1.7.2023 MOUNTAINMAN Reit im Winkl
Autor: Andreas Greppmeir
 
 
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Wenn ich an meiner Medaillen-Wand hochschaute, vermisste ich lange Zeit immer eine ganz bestimmte Medaille, und zwar die der MOUNTAINMAN-Trailserie. Lediglich drei rote Homerun-Medaillen hatten den Platz in die Sammlung gefunden, doch die zählen nicht wirklich. Zweimal hatte ich mich in der Vergangenheit beim MOUNTAINMAN versucht. Das war zunächst in Reit im Winkl, wo der Lauf aufgrund eines Unwetters abgebrochen werden musste. Später in Pommelsbrunn musste ich dann selbst passen. Zum einen war die Strecke sehr anspruchsvoll und zum anderen konnte ich schon deutliche Vorzeichen meiner Erkrankung wahrnehmen, die mich dann Mitte Dezember für über fünf Monate gänzlich lahmlegen sollte. Beinahe ein halbes Jahr in dem an Laufen nicht zu denken war und auch andere Aktivitäten nicht möglich waren. Die Kondition hatte dementsprechend gelitten, so dass an einen Ultra oder auch Marathon nicht mehr zu denken war.

Ich erhielt während dieser Zeit viele aufmunternde Worte und so brachten mich unter anderem auch die Worte von Klaus Duwe zum Umdenken. Es muss nicht immer Marathon sein, die Hauptsache ist, Du läufst weiter. Es hat zwar etwas gedauert, bis ich mich mit dem Gedanken anfreunden konnte, aber klar, ich habe 135 (Ultra-) Marathons zu Buche stehen und ich muss niemanden mehr etwas beweisen. Und so klickte ich mich dann eines Tages durch die Ausschreibung des MOUNTAINMAN in Reit im Winkl. Ich blieb dann an der 25 Kilometer-Strecke hängen. 25 Kilometer mit gut 1000 Höhenmeter, keine Cut-Offs, genügend Zeit und somit kein Druck, was für mich enorm wichtig war. Das klang nach einer lösbaren Aufgabe. Reit im Winkl und ein Besuch bei unserem Freund Wolfgang, da musste ich auch Silke nicht lange bitten. Und somit war meine erste Anmeldung zu einem offiziellen Lauf nach über einem halben Jahr auch schnell erledigt.

Etwas unsicher war ich doch, als wir uns dann am Freitag auf den Weg nach Reit im Winkl machten. Wird die Kondition reichen? Machen mein Körper und vor allem mein Kopf das alles mit? Obwohl ich die Startnummer bereits gut eine Woche zuvor per Post erhalten hatte, machte ich mich dennoch am selben Nachmittag noch auf den Weg zum Sportplatz in Reit im Winkl. Ich hatte mich mit Rudi und Stephan verabredet. Wir hatten uns schon lange nicht mehr gesehen und wollten uns unbedingt vor dem Lauf noch etwas unterhalten. So erhielt ich mein exklusives Wetter-Update. Die Stecke selbst sei gut zu laufen, sie ist staubtrocken, allerdings soll es über Nacht regnen und so könnte sich die Strecke doch etwas anspruchsvoller erweisen. Etwas anderes habe ich von einem MOUNTAINMAN auch nicht erwartet. Wir mussten natürlich auch noch anstehende Konzerttermine besprechen, da Rudi und ich uns ja nicht nur die Leidenschaft fürs Laufen, sondern auch für gute Musik teilen. So verabschiedete ich mich mit Vorfreude auf den nächsten Tag, nicht ohne meine Bedenken nochmals zu äußern, um die Erwartungen etwas zu bremsen. Aber irgendwie wird‘s schon gut gehen.

Am frühen Morgen machte ich mich dann bei leichtem Nieselregen auf dem Weg zum Sportplatz. Der Start für den M-Trail sollte pünktlich um acht Uhr erfolgen. Gut eine halbe Stunde vorher erfolgt die Kontrolle des Laufrucksacks und der Pflichtausrüstung. Ich traf rechtzeitig ein und suchte mir ein halbwegs trockenes Plätzchen. Rudi und Stephan waren schon eifrig am Moderieren und stimmten die gut 200 Läufer des M-Trails in gewohnter Manier auf den bevorstehenden Lauf ein. Als Rudi mich erblickte, bat er mich ins Moderatorenzelt, wo ich die Zeit bis zum Start im Trockenen verbringen konnte. Dadurch entging ich auch der Schlange vor der Kontrolle. Ein paar kleine Vorzüge, die ich als „VIP“ gerne in Anspruch nahm. Schließlich entdeckte ich überraschenderweise Birgit und Norbert Fender, die auch für den M-Trail gemeldet waren. Ich musste also doch noch eine paar Minuten raus in den Nieselregen. Die Begrüßung war herzlich und Birgit sicherte mir zu, den Laufbericht für Trailrunning.de zu übernehmen. Damit fiel auch wieder eine kleine Last von mir ab. Ich konnte deutlich weniger Fotos machen und mich wirklich auf den Lauf konzentrieren. Die Vorzeichen standen also gut.

Rudi erklärte inzwischen allen Teilnehmern nochmal die Laufstrecke und auch die vier Verpflegungspunkte. Das Ziel sei bis 18 Uhr offen und Rudi verkündete, dass sie auf alle Läufer warten werden: „Wir warten auf den Sieger des Laufes genauso wie auf den Letzen und auch auf den Greppi“, vernahm ich auf den Lautsprechern. Na prima, ich musste schmunzeln und hoffte, dass der Letzte und Greppi nicht ein und dasselbe sein würden. Schließlich war es dann so weit. Ich hatte mich am Ende des Starterfeldes einsortiert und Rudi und Stephan zählten gemeinsam die letzten Sekunden herunter. Die Stimmung im Feld war prächtig und schon war der Lauf gestartet. Erst mal ging es eine Runde um den Sportplatz und ich sah Rudi und Jutta quer über den Platz sprinten. So konnten wir noch einmal abklatschen, bevor es endgültig auf die Strecke ging. Meine Nervosität hatte sich schnell gelegt und ich erreichte knapp hinter Birgit den ersten kleinen Anstieg hoch zum Märchenwald, den wir beide gleich mal gehend bewältigten. Nur keine Energie verbraten. Auch wenn es nur 25 Kilometer sind, wir müssen Körner sparen. Bis zum Gut Steinbach habe ich Zeit mich noch etwas mit Birgit zu unterhalten.

Bei Kilometer 3 kommt der erste richtige Anstieg und Birgit bleibt erwartungsgemäß zurück. „Ich überhole Dich dann bergab wieder“, verabschiedet sie mich erst mal. Daran habe ich keine Zweifel. Inzwischen habe ich auch meine Stöcke ausgepackt und versuche mit strammen Tempo nach oben zu marschieren. Es nieselt noch leicht, dennoch ist der Weg noch gut zu laufen. Auf glitschige Steine und ein paar Matschflächen muss ich trotzdem achten. Oben angekommen sind die ersten 300 Höhenmeter und nicht ganz sechs Kilometer bewältigt. Es geht links weg und erst mal wieder längere Zeit stetig bergab. Zeit um wieder richtig zu laufen und auch den Puls etwas herunterzufahren. Birgit und Norbert ziehen wie versprochen an mir vorbei. Ich unternehme keine Anstrengung, um mit ihnen mitzuhalten. Ich muss heute auf mich schauen. Unten angekommen bin ich bei nahezu zehn Kilometern angekommen und die Strecke teilt sich. Geradeaus führt die XL- und L-Strecke weiter, für mich gilt es dem M-Wegweiser nach rechts zu folgen. Damit betrete ich MOUNTAINMAN -Neuland, da ich das letzte Mal ja auf dem XL-Trail unterwegs war. Ich werde erst mal mit einem neuerlichen Anstieg belohnt, der auch deutlich anspruchsvoller als der bisherige Weg ist.

Oben angekommen wird es wieder etwas flacher und auch etwas matschiger. Ich saue mir nun meine Wadl richtig ein und erfreue mich an den Kühen, die links und rechts vom Weg gemütlich grasen. Ab und zu schaut eine auf und feuert mich mit eine begeisternden „Muh“ an. Die Hemmersuppenalm liegt vor mir und ich laufe schon bald auf die Anna-Kapelle zu. Heute findet dort kein Gottesdienst statt, dennoch scheint sich eine Kuh auf den Weg dorthin zu machen. Schon bald habe ich auf 1253 Höhenmeter den höchsten Punkt des M-Trails erreicht. Es geht nun erst mal längere Zeit bergab und die Hindenburghütte ist mein nächstes Ziel. Dort ist bei Kilometer 13 die erste Verpflegungsstation angekündigt. Ich habe tatsächlich ein leichtes Hungergefühl und freue mich auf eine kurze Rast. Dort angekommen werden wir mit leckeren vegetarischen Fitnesspflanzerln versorgt. Da ich es mit vegetarisch nicht so habe, heißen sie für mich einfach Kaspressknödel, klingt gleich viel besser und schmeckt herrlich. Gerne hätte ich mir noch einen zweiten einverleibt, ich muss jedoch auf meine Linie achten.

 
   
 
 

Über die Wiese verlasse ich die Hindenburghütte und freue mich, dass der Regen vorbei ist. Dennoch ist es hier oben eher kühl und ich versuche ein gemäßigtes Tempo zu laufen, um warm zu bleiben. Das ist aber gar nicht so leicht, denn über einen schmalen Trail laufe ich erstmal nach links und finde mich bald auf dem langen Anstieg vom Anfang wieder. Diesen gilt es nun bergab zu laufen, was gar nicht so einfach ist. Die Steine sind äußerst glitschig und ich muss Vorsicht walten lassen. Ab und zu komme ich trotzdem ins Rutschen und lasse ab und an auch gerne den schnellen Läufern vom L-Trail den Vortritt. Wie die den Berg hinunterrauschen, ist schon faszinierend. Keine fünfzig Meter könnte ich mich auf den Beinen halten. Wahnsinn was für eine Kontrolle diese Freaks haben. Ehe ich mich jedoch versehe, bin ich unten angekommen und finde mich vor den Skisprungschanzen wieder. Die nächste Verpflegungsstation liegt vor mir. Bei Kilometer 16 steht Kaiserschmarrn mit Apfelkompott auf dem Speiseplan. Wer kann da schon nein sagen? Gefühlt bin ich nun schon auf dem Rückweg und nicht mehr weit vom Sportplatz, wo wir gestartet sind, entfernt. Doch schon bald wird die Strecke erneut geteilt. XL- und L-Trail nach rechts, ich und alle anderen M-Trailer dürfen nach links auf eine abschließende Extrarunde.

Vor mir laufen zwei Mädels, die in etwa meinen Schritt haben und ich passe mich ihrem Tempo an. Ich laufe durch den Wald und bei mir stellt sich eine leichte Euphorie ein. Gut 17 Kilometer habe ich in den Beinen, die zwar in der Zwischenzeit etwas schwerer geworden sind, trotzdem fühle ich mich gut. Der Große Steinbach rauscht neben mir durch den Wald, es könnte gerade gar nicht schöner sein. Ich biege um eine Ecke und plötzlich stehen die beiden Mädels vor mir. Ich bin etwas überrascht. Umso mehr überrascht mich der Grund ihres Stehenbleibens. Der Weg scheint vor uns zu enden, denn der Große Steinbach, der sich eher als reißender Fluss entpuppt, liegt vor uns.
Haben wir uns etwa verlaufen?

Ich sehe auf der anderen Seite eine Wegmarkierung, also sind wir wohl richtig. Über Nacht hatte sich der Große Steinbach in einen Fluss verwandelt. Hilft ja jetzt nichts, irgendwie müssen wir da rüber. Ich lasse den Mädels erst mal großzügig den Vortritt. Die erste springt über die ersten beiden glitschigen Steine und bleibt dann mitten im Fluss stehen. Es geht nicht weiter. Der nächste Stein ist zu weit weg. Während die erste Läuferin sich auf dem Stein balancierend ihrer Schuhe entledigt, tut ihr die zweite diese am Ufer gleich. Auch ich sehe keine andere Möglichkeit und ziehe meine Schuhe aus. Das Wasser ist eisig und ich wate unter Zuhilfenahme meiner Stöcke durch den Fluss. Teilweise stehe ich bis zu den Knien im Wasser und versuche nicht auszurutschen. Irgendwann komme ich doch drüben an und trockne mit meinen Laufsocken die Füße ab und schlüpfe in meine Trailer. Ich mühe mich gerade mit dem zweiten Schuh ab, als eine junge Läuferin, die bis dahin noch hinter mir lag, elegant und scheinbar ohne Mühe über die Steine springt. „Mit den langen Beinen hätte ich das auch gekonnt“. Ich konnte mir den Kommentar einfach nicht verkneifen. Sie lächelt mich an und es geht weiter.

Als Belohnung für dieses kleine Abenteuer darf ich nun erst einmal 140 Höhenmeter nach oben. Auf einem schmalen Trail geht es in Serpentinen steil nach oben und mein Puls ist schnell am Anschlag. Die nassen Wurzeln verlangen Trittsicherheit und Konzentration. Beides ist noch ausreichend vorhanden und ich komme oben an. Die letzte Verpflegungsstation liegt schon bald vor mir. Auf der Zwerchenbergalm gibt es viel Obst, Kekse und Kuchen. Ich greife mir eine „Affenwurst“, wie sie der Helfer nennt und lasse mich kurz in einem Liegestuhl nieder. Eine Läuferin, die auch auf dem M-Trail unterwegs ist, nutzt die Gelegenheit ebenfalls und grinst: „Ich glaub ich kann nicht mehr weiterlaufen, ich bin völlig überfressen.“ Wir verabreden uns für später im Ziel und ich mache mich wieder auf den Weg.

Auf einem Schotterweg geht es nun wieder etwas entspannter nach unten. Das Gröbste sollte hinter mir liegen und ich schiele schon mal auf meine Uhr. Bald würde ich die Klausenbachklamm bei Kilometer 21 erreicht haben. Es könnte sich mit meinen anvisierten fünf Stunden tatsächlich ausgehen. Die Klamm hatte es aber noch mal in sich. Die Treppen waren feucht und rutschig und verlangten nochmal volle Aufmerksamkeit. Leider war die Klamm heute trockengelegt. Gerne wäre ich zwischen den tosenden Wasserfällen hindurchgelaufen. Ich bringe auch diesen Abschnitt gut hinter mich und kann mich nun auf das Finale freuen. Auf einem Wanderweg vorbei an einem Weiher, in dem riesige Seerosen blühen, lässt sich wieder wunderbar laufen. Da nun sogar die Sonne etwas hervorkommt, wagen sich auch die Spaziergänger nach draußen. Sie feuern mich an, was zusätzliche Motivation gibt. Über den Krautloidersteg geht es zurück zum Märchenwald und nun stellt sich bei mir auch endgültig das Gefühl ein, es geschafft zu haben. Es ist zwar kein Marathon, aber dennoch fühlt es sich genauso wunderbar an. Ein letztes Mal geht es sanft den Berg hinab und ich kann vor mir schon den Sportplatz sehen. Noch gut ein Kilometer liegt vor mir. Ich werde die fünf Stunden zwar knapp verpassen, aber das ist mir jetzt völlig egal.

Ich erkenne Silke, Steffi und Wolfgang, die an der Bande des Sportplatzes lehnen und auf mich warten. Steffi hat am Vorabend noch angekündigt, dass sie mich gerne mal laufen sehen würde und so zog ich die Schritte noch etwas länger und versuchte so locker wie möglich zu laufen, um möglichst gut auszusehen, auch wenn es etwas weh tat. Für ein kurzes vorzeitiges Finisher-Busserl musste ich bei Silke aber trotzdem kurz anhalten. Noch eine halbe Runde um den Sportplatz lag vor mir und diese wurde dank Rudi zum Genuss. Er kündigte mich an, als hätte ich den Lauf gewonnen. Dass er mich dabei noch als den „Tiefstapler des Wochenendes“ bezeichnete, ließ mich lachend die Ziellinie überqueren. Es war geschafft und ich ließ mir die schwere Finisher-Medaille um den Hals hängen. Rudi drückte mir auch noch ein Finisher-Schnapserl in die Hand und es fühlte sich einfach gut an. Jutta und Stefan gratulierten mir ebenfalls zu meinem kleinen Comeback und so ließ ich mich mit einem kühlen Bier und einem guten Gefühl in einem Liegestuhl nieder und genoss noch ein paar Minuten die wärmenden Sonnenstrahlen.

Klaus hatte Recht. Es muss nicht immer Marathon sein. Die kurze Strecke hat mir sehr viel Spaß gemacht und auch die Stimmung auf der Strecke unterschied sich nicht von der auf den langen Kanten. Ich kann mich jedenfalls mit dem Gedanken in Zukunft immer wieder mal auf die kurzen Strecken auszuweichen gut anfreunden. Momentan ist an einen Marathon eh noch nicht zu denken, aber auch diese Zeiten werden wieder kommen. Sicherlich jedoch nicht mehr in der Frequenz, wie in den vergangenen Jahren. Mein Dank für dieses besondere Wochenende gilt jedenfalls Jutta, Rudi und Stephan, die einen großartigen Job gemacht haben und mich schon vor dem Lauf mit ihren Worten aufgemuntert haben und nicht zuletzt Silke, die mich in dem vergangenen halben Jahr unterstützt hat, was sicherlich auch nicht immer leicht war.

   
 
 
Greppi 5:03:04  
     
   
 
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