Marathon-Start
Am
Sonntag um 8. 30 war Abfahrt zum Marathon-Start, die U-Bahn war
prall gefüllt, wer hier vor der Donaubrücke raus wollte,
musste schon ziemlich die Ellbogen einsetzten. Die Reichsbrücke
über die Donau und die Donauinsel vor den Hochhäusern
der UNO-City war das Startgelände. »Fast wie in New York«
könnte man als weit gereister vergleichen. Das Wetter war ideal:
etwas kühl, kleine Wolkenlücken, laut Vorhersage sollten
es maximal um die 17 Grad werden und es sollte trocken bleiben.
Die Kleiderbeutel wurden in LKW's deponiert und der Sprecher forderte
uns Läuferinnen und Läufer auf, die markierten Startblöcke
einzunehmen. Aber Otto musste 25 min vor Start unbedingt noch einmal
ein Dixie aufsuchen. Zusammen mit Jan suchte er das »Örtchen«
auf. Noch 10 Minuten zum Start und die beiden waren immer noch nicht
zurück, wir wurden langsam ungeduldig. Otto schaffte es dann
doch noch, er hatte Jan verloren und fast nicht mehr zum Treffpunkt
zurück gefunden. Zu allem Übel waren an den Toiletten
noch lange Schlangen, so dass er unverrichteter Dinge wieder zurückkehrte.
Glücklicherweise klärte uns Hans (oder war es Gerhard?)
schon am Vorabend auf, wie die Profis das machen: einfach laufen
lassen, wird halt ein bisserl warm. Gerhard wollte jetzt doch nicht
mit mir die »3:29« versuchen zu knacken, so machte ich
mich alleine auf, im blauen Startblock nach Martin zu suchen. Was
überhaupt kein Problem war, da er mit seinem bayerischen Rautendress
und dem Bierhut von der »Wiesn« nicht zu übersehen
war. Otto, Tani und Gerhard starteten gemeinsam einen Startblock
hinter uns. Hans und Margot waren in anderen Startblöcken eingeteilt,
Jan sah ich nicht mehr vor dem Start. Grete Laska, Vize-Bürgermeisterin
und Stadträtin für Sport, sprach die Grußworte,
dann wurde noch der »Song of Joy« gespielt, da hatte
ich schon ein bißchen Gänsehaut, und los gings. Unter
dem Riesenjubel der Aktiven und der vielen Zuschauer setzte sich
das Läuferfeld in Richtung Praterstern in Bewegung. Bis zur
Startlinie benötigten wir noch ungefähr 2 Minuten.
23.961 Läufer in den verschiedenen Bewerben des Vienna City
Marathons waren am Start. Für den Marathon waren es 6.825 Teilnehmer
aus 87 Nationen, 1.138 davon waren Deutsche, sie stellten wieder
das stärkste Ausländerkontingent. Es hatte 12°C am
Start, leichten Wind und zeitweise direkte Sonneneinstrahlung.
Nach 2 Km trafen Martin und ich auf eine Gruppe »Pizzabäcker«,
die mit einem Pizzablech in der Hand durch die Straßen jonglierten.
»Pizza, Pizza« hallt es durch die Straßen und
Martin stimmte mit seinem Bierhut gleich mit ein: »Bier, Bier«,
da kam gleich Riesenstimmung unter Zuschauern und Läufern auf.
Nach ungefähr 2,5 Kilometern gings links auf die Hauptallee.
Vor uns sahen wir das 1896/97 errichtete Riesenrad mit den 30 Gondeln,
das man 1916 wieder abreißen wollte. Aus Geld- mangel ist
es dazu nicht gekommen, und so dreht sich das fast 65 Meter hohe
Rad noch heute und ist eines der Wahrzeichen der österreichischen
Haupt- stadt. Hier standen viele Menschen und feuerten uns an. Immer
wieder wurde Martin heute im Ur-Wienerisch mit »Baiijon, Baiijon«,
gemeint war Bayern, angefeuert.
Nach den ersten Kilometern war jetzt teilweise schon richtig warm
und schwül, Martin warf seine Handschuhe weg und kämpfte
auch damit, das gleiche mit seinem Hut zu machen.
Wir liefen links über den Donaukanal und am Schwedenplatz noch
einmal links auf den Franz-Josefs-Kai und kamen so auf den Stuben-Ring.
Links konnte man das riesige Gebäude, in dem das Wirtschaftsministerium
unterbracht ist sehen und kurz darauf wurden wir am Schubertring
erstmals mit klassischer Musik empfangen. Wir kamen zur Oper und
sahen jenen historischen Teil, der vom ursprünglichen Bau von
1869 erhalten geblieben ist. Dann liefen wir links in die Operngasse
und kamen so auf die Linke Wienzeile. Vereinzelt feuerten uns ein
paar Fans an, ansonsten war es ruhig auf diesem Streckenabschnitt.
»Schau a Zauberer« konnten wir mal vernehmen, womit
Martin gemeint war. Jetzt wissen wir auch, dass in Wien die Zauberer
wohl bayerische Kostüme tragen. An der Verpfle- gungsstelle
bei Kilometer 15 gab es zu Wasser und Powerade, jetzt auch Bananen.
Dann kam einer der Höhepunkte der Strecke: Schloss Schönbrunn
der Sommer- sitz von Kaiserin Maria Theresia. Über 6 Millionen
Menschen kommen jedes Jahr hier her, um das Schloss und den Park
zu besichtigen. 190 der insgesamt 1.441 Räume des Schlosses
sind als Wohnungen an Privatpersonen vermietet.
Wir liefen weiter durch die Mariahilfer Straße, kamen am Westbahnhof
mit Blick auf unser Hotel vorbei. Martins Eltern stand en auch an
der Mariahilfer Straße und konnten so Petra vor dem dehydrieren
bewahren, da im hinteren Läuferfeld kaum mehr Wasser für
die Läufer zur Verfügung stand. Am Museums-Quartier gings
vorbei zum Burg- ring, wo es für die »Halben« rechts
ins Ziel auf den Heldenplatz ging. Dort herrscht eine Riesenstimmung
und Hochspannung, denn bald sollte hier der Marathonsieger einlaufen.
Nach der Zeitnahme für die Halbdistanz standen weitere Sehenswürdigkeiten
auf dem Programm. Zuerst kam das 1874 – 1883 als Sitz des
Reichsrates erbaute Parlamentsgebäude mit der Statue Pallas
Athene, der griechischen Göttin der Weis- heit. Gleich darauf
folgte rechts das Burgtheater. »Speedy« Hans ging mit
der irrsinnigen Halbmarathon-Zwischenzeit von 1:33 durch. Später
musste er aber dafür doch noch büßen.
Halbzeit
Wir überquerten den Donaukanal über
die Friedensbrücke und kamen auf die Obere und später
auf die Untere Donaustraße. Auf der anderen Seite des Donaukanals
konnte man den markanten Ziegelbau der 1848 errichteten Roßauer-Kaserne
mit den zin- nengekrönten Ecktürmen, die einst bis zu
4.000 Soldaten und an die 400 Pferden Unterkunft bot, sehen.
Bei km 26 trafen wir dann auf »unsere Fangruppe«. Ernst,
Hilde und Hans hatten sich hier mit ihrer Fliegersirene vom 2. Weltkrieg
aufgebaut, beinahe hätten sie eine handfeste Rauferei ausgelöst,
da sich wohl ein Wiener in der Ruhe gestört fühlte.
Bei km 27 waren wir wieder auf der Schüttelstraße, die
wir später ein drittes Mal durchliefen. Aus der Gegenrichtung
kamen die Läuferinnen und Läufer, die hier ungefähr
11 Kilometer vor uns lagen. Auf der Stecke herrschte Hochbetrieb
und die vielen Zuschauer wurden live und übers Radio bestens
unterhalten. Nach der Getränkestation bei km 28 konnte ich
Martin nicht mehr folgen. Bis hier hat er mich im perfekten »4:55-Schnitt«
gezogen. Jetzt musste ich aber doch etwas langsamer machen. Mir
war schon jetzt klar, dass ich die 3:29 nicht mehr laufen würde.
Kurz darauf kam mir die Österreicherin Susi Pumper entgegen,
die mit dem 4. Platz knapp das Stockerl verpasste. Die Zu- schauer
jubelten ihr trotzdem begeistert zu!
Im Prater
Bei Kilometer 30 ist man wieder im Prater,
dort überquerte man die Hauptallee. Beim Ernst-Happel-Stadion,
irgendwie hab ich es gar nicht mehr gesehen, gab es einen Wendepunkt
und anschließend lief man gut zwei Kilometer auf der Hauptallee
bis zum 1781 bis 1783 erbauten Lusthaus. Wir umrundeten das Lusthaus
und liefen auf gleichem Weg zurück. Auf diesem Streckenabschnitt
sollte Mozart mit seinen genialen Kompositionen den Läuferinnen
und Läufern Beine machen. Aus zahlreichen Lautsprechern ertönte
seine Musik. Margot wurde wohl davon richtig beflügelt und
steigerte am Ende ihre Bestzeit sensationell um eine halbe Stunde.
Kurz darauf kamen mir auf dieser Elend langen Geraden Tani und Gerhard
entgegen. Sie saßen mir schon dicht im Nacken.
Die letzten Kilometer wurden jetzt auch noch ziemlich sonnig. Zwischen
km 40 und 41 überholte mich Tani, nachdem sie schon Otto, Jan
und Gerhard stehen ließ, war jetzt ich an der Reihe. Jetzt
hatte sie uns Männer alle »gefressen«. Bei Kilometer
41 kam die Cola-Zone mit Duschmöglichkeit, ich lief durch aber
das Wasser kam ziemlich spärlich. Die Zuschauer standen rechts
und links geschlossen Spalier und lärmten anständig. Bis
zum Ziel herrschte jetzt richtig gute Stimmung. Rechts ging es durch
das Burgtor, die Menschen klatschen und jubeln, die Tribünen
waren sehr gut besetzt und das Ziel war endlich erreicht. Ich konnte
meine Bestzeit noch unterbieten und war sehr zufrieden. »Speedy«
Hans war bereits mit der tollen Marathon-Debüt-Zeit von 3:25
im Ziel. Und Martin ist von seiner Pace nicht abgekommen und lief
locker in 3:29 ein.
Endlich im Ziel Dann gab es für
alle Finisher die Medaille und man konnte noch ein Zielfoto machen
lassen mit Medaille. Hier traf ich auch gleich Tanja (3:35) und
Gerhard (3:36), ich war wie bereits in New York, wieder eine Minute
hinter ihm. Jeder bekam noch ein «Labe-Sackerl« mit
weiteren Getränken und Obst. Dann gingen wir raus auf die Grünanlage,
wo ein richtiges Volksfest veranstaltet wurde. Kurze Zeit später
kam auch schon Otto (3:46) ins Ziel, er hatte heute mal wieder richtig
Gas gegeben und seine Bestzeit nur knapp verfehlt. Danach fiel er
uns jedoch hinterm Fliederbusch fast ins »Koma«. Nach
einer Stunde kam er langsam wieder zum Leben, wollte aber von Niemanden
mehr was wissen. Mit dem Handtuch über dem Kopf, sah er aus
wie von der Fremdenlegion. Jan ließ es etwas ruhiger angehen
(»Habe zu wenig trainiert«) und kam mit 4:04 entspannt
und wie immer lächelnd ins Ziel. Unsere »Heldin«
Margot finishte wenig später in 4:27. Später im Hotel
zurück begossen wir diese Leistung ausgiebig mit einigen Bierchen.
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