Spontane
Idee
Wie kam es zur Anmeldung zur 1. Ulmer Laufnacht am 12./13.06.über
100 km, die eigentlich in Blaustein stattfindet, was aber gleich
neben Ulm liegt? Magic hat mal per Mail diese Veranstaltung entdeckt
und als Alternative zu Biel vorgestellt. Ich habe mir den Link zur
Website schon mal vorsorglich abgespeichert, denn für spontane
Ideen und ohne ganz wirklich zu wissen, was das bedeutet, bin ich
doch immer zu haben.
Im Vorfeld schaute ich mir zusätzlich noch das Höhenprofil
an (sah nicht ganz so schlimm aus, dazu später mehr), die Strecke
konnte ich mir eh nicht merken, es wird ja Nacht sein dachte ich
mir, daher zweitrangig. Begleitradfahrer waren möglich, aber
ich kannte keinen "Wahnsinnigen", der mit mir das machen
wollte. Radler konnten man aber mieten, 1 Woche vor dem Lauf kamen
mir so ein paar Zweifel, ob ich das nicht doch besser tun sollte,
nachdem die Alternative, dass ein paar vom Team TOMJ mich evtl.
als 4er Staffel begleiten würden, aus organisatorischen Gründen
scheiterte.
So fuhr ich am 12.06 nach Ulm/Blaustein mit viel Gepäck in
der Tasche, da ich noch nicht wusste, was ich anziehen sollte. Die
Anmeldung in der Lixturnhalle ging ganz schnell von statten, die
Settele Spätzlesparty fand auch in der Halle statt. Viel los
war nicht wirklich, es gab die berühmten blauen Schulsportmatten,
auf denen die Läufer sich ausruhen konnten. Die Startnummer
diente gleichzeitig auch für freien Eintritt in das benachbarte
Bad Blau, was man bis zum nächsten Abend einlösen konnte.
Ansonsten gab es für die Teilnehmer Baumwollshirts, für
die 100 km Finisher noch Funktionshirts später im Ziel.
Vorangemeldet waren 279 Einzelstarter, 5 Zweier-Staffeln und 84
Vierer-Staffeln. Das Zeitlimit betrug großzügige 21 Stunden,
da war für mich aber schon längst wieder das am nächsten
Tag in München stattfindende Konzert von Depeche Mode eingeplant.
Um 21.30 Uhr war das Briefing, wo die Streckenführung erklärt
wurde.
Die Ausschilderung der Strecke: Pfeile auf dem Boden, Leuchtpfeile,
die an Absperrungsgittern angebracht waren, sowie gelbe Klebebänder
an Bäumen oder Pfählen und zudem noch Leuchtstäbe
an Ästen und Zweigen.
Bernie kam auch nach Ulm und wollte die Gelegenheit sich nicht entgehen
lassen, dem Spektakel zuzuschauen. Ich zog mich kurz vor dem Start
um, eine kurze Hose war mir lieber bei den neuen langen Superstrümpfen
gegen Krämpfe, um etwas Luft an die Beine zu bekommen. Oben
beließ ich es bei T-Shirt, darüber eine Weste und dann
unser Team-TOMJ-Shirt. Eine Stirnlampe war Pflicht, hatte ich selbstverständlich.
Nicht zu vergessen, das fast wichtigste Utensil auf einem so langen
Lauf, das Handy!! Um 23.00 war der Start im naheliegenden Robert
Epple Stadion, ich traf auch Anton Lautner von m4y, der auch seinen
ersten 100er bestritt.
Hinein in die Nacht
Zum Start gab es ein Heißluftballonglühen und
ein nicht zu Ende gehendes Feuerwerk, das wir auf der ersten Stadion
Runde noch hautnah mitbekamen. Ein paar Hundert Zuschauer waren
auch da, auch weil es neben dem Stadion ein Festzelt gab, die Blausteiner
feierten Sport- und Kulturtage, dazu gehörte auch die 1. Ulmer
CEP Laufnacht (Sponsor CEP = u.a. Hersteller von Kompressionsstrümpfen).
Dann ging es hinaus in die Nacht. Bernie und meine Freundin Beate,
die für mich per Handy die ganze Nacht erreichbar war, um mir
z.B. neue Klamotten oder Schuhe zu bringen oder auch um mich abzuholen,
wenn ich nicht mehr wollte oder konnte, wollten mich ein paar Kilometer
nach dem Start wieder treffen. Das ging aber daneben, da die Polizei
die Nebenstrecken so absperrte, dass man nicht in die nächste
kleinere Ortschaft kam.
Auf eine detaillierte Streckenbeschreibung verzichte ich, da empfehle
ich den Bericht von Anton Lautner auf m4y, der ist exakt und ich
könnte die Strecke so überhaupt nicht wiedergeben. Erstens
hätte ich mir das nie merken können und zweitens soll
mein Bericht eher das drum herum mehr wiedergeben, wie ich mich
so "durchgeschleppt habe" bei meiner Premiere.
So ging es nach 10 km zur ersten Versorgungsstation nach Erstetten,
wo auch schon die Begleitradfahrer warteten, die erst jetzt mitfahren
durften. Als ich dort ankam, waren dort noch sehr viele da, ich
überlegt kurz ob ich zu schnell mal wieder das Rennen anging,
aber ich fühlte mich super und der erste lange Anstieg lt.
Höhenprofil lag schon hinter mir (das wusste ich noch).
Im Feld wurde auch noch fleißig geredet (jetzt ging es stetig
abwärts), ich kam mit einem jungen Läufer (Kai) ins Gespräch,
der das gleiche Tempo wie ich lief. Er erzählte mir ein wenig
von sich, da war das Laufen schon angenehmer, ich hörte aber
mehr zu, um Kraft zu sparen. So ging das munter mit meinem momentanen
Laufpartner bis zum Schloss Erbach nach 20 km weiter (meine Zeit
1:52), wo eine große VP-Station war. Davor ging es natürlich
einem Schloss gebührend auch ein paar Höhenmeter hinauf,
aber das war noch alles im Rahmen. Ich nahm mal vorsorglich Gels
mit, aß Bananen und trank jetzt auch Iso-Getränke.
Von Bernie und Beate war leider keine Spur zu sehen, ich dachte
schon, dass sie dort wären. Das klärte sich eine halbe
Stunde später auf als sie per Handy durchfunkten, da war ich
schon bei km 25. Sie hatten mich zeitlich verpasst, wie sich nach
dem Lauf herausstellte. Ich wusste jetzt, dass ich von Beiden wohl
keinen mehr so schnell sah. Bernie wollte in der Nacht wieder zurück
nach Augsburg und Beate zu ihren Eltern, die in der Nähe von
Blaustein wohnten, um dort das Basislager zu beziehen und auf evtl.
Anrufe zu warten.
Km 30 - 50
Durch meinen Laufpartner kam keine Langeweile auf, leider war ihm
das Tempo zu hoch und bei ca. km 30 ließ er mich alleine weiterlaufen
und reduzierte das Tempo. Stattdessen kam aber zum ersten Mal ein
Begleitradfahrer mit einem Läufer daher, die mich bis zu km
37 in die V-Stelle Kloster Wiblingen "mitnahmen", die
wiederum volles Ernährungs- und Trinkprogramm anbot. Dazwischen
lag noch Unterkirchberg, das man im Rahmen einer Schleife zweimal
ansteuerte und eine kleine V-Stelle hatte, von der Seite war alles
perfekt.
Ich hatte durch den Radfahrer mit seinem zu betreuenden Läufer
ein klein wenig Unterhaltung und das war jetzt gegen die aufkommende
Langeweile nicht schlecht. Vorsorglich hatte ich einen MP 3 Player
dabei, aber ich hatte keine Lust darauf. Im Kloster machten die
beiden eine kleine Pause. Ich war jetzt zum ersten Mal richtig einsam
in der Dunkelheit unterwegs (wie sich später herausstellte
ca. 20 km lang). Es ging am Ufer der Iller schon seit Unterkirchberg
entlang, die Strecke war nur noch geschottert und zudem noch durch
einen Wald führend.
Wie ich mich fühlte? Zum ersten Mal ziemlich unwohl, obwohl
mein Körper fit war und meine Laufzeit noch sehr konstant bei
5:40 min/km lag. Glücklicherweise überholten mich ein
oder zwei Staffelläufer und ich wusste, dass ich noch richtig
"in der Spur war". Ich hoffte jetzt auf die Ulmer Innenstadt
bei km 50 mit einer großen V-Stelle und Wechselstelle für
Staffelläufer. Die kam dann auch nach einiger Zeit, aber jetzt
ging es außen an der Stadtmauer an der Donau entlang und das
wollte einfach kein Ende nehmen.
Ich war jetzt richtig lustlos, das einzige Glück war, dass
es jetzt hell war. Ich fühlte auch, dass es mir etwas schwerer
fiel das Tempo zu halten, was mir auch meine Uhr bestätigte.
Aber ich wusste, dass die zweiten 50 km es noch "in" sich
hatten, glücklicherweise ahnte ich nicht wirklich, was mir
bevorstand.
Die zweiten 50
Irgendwo zwischen Ulm und Thalfingen an der Donau entlang
traf ich dann auf den Michael. Beate war auch wieder wach und rief
mich an, was mich sehr freute, denn ich war doch nicht mehr so ganz
„frisch“ und bat sie nach Kloster Oberelchingen zur
V-Stelle zu kommen (nur zur reinen Motivation bei erst km 65!!!).
Von Thalfingen ging der Weg konstant steigend Richtung Elchingen
weiter und die Klosterkirche auf der Höhe war schon von weitem
zu sehen, aber ja nur keine Gedanken machen, wie man da heraufkommen
sollte.
Michael erzählte mir, dass er schon mehr Erfahrung mit langen
Läufen hätte und sein Ziel wäre mal nicht gehen zu
müssen. Im Ort selbst, ich glaubte es kaum, stand ich vor einer
fast "wahnsinnigen" Steigung die zu guter Letzt noch über
Serpentinen durch ein Feld zum Kloster hochging. Ich war an dieser
Stelle nach ca. 100 Hm völlig am Ende und musste mich im Klosterhof
erst erholen.
Danach war Beate mit dem Auto da und ich nahm mir zusätzlich
eine kleine Auszeit. Michael, der fitter als ich wirkte, lief weiter,
ich hätte ihm aber ohnehin nicht mehr lange folgen können
und war schon dankbar dafür, dass er mich "beim Klosteranstieg
begleitete". Meine Zeit fiel jetzt deutlich ab und mir wurde
klar, dass unter 10 Stunden nichts mehr zu machen wäre, trotz
meinem vorhandenen Zeitvorsprung bei km 50 (Laufzeit gesamt dort
4:42:02).
Km 80 - 100
Ich bat Beate nochmals auch zur V-Stelle bei km 80 in die Wilhelmsburg
zu kommen, da ich jetzt jede Aufmunterung gebrauchen konnte. Dazwischen
lagen aber weite 15 km, die zuerst an der nahen Autobahn A8 entlang
gingen und danach wieder nach Jungingen zur V-Stelle führten.
Ich dachte jetzt nur noch von V- zu V-Stelle, den diese brachte
mir immer wieder eine Laufpause, die ich dankend annahm, um das
üppige Verpflegungsangebot wahrzunehmen.
Ich spürte jetzt jede Steigung, selbst wenn es nur 20 Höhenmeter
waren und dachte schon kurz mal daran in der Wilhelmsburg bei km
80 den offiziellen Ausstieg anzunehmen. Ich konnte kaum noch und
war auf diesem nicht gerade "berauschenden Streckenabschnitt"
ziemlich allein unterwegs. Glücklicherweise ging es nach Jungingen
in Richtung Ulm zur Wilhelmsburg wieder abwärts, sodass sich
meine Laune wieder etwas verbesserte.
Die Wilhelmsburg, Teil der Bundesfestung, ausgebaut als Zitadelle
ist ein beeindruckendes Bauwerk (erbaut 1842 bis 1849), diente ursprünglich
zur Sicherung der Westgrenze gegenüber Frankreich und war nach
dem II. Weltkrieg Flüchtlingslager. Es ging direkt in die Burg
hinein, das war wieder richtig toll anzuschauen und an der Stelle
stand auch Beate wie vereinbart und machte ein paar Fotos. Ich nahm
mir ausgiebig Zeit, die Endzeit war mir mittlerweile ziemlich egal,
ich war jetzt bei 8:07:47 angelangt, für die 30 km dahin brauchte
ich beinahe 3:26 Stunden.
Ich erkundigte mich bei der V-Stelle, wie die Strecke weiterging
und bekam als Auskunft, dass der Weg nach Mähringen noch ziemlich
"wellig" werden wird, es wurde dann zur "bitteren
Wahrheit". Kurz nach der V-Stelle überholte mich ein Läufer
(Frank vom Team Federsee) mit seiner weiblichen Fahrradbegleitung
(Inge). Richtig "davon laufen" konnte er mir aber nicht,
wenn er lief, lief ich auch, ging es bergauf, ging er, ich auch.
Wir waren so nah zusammen, dass wir beschlossen die kompletten beinahe
20 km gemeinsam zu bestreiten, denn jetzt ging es nur noch um das
Durchhalten um auch wirklich als Finisher anzukommen.
Die Laufstrecke führte über Lehr und den Standortübungsplatz
nach Mähringen, wellig ist schmeichelhaft, ich kam mir wie
bei einem Berg- und Tallauf vor. Selbst bei einem Halbmarathon würde
diese "Wellen" einem den Rest geben, aber jetzt nach über
80 km denkst du schon, ob das wirklich sein muss. Von Mähringen
sind es "nur" noch 10 km, jetzt wird jeder km angezeigt,
du denkst fast geschafft, aber noch immer geht die Strecke auf-
und ab und ich fluchte innerlich.
Km 94, die letzte Versorgungsstelle, ab jetzt ging es doch "nur"
noch abwärts ins Kieseltal, eigentlich super, aber die Muskeln
spielten nicht mehr mit und es war anfangs ein Pfad mit ziemlich
vielen Steinen, die direkten Rückkontakt verursachten. Aber
selbst dort gab es noch eine "Höhenwelle", einfach
weitergehen und nichts dabei denken, ich "trottete mittlerweile
wie ein Schaf".
Endlich kam die Blausteiner Forellenzucht und kurz danach der Steinbruch
in Sicht, jetzt konnte das Ziel nicht mehr weit sein. Frank und
ich beschlossen gemeinsam über die Ziellinie zu laufen und
Inge in die Mitte zu nehmen. So kamen wir ins Stadion, liefen dort
noch langsam ein paar gemütliche Meter und erreichten glücklich
und zufrieden das Ziel für ein gemeinsames Zielfoto und hörten
auch vom Moderator unsere Namen.
Du fühlst den ganzen Stolz
Es ist nicht wie bei einem Zieleinlauf bei einem großen Stadtmarathon,
es sind nur wenige Zuschauer da, du fühlst trotzdem den ganzen
Stolz als du die Medaille und dein Finisher Shirt in Empfang nimmst.
Wir tranken ein paar Radler, aßen belegte Semmeln und warteten
auf die Ergebnisse. Als wir sie erhalten waren wir noch stolzer,
im Gesamtklassement waren wir beide glänzend platziert (Platz
45 und 46 im Gesamtklassement).
Zur Vervollständigung der Fakten: Für die letzten 20 km
brauchte ich 2:28:53 (Wahnsinn!!!). Der Lauf summiert sich auf 900
Hm (gefühlt wesentlich mehr ;-) ). Insgesamt kamen von den
über 290 Einzelstartern 200 ins Ziel, für die zweiten
50 km braucht man genügend Kondition. Die Veranstaltung ist
bestens organisiert, großes Lob an die Veranstalter. Lust
auf weitere 100er? Gerade nicht, aber da gibt es doch noch Biel,
das Mekka ;-)). Ich komme wieder, bei einem 100er wird es wohl nicht
bleiben.
Mario Peschke 10:36:40 |