Seinen Namen verdankt der Urmensch Ultra dem Schädel des „homo steinheimensis“, der 1933 in einer Kiesgrube in der Nähe des Start- und Zielortes Steinheim gefunden wurde. Er zählt zu den bedeutendsten Zeugnissen der Menschheitsgeschichte in Deutschland, mit Merkmalen, die ihn sowohl vom heutigen Menschen als auch vom Neandertaler und vom Homo erectus unterscheiden. Er ist somit ziemlich einzigartig und gehörte vermutlich einer 25 Jahre alten Frau, die vor etwa 300.000 Jahren oder noch früher hier gelebt hatte.
Nicht ganz so alt ist der Urmensch Ultra. 2013 wurde er zum 10-jährigen Jubiläum des Bottwartal Marathon aufgelegt und in die Veranstaltung integriert und feiert somit heuer mit der 5. Auflage selber ein erstes kleines Jubiläum. Etwa 52 km ist die Runde lang und kann ca. 1050 Höhenmeter aufweisen. Auf 99 Teilnehmer war er bei der Premiere limitiert, mittlerweile dürfen immerhin 150 Ultrafreunde daran teilnehmen, mehr ist aus Naturschutzgründen nicht drin. Die Plätze sind begehrt, Jan hat das Pech, am späten Samstagnachmittag bei der Nachmeldung in der Riedhalle sind bereits alle Plätze vergeben, somit muss er sich mit dem Marathon abfinden.
Am Samstag ist im Bottwartal der Nachwuchs im Einsatz, als wir ankommen ist der Run and Fun Day bereits beendet. Auf den unterschiedlichsten Distanzen sind über 1.500 Bambinis, Schüler/innen und Jugendliche über die Ziellinie gelaufen. Dementsprechend ist in der Halle einiges los, vor allem die Essenstände sind nach den Läufen stark frequentiert. Pommes stehen beim Nachwuchs ganz oben in der Beliebtheitsskala. Nicht vom großen Andrang betroffen sind die Schalter zum Abholen der Startunterlagen und die Stände zur Nachmeldung, die sich ebenfalls in der großen Halle befinden. In ein paar Minuten sind wir durch und haben alles in Händen. Als Teilnehmer-Präsent bekommt jeder Langstreckler eine Mütze und ein Fläschchen Trollinger und Lemberger aus der Region.
Aber auch die Beteiligung für die Läufe am Sonntag ist heuer auf Rekordniveau, über 3.300 Teilnehmer werden an den Start gehen. Neben Ultra und Marathon gibt es beim Bottwartal-Marathon noch eine ganze Latte weiterer Distanzen. Da wären ¾ Marathon, Staffel-Marathon (8er), Team-Marathon (3er), Halbmarathon, 10 km-Lauf, -Walking und -Nordic-Walking und ein 4,2 km-Lauf. Ein Riesen-Programm. Somit wäre eine komplette Familie an diesem Wochenende im Bottwartal bestens aufgeräumt, keiner könnte mehr Ausreden finden, dass nichts für ihn dabei ist.
Am Kreisverkehr von Steinheim erfolgt der Start zum Urwelt Ultra. Dort erwartet uns Steppi, das Wahrzeichen der Stadt. Das Kunstwerk aus Stahl zeigt das Skelett eines Steppenelefanten. Bereits bei unserer Anfahrt musste ich Greppi, Charly und Jan aufklären, dass Steppi kein Mammut war. Das urzeitliche Original war mit einer Schulterhöhe von fast vier Metern noch ein gutes Stück größer als der Stahlriese am Kreisverkehr und somit im Original auch viel größer als das allgemein bekannte Wollhaarmammut. Steppis imposantes Skelett wurde ebenfalls nicht weit von hier gefunden. Es ist im Steinheimer Urzeit-Museum ausgestellt. Der homo steinheimensis und der Steppenelefant waren aber keine Zeitgenossen, der Elefantenbulle lebte deutlich später, etwa vor 200.000 Jahren.
Dazu gibt es noch viele weitere Urwelt-Funde aus dieser Gegend, sie stammen aus der Holstein-Warmzeit. Da wären ein Waldelefant, Waldriesenhirsch, Auerochse, Waldnashorn und ein Wasserbüffel. Dazu wurden in über 70 Jahren in drei Kiesgruben noch viele weitere Tiere wie z.B. 45 Mammute, zwei Löwen und ein Säbelzahntiger gefunden. Also, es war richtig was los hier in der Gegend. Echt der Wahnsinn was alles durch diese Breiten gezogen ist.
Unsere gegenwärtige Warmzeit wartet am heutigen Morgen mit frischen 5 Grad auf uns, aber es soll ja noch sehr warm werden, über 20 Grad sind vorhergesagt. Nachdem wir Bayrischen Schwaben, alle uns bekannten Württemberger Schwaben begrüßt haben, wird es langsam ernst. Vor dem Startbogen haben sich auch ein paar Urmenschen eingefunden. Ein ganz besonderes Zaubermittel kann ich an Geralds Startnummernband entdecken: zwei Eukalyptusbonbons. Nachdem ich mir im Nachhinein seine Finisherzeit ansehe muss ich sagen: Wow, das sollte ich vielleicht auch einmal ausprobieren.
Um 8.30 Uhr sind wir Ultras heute die ersten, die an den Start gehen. Genau wie Steppi, der seiner Zeit durch die Murrauen trabte, sind wir die einzigen, die heute auch in die Pampa geschickt werden und sich somit auf seine Spuren begeben dürfen. Alle anderen Wettbewerbe dürfen nur über neuzeitliche Asphalt-Straßen laufen. Der offizielle Zielschluss für den Ultra ist um 16 Uhr, somit verbleiben uns 7:30 Stunden um unsere Runde zu bewältigen.
Ein paar Frühaufsteher verabschieden uns lautstark mit Trommel und Tamburine aus Steinheim. In Richtung Kleinbottwar verlassen wir den Ort. Nach knapp zwei Kilometern dürfen wir runter von der Straße und auf Steppis Natur-Geläuf weiterziehen, wo uns auch die ersten noch gemäßigten Anstiege erwarten. Eine Richtungsänderung führt uns nach Osten. Neben einer kleinen Straße dürfen wir über einen noch feuchten Wiesentrail am Rande von Weinfeldern aufwärts ziehen. Zum Sehen ist erstmal recht wenig, wir laufen voll in die gerade aufgehende gleißende Sonne.
Nach 4 km erreichen wir den Hardtwald und tauchen ein ins satte Grün. Bis zur ersten Verpflegungsstelle (km 6,4) geht es auf weichen Waldwegen meist aufwärts, wo wir die ersten 150 Höhenmeter gemeistert haben. Abwärts geht es weiter zum Hardtwaldsee, hier sind einige Forststraßen dabei, wo man das Tempo erhöhen kann und somit etwas Zeit gut gemacht werden kann. In der Ultra-Ausschreibung, die von jedem unterschrieben werden musste, ist von einem Zeitlimit von 2:30 Stunden an der Burg Lichtenberg (km 20) die Rede. Für das hintere Feld ist das eine durchaus ernstzunehmende Hürde, die nicht nur ich im Kopf habe, wie ich in Gesprächen feststellen kann. Claudia meint, wir laufen aber auch weiter, wenn uns die Startnummern abgenommen werden. |