Nach ein bisschen Einstimmung geht’s pünktlich los. Die ca. 100 K65er vermischen sich mit etwa der doppelten Anzahl an K25ern, sie haben exakt die gleiche Strecke wie wir vor uns und beenden dann am Natterersee ihr Rennen. Am Hofgarten entlang geht es Richtung Inn. Die futuristische Talstation der 2007 neu eröffneten Hungerburgbahn passieren wir nach 200 Metern. Was für ein krasser Gegensatz zu den antiken Gebäuden der Altstadt, sieht aber wirklich geil aus und ergänzt sich prima. Geplant hat das Mammutprojekt die aus Bagdad stammende Stararchitektin Zaha Hadid, wie auch das Bergisel-Stadion.
Nach 500 Metern sind wir am Inn, wo wir auf dem überdachten Hans-Psenner-Steg die Seite wechseln. Und schon beginnt für uns der erste Aufstieg. Serpentinenartig geht es auf wechselnden Belägen nach oben. Wir passieren das spätgotische Schloss Weiherburg und den Alpenzoo Innsbruck, der einer der höchstgelegenen Zoos Europas ist. Er beherbergt 2000 Tiere aus dem gesamten Alpenraum. Wer feudal heiraten will, kann das im über 500 Jahre alten Schloss machen.
Die Spitze unseres ersten Aufstiegs erreichen wir nach 4 km in 950 m Höhe. Wellig geht es weiter, meist auf wunderschönen Trails, teilweise auch fast weglos durch den Wald. Wunderschön liegt unsere erste Versorgungsstation auf einer sonnenbeschienenen Wiese. Ich habe jetzt Appetit auf was Herzhaftes und werde da nicht enttäuscht. Salami, Käse und Laugenbrötchen taugen bestens als zweites Frühstück. Dazu gibt es warmen Tee, Cola, Apfelschorle und noch einiges mehr. Mir ist bereits richtig warm geworden. Die Sonne scheint, der Tag ist herrlich mit bereits wunderbar angenehmen Temperaturen. Also lege ich jetzt alles bisher noch wärmende ab. Dann zieht‘s mit nochmal an die Tische mit den Tiroler Spezialitäten.
Über 20 Helfer/innen sind heute auf der Strecke an strategischen Punkten verteilt und notieren von jedem durchkommenden Läufer die Startnummer. So können die derzeitigen Standorte jedes einzelnen an ein Live-Tracking-System weitergegeben werden und sofort im Internet abgerufen werden. Beim Racebriefing wurden wir explizit darauf hingewiesen, jedem Posten die Startnummer vorzuzeigen. Neben Live-Tracking dient dies auch der Streckenkontrolle, aber natürlich auch unserer Sicherheit. Falls jemand Probleme hat, kann der Standort schnell ermittelt werden.
Unmittelbar nach der Labestelle passieren wir das Höttinger Bild. Die Wallfahrtskapelle ist ein traditioneller Pilgerort für Studenten in Prüfungsnöten. Der Legende nach befestigte ein Student im Jahr 1675 ein Muttergottesbild an einer Lärche. Er besuchte den Ort häufig und bat Maria um Hilfe bei seinen Prüfungen. Als er erhört wurde, pilgerten auch andere Studenten hierher.1705 wurde eine einfache Holzkapelle errichtet, die 1774 durch eine gemauerte Kapelle ersetzt wurde.
Meist auf schmalen wurzeligen Trails führt uns der Stangensteig abwärts durch den Alpenpark Karwendel. Der Hang fällt oft ziemlich steil ab, so ist es ratsam, seine Augen auf den Weg zu werfen. Aber wirklich gefährlich ist das nicht. Wir sind jetzt genau oberhalb des Flugplatzes von Innsbruck, hin und wieder wird der beeindruckende Blick nach unten frei.
Am Bahnhof Kranebitten sind wir fast unten, wir biegen ab zum Ortsdurchlauf. Plötzlich fehlen mir im Ort die Markierungen und ich bin unsicher, ob ich nicht eine Abzweigung verpasst habe. Eine ganze Handvoll Trailer ist dem Esel gefolgt und ist jetzt genauso verunsichert wie ich. Eine Mitstreiterin meint, wir müssen auf alle Fälle weiter abwärts zum Inn. Nach 200 Metern kommen uns von oben wieder Läufer entgegen. Wir sind mit einem kleinen Umweg wieder auf der Strecke und wenig später an VP2 (km 12) am Ende der Runway des Flughafens von Innsbruck.
Cut-off ist 10:30 Uhr, da braucht sich niemand Sorgen machen, das ist easy zu schaffen. Weiter geht’s für uns durch‘s Inntal, um auf die gegenüberliegende Seite zu gelangen. Ein Schotterweg führt uns direkt am Inn entlang. Nach unterqueren der Inntalautobahn gelangen wir nach Völs.
Zweiter Aufstieg
Vollkommen anders präsentiert sich der zweite Aufstieg. Nach dem Ortsdurchlauf von Völs führt die Strecke meist auf Forstwegen und Asphaltstraßen mit mäßiger Steigung hoch über den Velleberg nach Birgitz wo mitten im Ort die nächste Labestelle (km 18,5) auf uns wartet.
Dann wird es wieder rustikaler. Direkt nach Ortsende geht es auf den Akademikersteig. Über 1,5 km führt der äußerst wurzelige Steig an einem Hang durch den Wald. Auch wenn uns das Schild „Begehen des Steigs auf eigene Gefahr“ einen riskanten Weg einreden will, viel mehr als über Wurzeln zu stolpern kann man hier nicht.
Am Waldrand geht es einige Kilometer in der prallen Sonne über Felder und Wiesen weiter, bis wir kurz vor dem Nattersee wieder in den Wald eintauchen, wo erneut tolle Single-Trails auf uns warten. Beim letzten Anstieg hat sich eine Fankurve aufgebaut und feuert uns kräftig an.
Dann geht’s rein in den Zieleinlaufkanal am Natterersee. Die K25er sind hier fertig und werden anschließend zurück nach Innsbruck transportiert. Im Gegenzug werden die Teilnehmer am Trailmarathon, der um 12:30 Uhr gestartet wird, hierher gebracht. Dementsprechend viel ist los.
Kaum bin ich am Verpflegungsstand, werde ich schon von Susannerl und Lionheart mit seinem markanten Hut begrüßt. Sie haben noch eine gute Stunde Zeit bis zum Start des K42. Ich verliere bei dem Gewusel vollkommen die Orientierung, laufe nach dem Verpflegen einfach geradeaus weiter. Nach hundert Metern machen mich die fehlenden Markierungen doch stutzig und ich mache kehrt. An der VP werde ich dann aufgeklärt, ich muss wieder in den Einlaufkanal zurück, von wo ich hergekommen bin.
Vollkommen einsam ziehe ich weiter, das Feld der K65-Teilnehmer ist weit auseinandergezogen. Höchste Aufmerksamkeit erfordern die nächsten Kilometer. Viele Trails und schmale Waldwege warten auf uns, aber auch mit den Markierungen habe ich manchmal Probleme. Ich versuche mich gerade anhand des Kartenmaterials, das uns ausgehändigt wurde, zu orientieren, als eine Läuferin auf mich aufläuft und meint: „Wir sind richtig“. Ok, dann weiter, es geht meist abwärts bis in die Sillschlucht. Unter, neben und über Inntal- und Brennerautobahn
Die Sill entspringt oben in der Nähe des Brenners und fließt unter der Brennerautobahn nach Innsbruck. Der Eingang zur Schlucht ist am Fuße des Bergisel. Über eine Stahlbrücke gelangen wir in die ungezähmte, landschaftliche Romantik des Gebirgsflusses. Hier treffe ich dann endlich auch wieder auf weitere Läufer. Die Teilnehmer des K85 folgen schon länger dem Lauf der Sill von ihrem höchsten Punkt herunter und treffen hier wieder mit uns zusammen. Die Schlucht war Zeuge der blutigen Schlachten des Tiroler Volksaufstands von 1809 mit Freiheitskämpfer Andreas Hofer gegen die bayerisch-französischen Truppen.
Wegen einer Autobahnbaustelle handeln wir uns einen kleinen Umweg ein. Über hohe Stufen müssen wir aufsteigen, um das Hindernis zu umgehen. Auf dem Bergiselplateau passieren wir das Tiroler Kaiserjägermuseum mit Andreas-Hofer-Galerie und -Denkmal.
Dann wird’s unübersichtlich. Wir sind nicht weit vom Autobahn-Knoten Innsbruck-Mitte, wo sich die Inntal- und die Brennerautobahn teilen. Mal geht es über die Brennerautobahn, anschließend über, entlang und erneut über die Inntalautobahn, bevor wir nochmals die „Strada del Sole“ Richtung Bozen überqueren. Zwischendrin liegt unsere 5. Versorgungsstelle (km 32). Das Angebot ist wieder reichlich Unter anderem stehen auch ein großer Topf mit Kartoffelsuppe und eine schöne Kuchenauswahl bereit. Hier gibt es auch einen Cut-Off zu beachten: Großzügige 6 Stunden, ich habe genügend Luft, muss mir deswegen keinen Stress machen.
Es geht hinauf Richtung Lanser Kopf. Der dritte Auf- und Abstieg bietet wieder viel Abwechslung und ein breites Spektrum an ständig wechselnden Untergründen. Wurzeltrails, Waldwege, Forststraßen, Teerabschnitte und sogar ein Stück am Bahndamm entlang.
Nach 3 km passieren wir das alte Bahnwärterhaus und die Station „Tantegert“ der Igler, wie die Linie 6 der Innsbrucker Mittelgebirgsbahn bezeichnet wird. Die 8,3 km lange Strecke beginnt am Fuße des Bergisel und führt bis zum Ortseingang von Igls, von wo aus man einen wunderschönen und uneingeschränkten Panoramablick über das Inntal, die Nordkette bis hin zu den Gletschern der Stubaier Alpen hat.
Kurz vor dem Fairways des Golfclub Innsbruck-Igls werde ich vom Führenden des K42 überholt. Dann geht’s wieder, meist in offenem Geländer, runter vom Berg. Ab Aldrans füllt sich dann auch endlich wieder unsere Laufstrecke, die schnellen Marathonis werden mehr und mehr. Nach dem Ortsdurchlauf geht’s an der Seitenlinie, oder auch mal etwas im Spielfeld wegen Platzmangel durch das Jugendspiel des SV Aldrans. Finde ich witzig. Am Ortseingang von Ampass stehen 42 km auf dem Tacho. |