Endlich kann’s losgehen
Im Halbstundentakt fahren die Busse für die unterschiedlichen Startorte am Eisstadion ab. Wie zur Premiere 2011 werde ich wieder beim Supertrail mit Start in Ehrwald in Tirol an den Start gehen. Ausgeschrieben isser mit 68 km, der aktuelle Track, der zum Download bereitgestellt wurde, ist etwas kürzer und weist nun noch genau 65,2 km auf. Auch heute gibt es um das Olympia-Eissportzentrum und dem angrenzenden Alpspitz-Wellenbad noch freie Parkplätze, so habe ich bis zur Abfahrt meines Shuttles um 7.30 Uhr noch etwas Zeit und spaziere noch zum Kurpark, um kurz dem Start des Ultratrails beizuwohnen der um 7.10 Uhr startet.
Für die Fahrt nach Ehrwald benötigt der Bus etwa eine halbe Stunde, so sind wir noch vor 8 Uhr am Startgelände am Martinsplatz. Die Wiese liegt noch im Schatten und es ist noch relativ frisch. Für den Starterbeutel konnte ein Aufkleber mit Startnummer geordert werden, so können wie noch die Restzeit bis zum Start mit Wärmebekleidung verbringen, die anschließend wieder ins Zielgelände transportiert wird. Mein Wunschziel wäre noch am Samstag das Ziel zu erreichen, das wird dann aber sicher schon in der Nacht sein und dann freue ich mich wieder auf meine warmen Klamotten zurückgreifen zu können.
Apropos Zeit. Äußerst großzügig ist das Zeitlimit, um 2.30 Uhr müssen die Teilnehmer*innen des Supertrail das Ziel in Garmisch passieren, das sind 17:30 Stunden Zeit, das müsste für mich gut machbar sein.
Ohne Kontrolle der Pflichtausrüstung kommt keiner in den Startkanal, man wird dann auch auf einer Liste abgehakt. Bisher war es musikalisch noch ruhig, aber auf die Strecken werden wird man traditionell beim ZUT mit „Highway to Hell“ geschickt und das, obwohl für die Premiere mit „Coming home“ von Toba ein eigener Song für den ZUT komponiert wurde, der aber eher eine Ballade ist und so für einen einpeitschenden Startsong wohl zu wenig Power hat und natürlich auch nur wenige kennen. Um Punkt 9 Uhr geht‘s los.
Der Anfangskilometer führt bereits leicht steigend durch Ehrwald, links flankiert vom präsent aufragenden Zugspitzmassiv. Nach 1,8 km erreichen wir die Talstation der Erwalder Almbahn, dort wechseln wir von Asphalt auf einen Wanderweg. Gleichmäßig steigend führt er uns nach oben. Unsere ersten 500 Höhenmeter dürfen wir an der Erwalder Alm nach 4,5 km abhaken.
Einen Kilometer später erreichen wir mit Station 5 auch unsere erste Versorgungsstation, das ist etwa 1,5 km früher als das, das aufgedruckte Höhenprofil auf der Startnummer anzeigt und liegt an der kleinen Streckenverkürzung. Station 5 weil sie die fünfte VP auf der Runde des Ultratrails ist und alle anderen Strecken über diesen Kurs führen. Das Feld ist noch relativ dicht beisammen, so kommt es an der Getränkeausgabe zu einem kleinen Stau. Ich halte mich erstmal an Wurst und Käse, mir fehlt noch ein ausreichendes Frühstück.
Zum höchsten Punkt
Kurz danach verlassen wir den bequemen Wanderweg, die Steigungsprozente legen jetzt spürbar zu. Ein Steig führt uns durchs Gaistal bis zur Hochfeldern Alm. Die vielen Kühe am Wegesrand scheinen Menschen gewohnt zu sein und lassen sich durch uns beim Grasen nicht aus der Ruhe bringen. Auf einer kleinen Erhebung am Brand (2120 m) haben sich einige Wanderer niedergelassen und genießen die großartige Aussicht. Und es geht so weiter, die folgenden hochalpinen Kilometer gehören sicherlich zum schönsten, was der ZUT zu bieten hat.
Die Leipziger Mädels hinter mir, sind der gleichen Meinung, wir verweilen am nächsten Übersichtspunkt kurz und saugen das Panorama auf, dazu machen wir ein paar Schnappschüsse. „Wow, noch mit einer richtigen Digitalkamera“ bekomme ich zu hören. Ist vielleicht etwas Old School, dafür aber wesentlich komfortabler als mit einem Smartphone.
Leicht abschüssig und steinig geht es runter zum Feldernjöchl. Vom Veranstalter ist diese Passage auch als Gefährliche Sektion markiert. Der Pfad führt mitten durch eine geröllbeladene Bergflanke, das macht es etwas rutschig. Aber halb so schlimm, etwas Vorsicht ist aber durchaus angebracht.
Nach der Querung weist ein Schild nach links zum Gatterl, der Grenze von Österreich nach Deutschland. Auf den Gipfel der Zugspitze führen insgesamt sechs Wege. Die Tour übers Gatterl und über die Knorrhütte ist lang, aber vergleichsweise einfach und verlangt nicht zwingend nach hochalpiner Erfahrung. Im Übrigen entspricht unser bisher zurückgelegter Weg vom Start auf dem Martinsplatz bis hier und dem weiterführenden Weg übers Gatterl auf den Zugspitzgipfel ziemlich exakt der Strecke des früheren Zugspitz-Extrem Berglaufs, der vor einigen Jahren eingestellt wurde.
Für uns geht es aber hier geradeaus und steil aufwärts weiter, auf den höchsten Punkt unserer Strecke auf knapp 2200 m. Auf diesem supersteilen Anstieg werde ich gerade von einer der ersten Frauen bei den Deutschen Ultratrail Meisterschaften überholt. Ganz beruhigend für mich zu sehen, dass auch solch eine Spitzenläuferin diesen megasteilen Anstieg nicht wie eine Gemse hochspringen kann, sondern ebenfalls nur im langsamen Hiking-Modus. Ein erfrischendes Lüftchen sorgt hier oben für angenehme Temperaturen.
Auf dem höchsten Punkt am Wannigjöchl feuert uns Race- und Streckenchef Martin Hafenmair höchstpersönlich mit der Kuhglocke an. Damit hat er sich auch einen der beeindruckendsten Aussichtsplätze des ZUT ausgesucht mit mega Aussicht auf den Gipfel der Zugspitze und auf das Zugspitzplateau. Wer weiß eigentlich heute noch, dass „die Zugspitze“ ursprünglich „der Zugspitz“ hieß und männlich war. Grund für die Änderung war die Sprachpolitik, da die Namen der Berge dem hochdeutschen Sprachgebrauch angepasst wurden. Die Bergnamen mit „Spitze“ wurden ab dem 19. Jahrhundert verweiblicht.
Gemischt auf schönen Wiesenpfaden und gerölligen Abschnitten geht es anschließend über 1,5 km abwärts bis zum Steinernen Hüttl auf 1925 m, wo wir wieder die Richtung nach oben einschlagen. Lange zieht mich beim Aufstieg der Predigtstein wegen seiner tektonisch beeindruckenden und fast senkrecht gestellten Kalkplatten in seinen Bann. Bis kurz vor die Wand führt uns ein wunderbarer Wiesentrail.
Ab hier liegt ein 6,5 km langer Downhill mit über 700 negativen Höhenmetern bis zur Hämmermoosalm vor uns. Auf ausgewaschenen Pfaden geht es anfangs richtig steil abwärts. Zwischendrin liegt auch ein zwei Kilometer langer Abschnitt auf einer Schotterstraße, wo man es auf Serpentinen schön laufen lassen kann. Vom kühlenden Wind kommt in dieses Tal aber wenig an, so ist es doch trotz der Höhenlage sehr warm. Fast unten erwartet uns rustikal durch den Wald wieder äußerst schwieriges Terrain.
Nach 19,5 km erreichen wir Station 6 an der Hämmermoosalm. Die Teilnehmer*innen am Ultratrail konnten sich ihre Drob Bags hierher transportieren lassen und können jetzt Kleidung, Schuhe oder sonstige Ausrüstungsteile wechseln. Das gilt nicht für die Stöcke, entweder man beginnt das Rennen mit ihnen und transportiert sie bis ins Ziel oder man verzichtet darauf, zwischendrin dürfen keine aufgenommen werden. An Verpflegung gibt es an der Station eigentlich alles was das Herz begehrt. Im aufgestellten Pavillon gönne ich mir im Schatten eine etwas längere Pause.
Fast die gleiche Anzahl an Höhenmetern, die wir beim Downhill abgebaut haben, dürfen wir jetzt wieder hinauf, etwa 650 hm verteilt auf 6 km bis zum Scharnitzjoch liegen vor uns. Auf einer Forststraße geht es anfangs noch recht bequem durch das Waldgebiet, bis unser Weg auf den Wurzeligen Pfad führt und sich steil nach oben windet. Dies fordert auch wegen der hohen Temperaturen wieder einen enormen Kraftaufwand. In dem Nadelgehölz rührt sich kaum ein Lüftchen. Eine willkommene kurze Erfrischungspause bietet die Überquerung des Klammbaches. Eine Mütze erfrischendes Gebirgswasser hat schon was für sich.
Auf 1755 m Höhe passieren wir die Wangalm, sie markiert auch den Wiedereintritt in alpinere Regionen. Hoch über uns kann man schon den unterhalb des Kirchlgipfels liegenden Übergang am Scharnitzjoch erkennen. Bis hinauf auf den Grat auf 2048 m liegen noch zwei abwechslungsreiche, aber auch wunderschöne Kilometer durch teilweise schöne Felsformationen vor uns. Nach einer finalen Geröllpassage an der Bergflanke entlang erreiche ich mit Nina schließlich den Grat des Scharnitzjochs. Wir sind uns heute schon des Öfteren über den Weg gelaufen und haben irgendwo die gleiche Pace. Mein GPS meldet mir 25,5 km und 2100 zurückgelegte Höhenmeter.
Ein paar Meter neben dem Übergang bietet mir eine Bank eine wunderbare Gelegenheit, um eine kurze Verschnaufpause einzulegen und das grandiose Panorama zu genießen und dazu auch einen längeren, vor uns liegenden Streckenabschnitt hinunter ins Puittal in Augenschein zu nehmen.
Über einen nicht einfach zu laufenden Pfad geht es über teils steile Grashänge, durchsetzt mit vielen Steinen und Felsen abwärts. Bis ganz runter ins Tal und bis zur nächsten VP liegen diesmal 930 Höhenmeter im Downhill vor uns. Zur Hälfte des Abschnitts laufen wir durch grüne Wiesen, neben der Strecke weiden Kühe und Pferde.
Ab Waldgrenze wird der Spaß wieder deutlich verschärft, sprich steiler. Durch den Puitbacher Wald führt uns ein schmaler Pfad serpentinenartig über Wurzeln und Gestein hinunter ins Tal. Nach 32 km erreiche ich am Ortsrand von Weidach unsere dritte Labestelle, die bis 18.00 Uhr passiert werden muss. Davon bin ich noch über eine Stunde entfernt, so kann ich mich in aller Ruhe am Verpflegungsstand laben. |