Also los geht’s und wir biegen gleich nach den Thermen im Kreisverkehr rechts ab. Ich versuche erst mal mein Tempo zu finden, was gar nicht so einfach ist, wenn man sich erstens schon mal zu weit vorne eingereiht hat und zudem noch von zahlreichen Halbmarathonlern umgeben ist. Doch nach drei Kilometern stimmt auch die Angabe auf meiner Garmin und ich habe mich so um die 6:20 Minuten pro Kilometer eingependelt. Nach fünf Kilometern entlang einer Staatsstraße kommt die erste Verpflegungsstation, die wieder einmal perfekt ausgestattet ist. Ich greife mir einen warmen Tee und freue mich, dass die erste Runde schon zur Hälfte geschafft ist. Doch irgendwie fühlen sich meine Beine heute schwer an und ich weiß nicht, wie ich die ganze Strecke vernünftig schaffen soll. Ich versuche das Gefühl zu ignorieren und laufe weiter.
Der zweite Teil der ersten Runde gefällt mir wesentlich besser. Nach einer kurzen Pendelstrecke geht es rein in den Altort von Bad Füssing, wo sich auch wieder ein paar Zuschauer eingefunden haben und so naht schon bald das Ende der ersten Runde. Ich liege voll im Zeitplan und endlich stellt sich auf ein Gefühl von Zuversicht ein. Die Beine sind nun lockerer und auch sonst fühle ich mich gut. Ich genieße die Sonnenstrahlen und nähere mich wieder den Thermen. Etwa einen halben Kilometer vor Überquerung der Startlinie staune ich nicht schlecht. Mich überholt ein Fahrradfahrer, dem ein Läufer mit einem Affenzahn folgt. Es ist Tobias Schreindl von der LG Passau, der sich auf den letzten Metern seines Halbmarathons befindet. Diesen gewinnt er vor meinen Augen in einer fantastischen Zeit von 1:08:13 Stunden. Wahnsinn. Da hat der Kerl doch glatt zehn Kilometer Vorsprung auf mich rausgelaufen. Aber gut, ich will ja auch doppelt so weit laufen wie er und reihe mich deshalb kurz vor dem Zielbogen auf der linken Spur ein, um die zweite Runde in Angriff zu nehmen. Doch zuvor greife ich mir wieder einen Becher warmen Tee und biege kurz danach im Kreisverkehr nach links ab.
Die zweite und kürzere Runde ist mit der ursprünglichen Strecke größtenteils identisch und ich freue mich darauf. Wir laufen zunächst wieder durch den Altort, bevor es raus geht ins Hinterland, wo man die Ruhe und das tolle Wetter so richtig genießen kann. Ich kann mein Tempo weiterlaufen, ohne dass ich dabei große Mühen habe und das motiviert mich. Bei etwa 18 Kilometer sehe ich vor mir eine vertraute Gestalt und muss kurz für ein gemeinsames Selfie bremsen. Ludwig Schürger, Veranstalter des Dreiburgenland Marathons, bei dem ich in diesem Jahr zum dritten Mal an den Start gehe, hat sich für den Halben entschieden und scheint mich sich zufrieden zu sein. Wir wechseln kurz ein paar Worte und verabreden uns für Thurmansbang in zwei Monaten. Kurz danach biege ich wieder ab und es geht zurück in Richtung Bad Füssing. Auf den letzten beiden Kilometern werde ich unbeabsichtigt schneller. Die Halbmarathonis um mich herum setzten zum Endspurt an und ich muss mich zügeln, um das Tempo nicht mitzulaufen.
Kurz danach überquere ich zum zweiten Mal die Zeitmatte im Zielbereich. Natürlich auf der linken Seite, es geht ja noch weiter. An der Verpflegungsstelle nehme ich mir noch ein Energy-Gel und spüle es zusammen mit dem immer noch warmen Tee runter. Jetzt geht es nach dem Kreisverkehr wieder rechts raus und zum zweiten Mal begebe ich mich auf die 11-Kilometer-Runde. Nun wird es sehr ruhig auf der Strecke, haben sich die 400 Starter offensichtlich gut verteilt. Aber irgendein Mitläufer ist eigentlich immer in Sichtweite, so dass man nicht ganz alleine unterwegs ist. Ich weiß, dass nun der schwierigste Teil des Laufes kommt. Üblicherweise habe ich zwischen 25 und 30 Kilometer immer ein kleines Motivationsloch, das es zu überwinden gilt. Heute habe ich eine neue Taktik. Ich beginne im Kopf meinen Lauf neu, ich laufe jetzt quasi einen Halbmarathon und so sind es nach der Kilometertafel vier nur noch 17 Kilometer bis zum Ziel. Klingt jetzt vielleicht komisch, aber mir hat`s geholfen. Die Kilometertafel mit den angegebenen 25 Kilometern habe ich einfach ignoriert. So verlief auch die dritte Runde ganz gut, so dass ich immer noch im 6:20`er Schnitt unterwegs war und bald wieder die Ziellinie vor Augen hatte. Nun wurde ich auch wieder von schnelleren Marathonis überholt, die bereits am Ende der vierten und letzten Runde waren. Sie kamen mit einer Zeit von etwa 3:15 Stunden in Ziel. Ich ließ mich aber nicht beirren und freute mich darauf, dass ich die schöne 10-Kilometer-Runde noch vor mir habe.
Bevor ich aber im Kreisverkehr wieder links abbog, gönnte ich mir wieder einen Becher Tee. Auf ein weiteres Energy-Gel musste ich verzichten. Die waren bereits vergriffen. Naja, es hat wohl auch Nachteile, wenn man etwas gemütlicher unterwegs ist. Aber ich war mir sicher, dass ich den Lauf auch ohne Gel gut ins Ziel bringe und so trabte ich gemütlich weiter. Ähnlich wie bei der dritten Runde ignorierte ich wieder die Kilometerangaben für den Marathon und konzentrierte mich nun auf die blauen Tafeln des 10-Kilometerlaufs. Zur weiteren Motivation suchte ich immer einen Läufer vor mir und versuchte, meist mit Erfolg, auf diesen aufzulaufen. So verflogen die letzten Kilometer geradezu und ich konnte noch einige Läufer überholen. Auf den letzten Kilometern konnte ich mein Tempo sogar noch auf 5:30 Minuten pro Kilometer steigern. Nun konnte ich auch noch ein marathon4you-Shirt rund 100 Meter vor mir erkennen. Es war Herbert Orlinger, der kurz davor war seinen hundertsten Marathon ins Ziel zu bringen und so konnte ich ihm nach dem Überqueren der Ziellinie auch tatsächlich als einer der ersten gratulieren. Im Verpflegungszelt schnappte ich mir eine Wärmedecke und eine O-Saftschorle und schnaufte erst mal kurz durch. Herbert war derweil schon am Feiern. Ein Tisch mit Kuchen, Sekt und einem eigens gefertigten Pokal, sowie zahlreiche Gratulanten sorgten im Zelt für Stimmung.
Als ich soweit wieder erholt war, stellte ich fest, dass ich etwas Entscheidendes vergessen habe. Ich habe keine Finisher-Medaille um den Hals hängen. Wie konnte mir das passieren. Also machte ich mich auf die Suche und wurde enttäuscht. Die Medaillen waren aus. Es gab keine mehr. Offensichtlich hatten dank des tollen Wetters gerade auf den kürzeren Strecken so viele Läufer nachgemeldet, dass die vorbestellten Medaillen einfach nicht ausreichten. Etwas geknickt machte ich mich auf in die Therme, genoss dennoch die warme Dusche und machte mich dann auf die Suche nach meinen Lauffreunden. Als erstes lief ich Gerhard wieder in die Arme. Er hatte nach drei Runden aufgehört, da er das Zeitlimit von fünf Stunden nicht hätte erfüllen können. Er war trotzdem mit sich zufrieden und gratulierte mir zu meiner Zeit. Im Außenbereich sah ich dann Bernie, der sich am Beckenrand ausruhte. Bernie war auch sehr mit sich zufrieden. Eine 4:08 war er gelaufen. Tolle Zeit. Das Training der letzten Wochen hatte sich für ihn ausbezahlt. Charly war noch beim Massieren, das übrigens auch kostenlos angeboten wird. Er war zwei Minuten nach Bernie im Ziel. Tolle Ergebnisse wie ich finde. Wir konnten alle zufrieden sein.
Im Restaurant trafen wir dann wie ausgemacht auf Karin. Auch sie war rundum zufrieden. Nach längerer Laufpause will sie jetzt wieder richtig einsteigen und konnte das Ziel unter 2:15 Stunden erreichen, was auch ihr gestecktes Ziel war. Michael hat mit 1:36 Stunden eine wirklich tolle Zeit gelaufen und auch Paul kam bei den 10 Kilometern nach 49 Minuten problemlos im Ziel an. Die beiden waren allerdings schon wieder weg. Sie wollten unbedingt noch rechtzeitig zum Spiel des FCA im Stadion sein. Nachdem sich im Restaurant noch jeder kurz gestärkt hatte, ging es mit „Charlys Reisen“ wieder nach Hause. Im Auto wurden schon wieder Pläne für zukünftige Läufe geschmiedet und natürlich auch auf Bad Füssing zurückgeblickt. Es war ein wirklich tolles Wochenende und wenn ich jetzt auf dem Postweg in den nächsten Tagen vielleicht noch meine Medaille bekomme, würde ich sagen es war nicht nur toll, sondern geradezu perfekt |