Unbedingt noch in diesem Jahr will ich meinen 25. Marathon laufen und entscheide mich für eine Schweizer Spezialtät. Dort findet zum 78. Mal der Militärwettmarsch in Frauenfeld statt und seit 13 Jahren sind dort auch "normale Läufer" beim Marathon und Halbmarathon zugelassen. Ist bestimmt was Besonderes, so ein Militärlauf. Und das ist er auch: besonders anstrengend!
Otto und Jan fahren mit mir um 5 Uhr morgens 2 1/2 Stunden durch den herbstlichen Nebel in die Schweiz. Nicht wirklich ausgeruht kommen wir mitten in Frauenfeld an der Kaserne an, in der wir uns zum Lauf umziehen und vorbereiten. Da ja noch Zeit bis zum Start am Marktplatz ist, ordern wir Kaffee und Käsebrot und genehmigen uns ein zweites (bei mir schon das dritte) Frühstück in der doch etwas renovier-bedürftigen Kantine. Immer mehr Soldaten/innen treffen ein und machen sich für den Lauf bereit. In Tarnkleidung und Bewaffnung stehen sie dann im Kasernenhof in Reih und Glied bereit um im Geleit der Militärkapelle zum Start zu marschieren.
Na gut. Wir wollen auch los und dann checken wir es erst, wir sind eine Stunde zu früh dran. Unser Start ist erst um 10:30 Uhr! O.k. zurück zur Kantine und wieder Kaffee.
Endlich ist es so weit und wir treffen am Start ein. Das Startbanner ist zwischen zwei Verkehrsschildern aufgespannt mit einer Startlinie aus Sägespänen, quer über den Marktplatz und ohne Zeitmessmatte. Also Bruttozeit für alle. Deswegen wohl die 100 Meter breite Startlinie. So ist das hier. Dann der Startschuss. Mir haut's fast das Ohrenschmalz raus. So einen Kanonen-schuss habe ich noch nie gehört!
Mit etwas Sonne und einigen Hoch-nebelschwaden bei 3 Grad geht es los um nach 500 Metern schon die erste Steigung in Angriff zu nehmen. Geht ja schon gut los denke ich mir. Nach ca. 1,5 km bergauf verlassen wir Frauenfeld in Richtung Matzingen. Aber schon wieder sehe ich den nächsten Anstieg. Bestimmt 15 % Steigung! Bin aber nicht bescheuert und aus Erfahrung, die ich inzwischen gesammelt habe, gehe ich hoch, um meine Körner zu sparen. Wer weiß, was da noch kommt. Und da kommt noch einiges!
Über Teerstraßen, Feld- und Waldwegen und etlichen Buckel die nicht ohne sind, erreiche ich nach 2 Stunden die Ortschaft Wil. Viele Militärläufer, die ja vor uns losgelaufen sind habe ich schon überholt und bin stolz auf mich.
In Wil ist um 12:30 Uhr Start für die Halb-marathonis. Wir "Vollmarathonis" werden durch den Startbereich des HM geschleust und euphorisch vom Publikum beklatscht. Aber wirklich frisch schau ich, glaube ich, nicht mehr aus. Ich bin keine 300 Meter weiter, da höre ich den Startschuss des HM hinter mir und werde kurz darauf fast von den 1400 Startern umgerannt. Die haben natürlich volle Power und freuen sich mich zu frustrieren. Ich komme mir vor wie einer, der rumsteht und nicht mehr weiter kann. Aber nicht mit mir! Sind ja "nur" noch 21 km.
Weiter geht es Berg auf, Berg ab durch die Natur und kleinen Ortschaften in denen mir die prächtigen Häuser und Bungalows enorm ins Auge stechen. Die müssen Kohle haben die Schweizer!
Dann muss ich feststellen, dass meine Kräfte drastisch nachlassen. Zwei Gels und ein Powerdrink sind bei km 36 aufgebraucht und so nehme ich bei der nächsten Getränkestation nicht nur Rivella-Limonade, sondern auch einen Becher heiße Suppe zu mir. Tut echt gut.
Ich quäle mich den letzten Kilometer bergab zum Ziel. Hier geht es ganz schön runter. Mein linker großer Zeh durchbohrt doch glatt meinen Laufschuh. Überlege mir, ob Otto und Jan im Ziel schon auf mich warten? Oder leiden die noch auf der Strecke?
Ziemlich platt überquere ich die Ziellinie und werde von einem Soldaten mit einem Gerät wie im Supermarkt gescannt. Wo sind die Helfer mit den Finishermedaillen? Keiner da, nix!
Am Getränkestand schütte ich mir Limo und Tee in die Gurgel, so erhole ich mich in ca. 15 Minuten. Dann finde ich doch noch den Stand mit den Finishergeschenken. Wahlweise ein Glas Honig (!) oder eine Medaille zum Anstecken (ohne Band zum Umhängen) werden angeboten. Ich nehme mir das Medaillchen und schon kommt Jan von hinten. Hurra, geschafft! Bald kommt auch Otto an, umgehend geht's zum Duschen. Dort müssen wir feststellen, dass wir unsere geschundenen Körper nur mit kaltem Wasser reinigen können. Jetzt schnell das Duschgel abbrausen. Aber wie jeder weiß geht "schnell" nix mehr nach einem Marathon, außer das bibbern vor Kälte. Also immer mit der Ruhe. Hauptsache den 25. im Sack!
So quälen wir uns frierend in die trockenen Klamotten und machen uns auf den Heimweg.
In Memmingen kehren wir noch beim Italiener ein und knallen uns mit Salat, Brusccetta, Pizzabrot und Nudeln voll. Gegen 20 Uhr sind wir wieder in Augsburg und blicken auf einen langen, anstrengenden und doch lustigen Marathonausflug zurück und sind stolz auf uns! |