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Alle reden
wieder mal nur vom Wetter, angekündigt ist uns ein ziemlich nasskaltes
Wochenende. Aber ein Fünkchen Hoffnung besteht ja immer und ich
verbinde Paris irgendwie mit schönem Wetter. Zuerst müssen
wir aber erst einmal hinkommen, schon beim Security Check am Münchner
Flughafen muss Margot ihre ganzen Aufputschmittel auspacken, sie hat
sie sicherheitshalber im Handgepäck dabei. Aber ihr Aktivator
und alle anderen Pillen bekommen dann doch die Freigabe. Als unser
Flieger am Freitag in Paris landet, empfängt uns dann auch wunderbares
sonniges Frühlingswetter mit 14 Grad. Das wär doch genau
nach meinem Geschmack für den Marathon.
Unser erster Weg führt uns nach dem Beziehen der Hotelzimmer
gleich auf die Marathon Expo. Direkt an der Metro-Station "Porte
de Versailles" befinden sich die Pariser Messehallen, das ist
nicht schwer zu finden. Das Abholen der Startunterlagen wird im Erdgeschoß
erledigt und geht ruckzuck, Freitag Nachmittag ist hier wenig los
und alles in allem benötigen Margot, Karin, Jan, Hans und ich
vielleicht mal 10 Minuten. Sherin kommt aber erst später mit
einem Abendflug, sie musste heute noch zur Schule gehen.
Beim Paris Marathon darf man nur starten, wenn man eine ärztliche
Bescheinigung vorlegen kann. Das sind nur ein paar Zeilen und wenn
man seinem Arzt die Arbeit ersparen will, kann man den genauen Wortlaut
gleich von der Website des Marathon de Paris runterkopieren, ausdrucken
und seinem Doc vorlegen, der braucht nur mehr unterschreiben und einen
Stempel drauf machen. Ich habe es auf alle Fälle so gemacht,
natürlich nach der dem entsprechenden Untersuchung.
Zur Startnummer bekommen wir auch gleich noch einen kostenfreien schwarzen
Championchip mitgeliefert, der eigene Gelbe wird hier nicht anerkannt,
beim Zieleinlauf wird er einem dann wieder vom Schuh genommen. Im
Startgeld inbegriffen ist noch ein sehr schönes Baumwoll-Shirt
und jeder bekommt schon mal im vorab eine Wärmefolie für
den Startbereich. Na, wenn das mal kein schlechtes Omen ist.
Dann geht’s in den 1. Stock, hier haben die Sportartikel-Hersteller
und der offizielle Merchandising Abteilung von Reebok ihre Stände.
Wir schlendern gemütlich durch die Halle, aber ein bisschen enttäuscht
sind wir schon, Schnäppchen gibt’s hier kaum zu holen und
die Gratis-Kostproben für Essen und Trinken halten sich doch
sehr in Grenzen. Das habe ich auch schon anders erlebt.
Versöhnt werden wir dann aber doch noch mit einigen Gaumenfreuden,
zuerst verköstigt uns der Stand des "Marathon du Beaujolais
Nouveau" mit einem wunderbaren Tropfen seines roten Rebensaftes
Jahrgang 2007, nebenbei füllen wir noch einen Zettel aus, wo
man eine Teilnahme zu ihrem Marathon gewinnen kann. "Schau mer
mal", vielleicht hat ja einer Glück. Gleich ein paar Meter
weiter bleiben wir bei Yves hängen, er vertritt den "Marathon
du Vignoble D’Alsace" aus dem Elsass. Der „Weisse“,
den er uns anbietet, mundet uns auch recht gut. Auf deutsch erzählt
er uns ausführlich von seinem Marathon und der Strecke und würde
uns natürlich gerne dort als Teilnehmer sehen.
Bei der hochkarätigen Weinmarathon-Ansammlung darf natürlich
auch nicht der "Marathon du Médoc" fehlen, der ist
dann eine Ecke weiter und hier lassen wir uns wieder zu einem Gläschen
"Roten" überreden. „Also mir und Margot hat am
besten der Beaujolais geschmeckt, mmh ...obwohl der weiße Elsässer
war auch nicht schlecht“. Die Weinmarathons haben mit uns auf
alle Fälle wieder ein paar Freunde gewonnen, wir werden sicher
irgendwann einmal den einen oder anderen laufen.
Gut gelaunt verlassen wir die Hallen und begeben uns ein paar Meter
weiter in eine Pizzeria, die haben wir schon beim Hergehen ausgespäht.
Die meisten Gäste sitzen bei dem herrlichen Wetter noch draußen,
wir riskieren lieber nichts. Die "Italiener" sind zwar alle
Franzosen, trotzdem werden wir sehr freundlich bedient. War doch leichter
als wir im vorhinein gedacht hatten, an unsere Pasta zu kommen. "Sherinibini"
dirigieren wir vom Airport gleich direkt hier ins Lokal.
Am Samstag ist es aber vorbei mit der Wetter-Herrlichkeit, schon in
der Früh ist der Himmel wolkenverhangen. Gleich nach dem Frühstück
machen wir uns auf dem Weg zum Montmartre und Sacré Cœur.
Es hat doch leider genau so, wie vorausgesagt, ziemlich abgekühlt
und die ersten Regenschauer erwischen uns auch schon.
Nächste Station ist der Triumphbogen, wir wollen uns unbedingt
schon mal den Start- und Zielbereich anschauen und uns ein bisschen
orientieren. Von hier führen zwölf Straßen strahlenförmig
in alle Himmelsrichtungen, die breiteste und berühmteste davon,
die Avenue des Champs-Elysées ist für den Marathon Start
reserviert. Als Fußgänger gelangt man zum Arc de Triomphe
nur durch eine Unterführung, was Margot heute egal ist, sie steuert
schnurstracks geradeaus auf den Torbogen durch den ca. 6-spurigen
Kreisverkehr zu. "Ich bin schließlich in der Stadtmitte
aufgewachsen und weiss wie das geht", klärt sie uns auf.
Die genaue Anzahl der Fahrspuren kann man im Übrigen nur schätzen,
Straßenmarkierungen gibt’s hier nicht.
Unsere Sightseeintour führt weiter die Champs Elysees runter,
bis wir mal unsere Füße ein bisschen schonen und ein Stückchen
mit dem Bus fahren. Von der Seine gehen wir in den Innenhof der früheren
französischen Königsresidenz Louvre, heute steht in der
Mitte des Platzes eine gläserne Pyramide, sie ist der Eingang
zum weltberühmten Museum. Einen Besuch wollen wir unseren Beinchen
aber nicht zumuten, außer zu einer Pinkelpause. Über den
Jardin des Tuileries, dem ehemaligen Schlosspark wandern wir zum Place
de la Concorde, hier gibt’s schon mal ein schönes Stück
der Marathonstrecke anzuschauen. Margot hat genug gesehen und fährt
ins Hotel zurück, Karin hat sich schon etwas früher abgesetzt.
Speedy, Siggi, Sherin, Gabi und ich wollen noch was sehen und fahren
zum Hotel de Ville, dem Rathaus von Paris, anschließend laufen
wir noch bis zum futuristischen Kulturzentrum Centre Pompidou. Dann
reicht’s uns aber auch.
Zum Start am Sonntag fahren wir mit der Metro bis zur Haltestelle
Charles de Gaulle Étoile, die liegt direkt unterm Arc de Triomphe.
Probleme mit überfüllten Zügen oder sonstige Wartezeiten
gibt es nicht. Die Aufbewahrungsstellen für das Gepäck sind
ca. 600 – 800 m vom Start entfernt, nahe dem Ziel in der Avenue
Foch. Heute können wir den Kreisverkehr am Triumphbogen bequem
oben überqueren, es hat zwar den Anschein, dass er jetzt 1 ½
Stunden vor dem Start noch nicht für den Verkehr gesperrt ist,
aber die wenigen die noch fahren, haben es ganz schwer sich gegen
die Läuferhorden durchzusetzen. 35.000 Startplätze wurden
ausgegeben, letztendlich sind heute noch 29.706 übrig und am
Start. Im November waren die begehrten Tickets bereits alle vergriffen.
Auf dem Weg zur Kleiderabgabe werden hier an fast jeder Ecke Aufkleber
verteilt, womit gegen die Menschenrechtsverletzungen Chinas im Tibet
protestiert wird. Drauf steht: "Ich laufe, ohne auf Menschenrechten
herum zu trampeln", wir sollen das alle auf unsere Laufkleidungen
kleben, der Aufforderung kommen auch viele nach. Fast ganz unten am
Zieleinlauf liegen die Zelte zur Gepäckabgabe, die Abgabe ist
in 1000er Schritten nach Startnummern unterteilt. Obwohl wir nicht
sonderlich früh dran sind, gibt’s für keinen einzigen
irgendwelche Probleme mit Wartezeiten. Ich habe mir noch ein paar
alte Klamotten von zu Hause mitgebracht, die lasse ich noch an. Eigentlich
lagen sie schon für die Altkleidersammlung bereit, hier erfüllen
die noch mal wunderbar ihren Zweck und ich werde sie kurz vor dem
Start abwerfen. Die Morgentemperatur liegt bei ca. 3 Grad, aber wenigstens
ist es trocken. Margot wiederholte die Gepäckabgabe gleich dreimal,
jedes Mal hatte sie irgendwas vergessen, was der Mann an der Abgabe
aber immer wieder sehr freundlich und bereitwillig ausführt.
Im Start- und Zielgelände habe ich jetzt noch was ganz Tolles
entdeckt. Sieht aus wie eine kleine, ca. zwei Meter hohe Plastikpyramide
und ist aufgeteilt in 4 Bereiche. Es ist das Gegenstück zum Dixiklo,
ein Freiluftpissoir für den Mann. In der Höhe des Genitalbereich
ist eine Art Schüssel und der dazugehörige Abfluss. Links
und rechts stehen noch kleine Schamwände raus. Vier Mann können
sich hier, aus jeder Himmelsrichtung einer, vom Druck befreien. Da
kaum Andrang herrscht, im Gegensatz zu den Dixies, probiere ich es
gleich mal aus. Ich bin begeistert, das ist wirklich mal was Nützliches,
aber natürlich nur für uns Männlein eine tolle Erfindung.
Eine gute halbe Stunde vor dem Start machen wir uns auf in unsere
Startbereiche, jeder ist genau nach vorgegebener Bestzeit eingeteilt.
Hans und ich dürfen in den 3:30er Block. 15 Minuten haben wir
noch Zeit als wir uns hineinbegeben wollen, aber das ist gar nicht
so einfach, zwar ist der von hohen Stahlgitter abgetrennte Bereich
erst mäßig gefüllt, aber am Eingang drängeln
sich jetzt doch viele Gleichgesinnte, die den gleichen späten
Einlass bevorzugen. Kein Wunder, wenn man erst mal drin ist, kommt
man hier nur mehr schwer wieder raus, falls noch mal die Blase drückt.
Die Ordner kontrollieren wirklich streng, auf der Startnummer ist
bei jedem der farbige Bereich seiner Qualifikation angegeben. Wir
schaffen es aber doch rechtzeitig und drinnen geht’s ganz locker
zu.
Über uns kreist der Eurosport Hubschrauber, er wird
dem TV heute ganz tolle Luftaufnahmen für die Live Übertragung
bescheren. Pünktlich wird mit einem Knall gestartet, Musik oder
eine Nationalhymne werden hier nicht gespielt, wie ich es von den
großen Städtemarathons wie New York, Chicago, Hamburg oder
Wien gewohnt bin. Jetzt geht’s los mit der Sightseeingtour im
Laufschritt. Die ersten paar hundert Meter müssen wir uns aber
über unglaubliche Mengen von Müll bewegen, ich komme mir
vor wie auf einer Müllberg-Besteigung. Wer das wohl alles wieder
sauber macht?
Zwei Kilometer geht es jetzt erstmal leicht bergab die berühmte
Les Champs runter, wie sie umgangssprachlich genannt wird. Der Blick
hinunter auf diese Prachtstraße mit den Läufermassen ist
wirklich grandios. Ihren heutigen Namen trägt die Avenue des
Champs Elysées seit 1789. Er bedeutet "Elysische Felder"
und leitet sich ab von dem gesegneten Gefilde Elysion, wohin - laut
griechischer Mythologie – nur auserwählte Helden versetzt
werden, das passt doch auch zu uns Marathonis, oder? Nur drei Mal
im Jahr wird sie gesperrt, am 14. Juli, dem Nationalfeiertag, zur
Tour de France und am Marathonsonntag.
Hans und ich laufen ziemlich genau einen 5er Schnitt, schneller ist
eigentlich momentan in diesem Pulk nicht möglich. Mein Zeitziel
für heute ist um 3:25 oder zumindest die Boston-Quali und die
liegt für mich bei 3:35:59. Da müsste ich aber schon noch
etwas schneller angehen.
Nach 10 Minuten sind wir schon am Place de la Concorde, Zuschauer
stehen hier heute relativ wenige. In den Jahren 1793 – 95 war
das bestimmt ganz anders, da stand hier nämlich die Guillotine
und der Platz hieß noch Place de la Révolution. In den
zweieinhalb Jahren wurden 1119 Personen geköpft. Unter anderem
wurden hier König Ludwig XVI., Königin Marie Antoinette,
Danton und Robespierre öffentlich hingerichtet. Anstelle des
Schafotts steht heute der 3200 Jahre alte Obelisk von Luxor. Er war
ein Geschenk des 1833 regierenden ägyptischen Königs Muhammad
Ali Pascha an den französischen König Louis Philippe. Der
Transport von Ägypten nach Frankreich dauerte zwei Jahre. Ursprünglich
errichten ließ ihn Pharao Ramses II. im antiken Theben.
Die Runde um den ovalen Platz ist bestimmt 300 m lang. Wer jetzt genau
in der Mitte vor dem Obelisk stehen bleibt, am Obelisk vorbei über
die Champs Elyseés durch den Arc de Triomphe durchvisiert,
hat einen spektakulären Blick auf den neuen Triumphbogen, die
La Grand Arche, ein supermodernes 110 m hohes Bauwerk. Diese einzigartige
Sichtachse nennt sich "Axe historique" und die Gerade reicht
vom Arc de Triomphe du Carrousel vor dem Louvre, hier über den
Place de la Concorde bis zur Grande Arche. Der Architekt dieses ausgehöhlten
Kubus hat dessen Öffnung als Fenster in das 3. Jahrtausend bezeichnet.
Ich habe es mir natürlich schon am Vortag ganz genau angeschaut,
weil ich während des Rennens keine Zeit habe den beeindruckenden
Blick zu genießen.
Nach einer Rechtskurve biegen wir in die noble Rue de Rivoli ein,
rechterhand liegt der Jardin des Tuileries, ein im französischen
Stil gehaltener ehemaliger Schlosspark, die Königinnen und Gespielinnen
werden hier früher lustgewandelt sein, so wie wir es auf der
Laufstrecke tun. Am Ende des Parks schließt sich die frühere
französische Königsresidenz Louvre an. Die Pyramide, den
Eingang des heutigen Museums kann man von der Laufstrecke aus aber
nicht sehen. Dafür aber wenig später umso besser das Hotel
de Ville. Nach ca. 5 km liegt es auf der rechten Seite. Hôtel
de Ville ist der französische Begriff für Rathaus. Dieses
hier ist das am Ende des 19. Jahrhunderts im neoklassizistische Stil
errichtet worden und das größte Europas. Der Vorplatz war
in den vergangenen Jahrhunderten berüchtigt für seine öffentlichen
Hinrichtungen. Galgen, Pranger und Richtblock standen hier, während
der Revolution auch eine Guillotine.
So richtig frei laufen kann man auf dieser relativ engen Straße
nicht. Hans ist es jetzt zu langsam, er setzt rechts auf dem Bürgersteig
zum Überholen und einer damit verbundenen Tempoverschärfung
an, ich versuche erstmal an ihm einigermaßen dranzubleiben.
Bei km 6 geht es halb um den Kreisverkehr am Place de la Bastille,
gut besucht ist der Platz heute, wir werden tatkräftig angefeuert.
Früher war hier der Standort der Bastille, einer Bastion, deren
Erstürmung 1789 den Ausbruch der Französischen Revolution
bedeutete. 1790 wurde sie aber dem Erdboden gleichgemacht. In der
Mitte des Platzes steht die Julisäule, auf der Spitze kann ich
eine weit leuchtende blattvergoldete Figur sehen, sie soll den Geist
der Freiheit darstellen.
Auf der Laufstrecke würde ich mir auch mehr Freiheit wünschen,
dicht gedrängt bewegen wir uns alle vorwärts, ich hab’s
jetzt aufgegeben Hans zu folgen, die Überholvorgänge über
das Trottoir sind mir einfach zu anstrengend, außerdem sind
Teile der Straße hier des Öfteren mit ca. 80 cm hohen Betonpollern
abgetrennt, da muss man schon sehr aufpassen um bei der Dichte der
Läufer nicht mal einen zu übersehen und hängen zu bleiben,
das wäre bestimmt nicht so angenehm. Die nächste halbe Kreisverkehr-Umrundung
kommt bei km 8, am Place de la Nation. Jetzt haben wir schon viel
gesehen, was einen lohnenswerten Stopp beinhaltet hätte. Insgesamt
waren bis hier schon einiges an Zuschauern an den Straßen, aber
es hätte schon noch mehr vertragen.
Sehr ruhig wird’s ab km 10, wir laufen jetzt in den Bois de
Vincennes ein, der Wald von Vincennes war früher ein beliebtes
Jagdgebiet von Ludwig VII. Er wurde, wie so vieles in Paris, im 19.
Jahrhundert umgestaltet. Diente er vorher vornehmlich militärischen
Zwecken, ist er seither ein beliebtes Naherholungsgebiet für
die Pariser Bevölkerung. Gleich zu Anfang kann ich auf der rechten
Seite einen ganz ungewöhnlichen Felsen sehen, richtig grau und
hoch ragt er spitz in den Himmel, irgendwie sieht er für mich
recht künstlich aus …aber nee, Disneyland Paris liegt doch
wo ganz anders. Ich muss auf alle Fälle immer wieder hoch schauen.
2 km weiter passieren wir das Schloss Vincennes, schon von weitem
kann man seinen 50 m hohen Wohnturm ausmachen, es ist neben dem Louvre
eines der bedeutendsten Schlösser in der Geschichte Frankreichs
und gilt als das höchste befestigte Gebäude Europas aus
dem Mittelalter. Der eigentliche Schlossbezirk ist eine rechteckige
Anlage, die von einer 1.200 m langen Mauer mit neun Türmen und
einem breiten Wassergraben umgeben ist. Sieht toll aus, ganz anders
als die Gebäude an denen wir heute schon vorbei gekommen sind.
Bis fast zur Halbmarathonmarke tut sich jetzt wenig, wir laufen insgesamt
ca. 11 km durch diese grüne Lunge mit wenig Publikum, aber mal
ein bisschen Erholung vom vielen Schauen schadet auch nichts, mich
stört’s auf alle Fälle weniger. Dann kommt es dafür
deutlich heftiger. Kurz vorm Halbmarathon laufen wir wieder in die
Stadt ein und jetzt sind hier richtig viele Leute an den Straßen.
Ganz eng, durch ein richtiges Spalier von Menschen geht es, da kommt
schon ein bisschen Gänsehaut-Feeling auf. Am Straßenrand
kann ich Gabi und Siggi ausmachen, sie wechseln per Metro öfters
ihre Position um uns abzulichten, dafür habe ich heute die Kamera
nicht am Mann, da ich ja auf Zeit laufe. An diesen Abschnitten bedarf
es ziemlicher Konzentration, sein eigenes Lauftempo kann man nur sehr
schwer laufen, immer wieder wird man spürbar heruntergebremst.
Und dann passiert’s doch, von hinten stellt mir einer ein Bein
und ich schlage einen wunderbaren Salto ins Läuferfeld hinein.
Der Blick von unten in hunderte von Läuferbeinen ist ziemlich
aufregend, das wäre ein tolles Foto gewesen. Mir passiert bis
auf ein paar Schürfungen und einer kleinen Prellung an der Hüfte
relativ wenig, durch meine frühere Karriere als Fussballtorwart
ist das Abrollen für mich in Fleisch und Blut übergegangen.
Dem Verursacher des Sturzes ist das alles ziemlich peinlich, er entschuldigt
sich mehrmals. Das kann schon mal passieren, macht ja keiner mit Absicht.
Ich kann wieder ohne große Pause Tempo aufnehmen und problemlos
weiterlaufen.
Richtig voll ist es am Straßenrand und auch stimmungsmäßig
sind die 10 km ab HM-Marke doch deutlich der schönste Abschnitt.
Am Boulevard Henri IV bei km 24,5 steht die La Garde Rèpublicaine,
eine Kapelle in tollen Blau-Roten Uniformen, als ich vorbei komme,
spielen sie gerade den Triumphzug aus Aida, ich bin absolut begeistert
wie sie das spielen, bisher habe ich auf Marathons noch nichts besseres
gehört, das versetzt mich in ein richtiges Hoch und beflügelt
mich richtig. Ich kann sie bestimmt zweihundert Meter hören,
so spielen sie auf. Ca. 100 m vor mir kann ich jetzt auch wieder den
3:30 Pacer ausmachen, den Kontakt hatte ich bei meiner Sturzeinlage
verloren, dennoch bin ich eigentlich schon um einiges hinter meinem
mir vorrangig gesteckten Zeitziel zurück und mir ist schon klar,
dass heute allerhöchstens die Boston-Quali-Time drin ist.
Bei km 25 passieren wir wieder ganz seitlich den Place de la Bastille
und dann geht’s runter an die Seine. Am Ufer hat man jetzt einen
ersten wunderbaren Ausblick auf den Eiffelturm, freilich ein paar
Kilometer ist er schon noch weg. Nach ca. 26 km laufen wir eine Rampe
hinunter direkt an die Uferstraße "Voie Georges Pompidou",
die liegt nur wenig über dem Wasserspiegel. Mir gefällt
das super, einen tollen Ausblick hat man links rüber auf die
Île de la Cité, eine Binneninsel in der Seine die zugleich
der älteste Teil der französischen Hauptstadt ist. Sie vergrößerte
sich im Laufe der Jahrhunderte von ursprünglich 8 auf 17 Hektar
und ist durch neun Brücken mit den beiden Seineufern, sowie mit
ihrer Nachbarinsel Île Saint-Louis verbunden. Dort ist auch
der Standort der Notre Dame de Paris, die charakteristischen abgeschnittenen
Türme kann man gut erkennen.
Und dann geht`s rein in einen ersten ca. 1 km langen Tunnel, der ist
auch zugleich der längste und liegt genau entlang der Tuilerien.
Die Läufer machen untereinander selbst ein bisschen Stimmung.
Richtig dampfig und warm ist es hier herinnen, ich habe mich am Start
ja für langärmlig entschieden, aber im Verlauf des Rennens
hätte ich mir schon immer wieder das Kurzarmshirt gewünscht,
bis jetzt haben wir mit dem Wetter sehr viel Glück gehabt, immer
wieder spitzt mal leicht die Sonne durch und erwärmt das Ganze,
freilich unter Frühling verstehe ich was anderes. Insgesamt 8
km laufen wir direkt an der Seine entlang mit drei zu durchlaufenden
Tunnels.
Wir sind jetzt auf der Avenue de New York und nach einer leichten
Linksbiegung steht er vor uns. Groß und mächtig –
der "La Tour Eiffel" – das Wahrzeichen von Paris und
Symbol für ganz Frankreich. Er wurde in den Jahren 1887 bis 1889
anlässlich des hundert jährigen Jubiläums der französischen
Revolution erbaut. Er ist 300 Meter hoch und stieß zunächst
auf Widerstand in der Pariser Bevölkerung, die ihn für einen
Schandfleck hielt. Empörte Künstler nannten ihn "tragische
Straßenlaterne" und empfanden den "düsteren Fabrikschornstein"
als Entehrung der Stadt. Ursprünglich hatte Gustave Eiffel nur
die Genehmigung, den Turm für zwanzig Jahre stehen zu lassen,
darum sollte er im Jahre 1909 wieder abgerissen werden. Als er sich
aufgrund seiner Höhe jedoch als wertvoll für die Kommunikation
herausstellte und die ersten transatlantischen Funkverbindungen des
neuen Jahrhunderts ermöglichte, durfte er weiterhin stehen bleiben
und so dürfen wir ihn auch heute noch genießen.
Nach ca. 33 km verlassen wir die Seine und laufen zum Zugang des zweiten
großen Stadtparks, dem Bois de Boulogne. Zuschauer sind jetzt
wieder deutlich weniger geworden und von Stimmung ist nichts mehr
zu spüren, viele Läufer kämpfen schon ziemlich mit
sich selbst und könnten wahrscheinlich etwas Anfeuerung brauchen.
Mir geht’s noch ganz gut und freue mit auf die Tennisstadien
von Roland Garros. Wir erreichen sie bei km 35, da ich ja auch noch
aktiver Tennisspieler bin und es als Zuschauer noch nie bis hierher
geschafft habe, schaue ich mir alles ganz genau an, die außen
liegenden roten Sandplätze sind doch deutlich heller wie die
bei uns zu Hause fällt mir auf, mir macht das Appetit für
die bald beginnende Tennissaison. Das ganze Areal gilt es zu umrunden,
bevor es in die gefährlichen Wälder geht.
Der Bois de Boulogne hatte seit je einen ziemlich schlechten Ruf.
Fahrende, Straffällige, von der Justiz Verfolgte und andere zwielichte
Elemente versteckten sich früher hier in den Wäldern. Während
des Absolutismus gaben sich hier die französischen "gentilhommes"
frühmorgens Duelle mit Degen oder Pistolen. Heute duellieren
sich höchsten noch ein paar Marathonläufer auf ihren letzten
Kilometern, obwohl ich glaube, die meisten werden froh sein, wenn
sie das Ziel unspektakulär erreichen.
Meine Zeittabelle sagt mir, dass ich jetzt bei diesem Tempo knapp
die 3:35 verfehlen werde, da ich auch nicht die Kraft habe um noch
mal richtig zu forcieren, verzichte ich auf eine Tempoverschärfung.
Bei km 36,5 kann ich dafür ganz links am Rand den Stand des "Marathon
du Beaujolais Nouveau" erkennen, die kenne ich schon von der
Expo, ich lasse mich jetzt hinreißen und genehmige mir ein Schlückchen
von dem edlen Tropfen. Der Nachschub war im übrigen mit einem
Fass auf der Marathonstrecke unterwegs.
Der Park nimmt irgendwie kein Ende, da habe ich mir das Streckenbild
wohl nicht richtig angeschaut, eigentlich dachte ich, wir erreichen
die Avenue Foch viel früher und haben beim Zieleinlauf noch den
Triumphbogen ein längeres Stück vor Augen. Das Läuferfeld
hat sich jetzt tatsächlich doch noch weit auseinander geschoben,
das nützt mir aber leider zu diesem Zeitpunkt nichts mehr. Bei
km 40 werden vom Sponsor Reebok noch rosafarbene Schildmützen
verteilt, ich bin leider ganz weit in der Mitte dieser Straße
und verpasse es, eine meiner Frau mitzubringen. Schade, sie hätte
sich bestimmt sehr gefreut. Jetzt fallen auch noch tatsächlich
aus einer Wolke ein paar Tropfen vom Himmel, es sind aber so wenig,
die spürt man kaum.
Bei km 42 verlassen wir den Park und es geht’s über einen
Kreisverkehr in die Avenue Foch rein, da habe ich genau noch 200 Meter
Zieleinlauf mit dem Arc de Triomphe vor Augen. Bei 3:37 und noch was
bleibt die Uhr stehen, das bedeutet für mich klipp und klar:
alle Ziele verpasst, aber trotzdem bin ich glücklich im Ziel
und freue mich über den wirklich tollen Marathon und die sehr
schöne Medaille. Gleich rechts nach dem Zielbogen kann ich das
Zelt der Dopingkontolle sehen, nach den Desastern mit den Radlern
scheint man dieses Thema hier in Frankreich ziemlich ernst zu nehmen,
ob freilich auch Amateure wie ich kontrolliert wurden, weis ich nicht,
mein "Weinderl" hätte aber auch bestimmt nicht angeschlagen.
Hier gibt es auch gleich für jeden einen Regenponcho mit Kapuze,
das ist auch einmal was ganz anderes als die für gewöhnlich
ausgehändigten Wärmefolien, wunderbar warm hält er
und wiederverwenden kann man ihn auch für den nächsten Marathon.
Hans passierte das Ziel mit 3:23, so hätte ich mir das eigentlich
für mich vorgestellt. Sherin kommt kurz nach mir mit 3:48 ins
Ziel und belegt damit in ihrer Altersklasse den 6. Platz, tolle Leistung
wenn man bedenkt, mit wie wenig Training sie diese Zeit läuft.
Jan ist auch gleich dahinter mit 3:52 und Karin kommt mit 4:19 auch
gut ins Ziel. Auf Margot warten wir noch ein bisschen, sie hat sich
etwas Zeit genommen um ja nichts von Paris zu verpassen. Bei der Kleiderabholung,
die im übrigen wieder reibungslos und ohne großes Anstehen
abläuft, kann sich der Ordner wieder an Margot erinnern, freut
sich mit ihr und gratuliert recht herzlich. Danach gingen Karin und
Margot zur Massage, 30 Minuten Anstehen lohnten sich, ein Arzt begutachtete
auch gleich noch die Zehen und verarztete die Blasen, das gibt’s
auch nicht überall.
An dieser Stelle möchte ich noch mit einigen Vorurteilen gegenüber
der Franzosen aufräumen, sie seien unfreundlich und die Kommunikation
klappt nur sehr schwer. Wir können das in den 4 Tagen Aufenthalt
absolut nicht bestätigen, ganz im Gegenteil, wir sind nur auf
sehr freundliche und aufgeschlossene Einheimische gestoßen und
hatten überhaupt keine sprachlichen Probleme. Mit einem Mix aus
Französisch, Englisch und Deutsch kamen wir überall problemlos
durch.
Insgesamt sollen 200.000 Zuschauer an den Straßen gestanden
haben, bis auf die Kilometer 21 – 30 könnten es aber ruhig
noch ein paar mehr sein, aber trotzdem kann ich jedem diese Stadt
und den Marathon ruhigen Gewissens weiterempfehlen, für einen
Lauf auf Bestzeit ist er aber aufgrund seiner Streckenenge vielleicht
nicht ganz geeignet. Über 70 Musikgruppen und Entertainer unterhielten
uns gut an der Strecke und das Wetter war auch noch ganz passabel,
nach unseren Zieleinläufen kam sogar noch für zwei Stunden
richtig die Sonne raus und machte uns den Aufenthalt im Zielbereich
bei 10 Grad recht angenehm.
Am späten Nachmittag besuchten wir noch den La Grande Arche im
Stadtviertel La Defense, ihr erinnert euch, das ist der moderne Triumphbogen
und das derzeitige Ende der "Axe historique", mit dem Blick,
den ich euch vom Place de la Concorde empfohlen habe. Sollte man bei
einer Paris Besichtigung unbedingt auch einplanen, ist freilich was
ganz anderes als das alte Paris. Heute wurde es für uns aber
dann doch noch recht grauslig, es fing nämlich an zu schneien
und der Wind pfiff grausam durch die supermodernen glatten Hochhäuser.
Soviel zum Thema: Frühling in Paris. |
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Margot beim Security
Check,
das ging gerade nochmal gut. |
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Bei Ankunft war
es noch Frühlingshaft. |
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Marathon Expo |
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Yves spendierte
uns einen "Weissen Elsässer". |
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Gabi fand alles
zu eng. |
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Beim "Italiener"
wurden wir gut bedient. |
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Die Red Bull Mädels
spendierten
jeden eine Dose. |
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Sacre Coeur |
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Margot kaufte
sich diesen "super" Hut
als Regenschutz :-) |
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Eingang zum Museum
im Louvre. |
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Die "Axe
historique" vom
Arc de Triomphe du Carrousel. |
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Schlosspark Jardin
des Tuileries |
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Bei 3 Grad mussten
wir uns noch gut warmhalten. |
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Randvoll ist der
Startbereich am Triumphbogen... |
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...und so sieht's
aus wenn alle weg sind. |
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Gegen die Menschenrechtsverletzungen
China's
gegen den Tibet wurde viel protestiert. |
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30.000 Läufer
auf der
Avenue de Champs Elysées. |
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Kreisverkehr am
Place de la Concorde. |
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Obelisk und "Axe
historic". |
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Brunnen am Place
de la Concorde,
rechts geht's in die Rue de Rivoli. |
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Rue de Rivoli |
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Hotel de Ville
– Rathaus von Paris |
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Speedy an der
Bastille... |
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...verfolgt von
Bernie. |
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Julisäule
am Place de la Bastille. |
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Chateau de Vincennes |
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Ob er es wohl
bis ins Ziel geschafft hat? |
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Musikgruppe im
Bois de Vincennes. |
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Karin bei Km 21... |
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...gefolgt von
Margot. |
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La Garde Rèpublicaine
spielten gigantisch auf. |
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Der Kapellmeister
der La Garde Rèpublicaine. |
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An der Seine. |
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Uferstraße
Voie Georges Pompidou |
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Endlich raus aus
dem Tunnel. |
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Seinebrücke. |
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Notre Dame de
Paris auf der Île de la Cité. |
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Bei Km 30 stand
er direkt neben uns. |
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Blick auf die
Marathonstrecke mit Eiffelturm. |
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Der Beaujolais
Nachschub rollt an. |
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Bernie endlich
im Ziel. |
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Sherin holt den
6. Platz in ihrer AK. |
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Jan im Ziel. |
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La Grande Arche |
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