dem Kerbholz. Die Extrem Ultra Ausdauersportlerin ist Weltrekordhalterin und Weltmeisterin im Triple Ultra Triathlon, das ist die dreifache IRONMAN-Distanz. Dazu u.a. noch Weltcup-Siegerin im Double Triathlon und Weltmeisterin im Ultraradmarathon über 890 km und 12.000 Höhenmeter. Für das Race Across America ist sie bereits qualifiziert. Die Kosten für solch ein Unternehmen belaufen sich auf 70.000 €, erzählt sie uns. Ganz schön heftig.
Wir haben bereits blauen Himmel, aber es ist zapfig kalt mit Temperaturen um den Gefrierpunkt. Am Nachmittag wird es daf ür aber bis zu 15 Grad warm. Da ist die Kleiderwahl wieder sehr schwierig. Ich entscheide mich für kurze Hosen, obenrum etwas mehr, wir haben ja einen Rucksack, um abzulegen. Kurz vor acht wird uns bereits ordentlich eingeheizt, zwar mehr auf die Ohren mit AC/DC und Co., aber das macht schon ordentlich Stimmung. Alle stehen vorbildlich auf den markierten Abständen, wir wären so weit. Das lässt sich der Herr Bürgermeister nicht zweimal sagen, pünktlich schwingt er die Glocke und los geht’s. Erst dürfen wir noch eine Ehrenrunde durch’s Biathlonstadion des Skiklub Nesselwang drehen.
Vom Stadion hinaus sind es nur ein paar Meter zum Einlaufen, schon beginnt der erste deftige Aufstieg. Im Vorjahr hatten wir hier eine Schlammschlacht vom Feinsten, angeblich soll er ja von der Gemeinde extra präpariert worden sein, ich kann davon nichts entdecken, die Spurenrinnen sind noch genauso tief wie letztes Jahr. Aber ganz ehrlich, wir Trailrunner wollen doch auch gar keine planierten Naturwege, a bisserl Spaß muss einfach sein. Matsch gibt’s hier heuer aber nicht und so sind wir doch alle glücklich.
Nach dem ersten, noch kürzeren Aufstieg geht’s auf dem Kreuzweg Maria Trost wieder runter, die Stufen scheinen mir aber hier etwas aufgeschüttet worden zu sein, was das Überqueren der eingearbeiteten Stufen erleichtert. Nach 2 km sind wir bereits an einem der Highlights unserer Strecke, dem Wasserfallweg. Über anfangs Stahlstufen und im weiteren Verlauf mit Holzbohlen verstärkten Naturstufen geht es hoch Richtung Alpspitz. So etwa 1000 Stufen sollen es sein und schwindelfrei soll man dabei sein. Na ja, ganz so wild ist es dann doch nicht. Aber der Aufstieg zieht sich über zwei Kilometer permanent steil nach oben, gespickt mit vielen Wurzeln, je höher wir kommen.
Nach 4,2 km erreichen wir die Streckentrennung, die unsere neue Zusatzschleife einleitet und die S-Strecke wieder ins Tal führt. Die Abzweigung führt uns nach links auf einen Schotterweg weiter, während die M und L-Strecken über den Wurzelsteig weiter nach oben geführt werden. Auf dem kurzen Abschnitt haben wir bereits über 600 Höhenmeter von unserer Vorgabe abgearbeitet.
Etwas weiter liegt vor uns auf einer Anh öhe der Transit Tower, praktisch die Mittelstation der Zipline AlpspitzKICK. An einem Drahtseil kann man in zwei Sektionen 1,2 km ins Tal rauschen. Start ist an der Bergstation der Alpspitzbahn, zum Eingewöhnen führen 400 Meter mit Tempo 60 km/h bis hierher. Sektion 2 führt dann ab hier über 800 Meter Länge ganz nach unten. In bis zu 60 Meter Höhe wird dabei Tempo 120 erreicht. Wir rauschen über 2,5 km ebenfalls abwärts, schön gepflegt in Serpentinen auf der Schotterstraße. Ist etwas anstrengender als an der Zipline hängend, aber wesentlich entspannter und mit deutlich weniger Adrenalin im Blut.
Kurz vor der Wallfahrtskirche Maria Trost ist unser Downhill vorübergehend beendet, ein schöner Trail führt uns wieder ein kurzes Stück aufwärts zur Kappeler Alp. Wunderschön in der Sonne findet dort unsere erste Verpflegung statt. Die ersten legen auch schon ihre wärmenden Jacken ab. Kuchen und Gebäck stehen im Angebot, dazu auch Tee, der ist aber leider schon kalt.
Von hier beginnt Teil 2 unseres Downhills, für weitere 2,5 km geht es bergab, diesmal aber auf einem wunderbaren Trail, auf dem auch diverse schlammige Passagen für Abwechslung aber auch wenig Standfestigkeit sorgen und so manche(r) respektvoll drübereiert, um Bodenkontakt zu vermeiden. Nach ziemlich genau 10 km sind wir am Rande von Kappel angelangt und damit wieder fast unten im Tal.
Eine Zeitmessmatte signalisiert uns den Beginn der Bergwertung „Vertical 500“. Wie der Name schon sagt, sind in etwa 500 Höhenmeter auf den folgenden 4,5 Kilometern zu bewältigen. Der Untergrund ist lauffreundlich, beginnt erst einmal auf einer Teerstraße und wechselt auch mal auf Schotterwege. Aber leider derart steil, dass da für unsereins an Laufen kaum zu denken ist. Wie viele wohl dabei sind, die die komplette Bergwertung im Rahmen so einer langen Strecke durchlaufen können? Würde mich interessieren. Ich bin aber auch im Hiking-Modus voll motiviert und versuche mit meinen Möglichkeiten, schnellstmöglich nach oben zu gelangen. Ein paar kurze Laufeinheiten inklusive. 52 Minuten stoppe ich für mich, überholt hat mich keiner.
Ich bin dafür erstmal ganz schön bedient und benötige eine Erholungspause. Dafür bietet sich die zweite Labestelle vor dem Sportheim Böck bestens an. Auf unserer Habenseite stehen mit 14,5 km und bereits über 1200 Höhenmetern die Hälfte aller Aufstiegsmeter. An der VP wuselt es gerade so von Sportlern, hier befindet sich wieder die Vereinigung der M, L und XL-Strecken. Insbesondere die schnelleren M-Starter*innen, die 2 Stunden nach uns gestartet sind, drücken gerade zahlreich nach oben.
F ür alle geht es weiter aufwärts und wir bekommen auch unseren versprochenen Schnee. Sonderlich viel liegt nicht mehr, aber auf den festgetrampelten Pfaden ist es mitunter ganz schon eisig. Stöcke helfen hier ungemein, um sicher darüber zu kommen. Auf fast 1600 m Höhe erreichen wir auf dem Edelsberg den höchsten Punkt des Rennens.
Ein wunderschöner, aber technisch anspruchsvoller Single Trail führt uns durch den Wald wieder runter von der Höhe. Mir bereitet vor allem der Lichteinfall der tiefstehenden Sonne durch die Bäume mit den wechselnden Hell/Dunkel-Verhältnissen enorme Seeprobleme, so dass mir nichts anderes übrigbleibt, als mein Tempo zu drosseln, um nicht einen Fehltritt zu riskieren und überlasse lieber der überwiegend, deutlich jüngeren Läuferschaft auf den kürzeren Strecken den Vortritt. Nach 17 km wechseln wir ins Gebiet von Jungholz im österreichischen Tirol, was man jetzt nicht unbedingt bemerken muss, ich werde lediglich durch den fotogenen Grenzstein darauf aufmerksam.
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