9. Dezember 2006, Unter-Tage Marathon Sondershausen/Erfurt
Autor: Martin Schöll
 
"Meine Reise zum Mittelpunkt der Erde"
"Es war mein schönster Marathon, aber auch einer der härteren." So mein
Fazit nach 4:40 Std. und
1300 Höhenmetern.
Aber der Reihe nach.
Am Freitag, 8.12.2006,
ging es los. Knappe
6 Stunden betrug
unsere Fahrzeit von
Augsburg nach Sondershausen und
ich muss zugeben,
dass ich mir "blühende Landschaften" etwas
anders vorgestellt habe. Insgesamt war die
Delegation aus Augsburg
20 Personen stark, was schon beachtlich ist, denn
das Starterlimit liegt bei
350 Teilnehmern.
 
 

Als wir Samstagmorgen
um 8:00 Uhr zum
Brügman-Schacht fuhren

wusste keiner so recht
was uns an diesem Tag erwarten würde… und
das war auch gut so.
Bereits einen Kilometer
vor der Startnummern-
ausgabe sahen wir
den Förderturm.
Von 1891 bis 1991 wurden dort Kalisalze abgebaut.
Die Marathonstrecke liegt zwischen 600 und 800 m Tiefe. Die Stollen haben
eine Ausdehnung von ca.
20 km auf 5,5 km.

     
 
Vienna City Marathon  
Stadtlauf Augsburg  
Heidenheim  
Landkreisstaffel  
Gletschermarathon  
Altmühlseelauf  
Kuhsee Triathlon  
Alpseelauf  
Altötting HM  
Friedberg HM  
windsor half marathon  
Berlin Marathon  
Loch Ness Marathon  
München Marathon  

Dublin Marathon

Trentino Half Marathon  
Unter-Tage Marathon  
Silvesterlauf
 
Den Förderturm konnte man
schon 1 km entfernt sehen.
Platz für ca. 10 Personen bietet der 100 Jahre alte Aufzug hinab zum "Highway to hell"!
Vor der Startnummernausgabe bildeten sich bereits lange Schlangen, obwohl der Start für 10:00 Uhr angesetzt war. Machte aber nichts, denn vor den Aufzügen zum Schacht ging das Warten weiter.
Deshalb hatten die Veranstalter auch einen zweiten Schacht in ca. 3 Kilometer Entfernung geöffnet und wir wurden mit Shuttle Taxis zum anderen Einstieg gebracht. Das war unser Glück, denn unten angekommen wurden wir mit Grubenfahrzeugen zum Start gebracht, was uns bereits einen ersten Einblick auf die Strecke gab.
Aber zum Thema Aufzug muss ich jetzt noch was los werden. Wer jemals diesen Lauf wagen sollte, der muss sich von der klassischen Definition eines Aufzuges verabschieden. Der Beförderungskäfig, ja das ist der korrekte Ausdruck dafür, ist ca. 100 Jahre alt und bietet Platz für ca. 10 Personen. Bei uns waren aber 15 Personen drin.
In ca. 1,80 Meter Höhe ist über der Kabine eine Bodenplatte und darüber werden die nächsten 15 Delinquenten eingepfercht. Bereits beim Gang in die Gitterbox wehte uns ein heisser Wind aus dem Schacht entgegen.
Dann noch schnell den Plastik Vorhang zugezogen und los geht die Fahrt.
Langsam und unter einem verdächtigen Krachen und Rumpeln fuhren wir in die Tiefe. Im Aufzug war es stockdunkel, aber zum Glück hatten einige Läufer auf Ihren Helmen Stirnlampen (Übrigens Helm ist Pflicht und eine Lampe würde ich auch dringend empfehlen). So richtig wohl fühlte sich in diesem Käfig wohl keiner, denn die Vorstellung, hier irgendwo auf der Strecke stecken zu bleiben, bei 25 Grad und ohne Licht ist nicht sehr prickelnd.
Nach handgestoppten 4:29 Minuten waren wir am Ziel – 700 Meter unter der Erde. Sofort wurde jedem klar was uns bei diesem Marathon erwarten würde. Die Luft war extrem trocken (25 % Luftfeuchtigkeit) und es herrschten extrem heisse 28 Grad. Der Boden war von sandigem Salz-Staub überzogen und das schwache Licht einiger Neonröhren hüllte den Stollen in einen dämmerigen Schein.
ERGEBNISSE
Mit Grubenfahrzeugen, die heute für Führungen genutzt werden, wurden wir durch ein schier endlos scheinendes Labyrinth von Gängen zum Start gekarrt. Die Fahrt war ein Erlebnis der besonderen Art. Die Fahrer bretterten mit Vollgas durch die engen Wege.
Am Start angekommen erwartete uns bereits die Bergmanns-Kapelle mit einem Begrüßungsständchen.
     
 
Ankunft am Startbereich nach einer wilden Fahrt durch die Tunnel!   Die Abstützung hielt!
 
Ausgemusterten Fahrzeugen begegnete man häufiger!   Allerlei leckere Sachen bekam man an den Verpflegungsstationen!
Um 10:15 Uhr fiel der Startschuss. Da ich mich nicht besonders fit fühlte, hielt ich mir die Option offen nur einem Halbmarathon zu laufen. Insgesamt geht das Rennen über 4 Runden mit jeweils 10,5 Kilometer. Wer den HM nicht unter 2:45 Stunden absolviert ist raus.
Ich ging die erste Runde sehr passiv an, was nicht zu meinem Schaden sein sollte. Bereits bei KM 1 beginnt der erste lange Anstieg. Bei KM 2,5 dann eine schnelle Bergab-Passage bis ca. KM 4.
Gerade auf den schnellen Stücken ist es hilfreich die "Hierabira" (schwäbisch für Stirnlampe) zu aktivieren. An einigen Stellen ist der dünne Salz-Staub Film nämlich vom Boden komplett weg gewischt und der blanke Salzstein ist sehr rutschig.
Dann bis KM 5,5 der zweite Anstieg. Die zweite Hälfte der Runde wurde von allen Teilnehmern als wesentlich einfacher empfunden, nicht nur, dass die letzten 3 Kilometer flach bzw. bergab verlaufen, es wird auch Richtung Start wieder kühler. Vom Start bis KM 5,5 steigt die Temperatur von ca. 23 auf 28 Grad.
Die Verpflegung auf der Strecke ist prima. Alle 2,5 Kilometer gibt es Getränke (Cola, Wasser, Iso, Obst (Bananen, Orangen) und Riegel.
Durch die sehr trockene und salzhaltige Luft ist es absolut notwendig bereits zu Beginn jede Verpflegung mitzunehmen. Am Ende habe ich sogar maximal 4 Becher pro Station getrunken.
Die Zeitnahme erfolgt über einen Chip, der an der Startnummer befestigt ist und immer am Start/Ziel abgescanned wird.
 
Ordnung muss sein, auch Unter-Tage! Im tiefsten Biergarten der Welt kostete das Bier nur 1,- Euro!
Durch meine sehr passive Lauftaktik fühlte ich mich beim Halbmarathon, den ich in 2:14 Std. passierte so gut, dass ich beschloss noch eine dritte Runde zu laufen.
Zum Glück hatte ich meinen MP3 Player dabei, denn inzwischen hatte sich das Feld sehr in die Länge gezogen und ein großer Teil der Läufer ist auch beim HM ausgestiegen. Ich lief sehr lange Passagen der Strecke alleine durch die schummrigen Gänge, die mir aber niemals ein Gefühl der Beklemmung vermittelt haben. Die Strecke ist immer zwischen 3 – 8 Meter breit und auch sehr hoch. Der Helm ist eigentlich nur wegen versicherungstechnischer Vorschriften notwendig. Am Ende der dritten Runde merkte ich, dass mein Körper nicht mehr in der Lage war, selbst bei einfachen Abschnitten, den Puls nach unten zu bringen. Mit 170 Schlägen ging ich in die vierte und zum Glück letzte Runde. Es war ein harter Kampf zwischen mir und dem Berg. Aber die Atmosphäre in dieser komplett isolierten Einöde war unbeschreiblich. Noch nie habe ich bei einem Lauf so zu mir selbst gefunden. Keine Ablenkung, keine Zuschauer, kein Wind… das muss man einfach mal erlebt haben.
Bei KM 39 schmerzte so ziemlich alles. Die Schenkel brannten bei den abschüssigen Stücken und der Puls raste am Anstieg mit über 180 Schlägen.
KM 40, in meinem MP3 Player lief gerade "Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg ist steinig und schwer…", von Xavier Naidoo.
Das hätte ein Regisseur nicht besser inszenieren können.
Trotz meines elenden Zustandes überholte ich immer wieder Läufer, die von Krämpfen geplagt an der Seite standen.
Am Ende trank ich bis zu 4 Becher pro Station. Nach 4:40 Std. erreichte ich ziemlich geschafft das Ziel.

Nach 4:40 Stunden kam ich als 19. in meiner Altersklasse und auf Platz 134 in der Gesamtwertung im Ziel an.

Noch im Zielkanal bekam ich einen Ausdruck mit meinen Zwischenzeiten und der Plazierung. Sofort wurde mir eine Urkunde ausgedruckt und ich setzte mich erstmal auf eine Bank und überlegte, was da jetzt gerade abgelaufen ist. Die Zeit verging rasend schnell. Immerhin waren es fast 5 Stunden, aber das war mir nicht bewusst. Auch die Aufzugfahrt und das ist eine gute Nachricht für alle, die Bammel davor haben, kommt einem wesentlich kürzer vor. Die subjektiven Schätzungen lagen immer zwischen 1-2 Minuten.
Ich zog mir meine trockene Kleidung an (man kann ohne Probleme einen Rucksack mit nach unten nehmen, die Duschen sind allerdings über Tage).
Im tiefsten Biegarten der Welt, bestellte ich mir gleich zwei Bierchen zum Kampfpreis von je 1,- Euro (nehmt also Geld mit runter, es gibt auch warmes Essen) und die Welt war wieder in Ordnung.

So, das war’s, mein 38. Marathon und wirklich ein unvergessliches Erlebnis. Ich werde sicher mal wieder an diesem Lauf teilnehmen. Sollte jetzt jemand von Euch Lust bekommen haben und noch Fragen haben, dann schickt einfach eine E-Mail an:
magic@team-tomj.de

GLÜCK AUF!
Martin