Nach 35 Jahren endet die Ära Swissalpine. Mit neuer Organisation und neuem Namen bekommt das Event ein Facelifting und nennt sich jetzt Davos X-Trails. Gleichgeblieben sind aber die Strecken. Geht es nach dem neuen OK-Chef Tarzisius Caviezel, bleibt es auch dabei. Läufer und Läuferinnen sollen sich wieder an ihren gelaufenen Zeiten orientieren und diese über längere Jahre vergleichen können.
Neu sind nur die Bezeichnungen der Strecken, sie nennen sich jetzt Diamond (68 km), Gold (43 km), Silver (23 km) und Bronze (10 km). Mit Ausnahme des Silver Run, der in Klosters startet, beginnen und enden alle in Davos, auch das soll in Zukunft so beibehalten werden. Mit über 2600 Steigungs- und Gefällemetern bleibt der ehemalige K68 die Königsdistanz der Veranstaltung, gefolgt vom Gold Run über 43 km, bei dem über 1400 Höhenmeter zu bewältigen sind.
Völlig unvoreingenommen und ohne Swissalpine-Erfahrung mache ich mich auf den Weg in die höchstgelegene Stadt Europas auf 1.560 Meter Höhe. Ich hab es tatsächlich nie geschafft, beim legendären Swissalpine an den Start zu gehen, obwohl ich es oft vorhatte. Umso mehr freue ich mich, dass es heuer endlich klappt und ich bei der Premiere der Davos X-Trails dabei sein kann.
Etwas sorgenvoll blicke ich am Sportzentrum Davos in den wolkenverhangenen Himmel. Nach vielen Sonnentagen erwischt uns ausgerechnet am Veranstaltungswochenende ein Tiefdruckgebiet. Als ich am Freitagnachmittag auf der Anlage ankomme, dürfen gerade die Kids ihre Runden im Stadion drehen. Sie brauchen sich um das Wetter noch keine Sorgen machen und haben ihren Spaß bei ihren Läufen.
Neben der Tartanbahn ist ein großes Veranstaltungszelt aufgebaut, wo wir unsere Startnummern abholen können. Im Starterbeutel befindet sich auch ein Faltbecher, der auf der Strecke mitzuführen ist, Getränke in Einwegbechern werden beim Lauf nicht mehr ausgeben. Ab 17 Uhr können wir im Zelt unseren Pasta-Party-Gutschein einlösen, während im Freien schon erste Tropfen vom Himmel fallen. Dazu findet insbesondere für die jüngeren Teilnehmer*innen ein Konzert statt und danach gibt es noch Magische Unterhaltung mit dem Zauberkünstler Tino Plaz. Der macht das ganz witzig und hat die Kinder und auch mich ganz schnell auf seiner Seite mit durchaus anspruchsvollen Illusionen.
Imponierend ist die riesige Großbildleinwand im Zielbereich, hier wird es während der Rennen Liveschaltungen von der Strecke für die Zuschauer geben. Momentan kann man gerade auf den Live-Bildern den aktuellen Teilnehmeraufmarsch beobachten. Als vielfacher Swissalpine-Finisher meint Eberhard, dass da schon ein gewaltiger Unterschied zu früher zu beobachten ist, wo das Stadion noch rappelvoll war und sich schon mal einige tausend Starter tummelten. Heute teilen sich die Anlage knapp 600 Diamond- und Gold-Starter*innen. Das neue OK-Team plant mit einem kontinuierlichen Wachstum. Zur X-Trails-Premiere summieren sich die Teilnehmerzahlen aller Läufe auf über 1650. Diese kommen aus 32 Nationen mit einer großen Fraktion aus Japan, wie eindrucksvoll zu sehen ist.
Wer sich zu einem Warm Up auf der im Sommer mit Kunstrasen überzogenen Natureislaufanlage berufen fühlt, kann sich kurz vor dem Start daran beteiligen. Das sind gar nicht mal so wenige. Andere wiederum bereiten sich mit anstrengenden Gymnastik-Übungen auf das Rennen vor.
Ich habe mich bei meinem Davos-Debüt für den Gold Run entschieden, die Cut Offs des Diamond Run nötigen mir ohne Streckenkenntnisse großen Respekt ab. Für den Gold Run beträgt das Zeitlimit 11:30 Stunden, das finde ich äußerst großzügig und sollte eigentlich kein Problem sein. Um 7.00 Uhr wird die Zeitmessung gestartet und ohne große Hektik setzt sich das Feld in Bewegung. Von oben rührt sich glücklicherweise noch nichts, aber die Wolken sehen recht bedrohlich aus.
Ich freue mich, dass kurzfristig noch Andreas nach Davos gekommen ist, wir werden sicherlich wieder ein ähnliches Tempo laufen und weitestgehend gemeinsam unterwegs sein. Wenn wir der Wettervorhersage seines Hoteliers Glauben schenken dürfen, können wir aber am Nachmittag durchaus noch mit Sonne rechnen. So recht vorstellen kann ich mir das beim Blick nach oben noch nicht. Aber ich bin wie immer positiv eingestellt. Wird schon werden.
Die Anfangskilometer führen uns über die Tal- und Mattstraße an den Ortsrand von Davos. Erstaunlich viele Zuschauer haben sich so früh schon eingefunden und feuern uns an. Nach einem Kilometer passieren wir bereitss die erste Getränkestelle. Schade, sie ist doch nur privat. Die edlen Rotweine sind wohl nur für die Zuschauergruppe bestimmt.
Nach genau 2,7 km verlassen wir das Asphaltband. Ein Schild zeigt an, dass noch genau 40 km vor den Gold-Startern liegen. Im Abstand von 5 Kilometern wird uns die noch zu absolvierende Distanz über die gesamte Streckenlänge angezeigt.
Mäßig steigend führt unsere Route hinein ins Dischmatal. Der Weg schlängelt sich meist neben dem Dischmabach durch das enge Hochtal, dem nördlichsten der Davoser Seitentäler, das sich nach Osten in Richtung Engadin erstreckt. Läuferisch ist das alles recht unspektakulär und gut zu laufen. Aber die zauberhafte Landschaft begeistert ungemein Leider fehlt uns etwas die Sicht zu den umliegenden 3000ern. Die Wolken hängen sehr tief im Tal.
An der Station Teufi (km 7) können wir erstmals Wasser aufnehmen, ansonsten wird noch nichts angeboten. Wer anderen Bedürfnissen nachgehen muss, für den sind am Streckenrand auch immer wieder mal Dixihäuschen aufgestellt worden. Manche befinden sich sogar in uriger Holzverkleidung.
Ganz allmählich gewinnen wir an Höhe. Nach der Wasserstelle wird der Weg deutlich schmaler und trailiger. Wenn wir dazu jetzt noch Sonne hätten… Aber es kommt genau andersrum, kurz vor Dürrboden fallen die ersten Regentropfen. Für die Schnelleren, die sich bereits auf dem Scalettapass befinden, fällt das Nass in Form von Schnee vom Himmel.
Nach 13,5 km erreichen wir in Dürrboden unseren zweiten Versorgungs-Posten. Vermutlich wetterbedingt hat das Alphornbläserpaar ihre Instrumente bereits zur Seite gelegt und erfreut die Nachhut nicht mehr mit ihren Künsten. Dafür können wir uns ausgiebig mit Alpkäse, Trockenfleisch und Brot beschäftigen.
Früher war der Dürrboden eine wichtige Station auf der Säumerroute Via Valtellina, die vom Montafon über Davos und den Scalettapass ins Engadin und weiter über den Berninapass ins Veltlin führte. Der Restaurantbetrieb heutzutage ist bedingt durch die hohe Lage auf 2011 m auf Mitte Juni bis etwa Mitte Oktober beschränkt. Das Gasthaus bietet einige Besonderheiten, insbesondere was die Energieversorgung anbelangt: Der Strom wird weitgehend autark durch eine eigene Wasserturbine produziert, der Gastraum mit einem Holzofen beheizt und das Frühstücksei im originellen Naturkäfig an der Hüttenwand selbst erzeugt, wovon wir uns am Wegesrand direkt überzeugen können. |