Sprichwörtlich im Schatten der weltberühmten Dolomiten liegt im Nonstal die Gebirgskette Maddalene. Der überwiegende Teil des Val di Non liegt in der italienischsprachigen Provinz Trentino. Als Deutschnonsberg bezeichnet man vier Gemeinden mit einer mehrheitlich deutschsprachigen Bevölkerung, sie liegen am oberen Ende des Nonstals, etwa 40 km von Bozen entfernt. Im Gegensatz zu den anderen Gemeinden des Tales gehören sie noch zur Provinz Südtirol. Hier befindet sich auch der Startort des Maddalene Sky Marathon im kleinen Wallfahrtsort „Unsere liebe Frau im Walde“, bereits auf einer Höhe von 1.342 m.
Um die Maddalene etwas bekannter zu machen, aber auch um die Gemeinden im Nonstal mit ihren unterschiedlichen Sprachen und Provinzen näher zusammenzuführen, wurde vor 8 Jahren der Maddalene Sky Marathon ins Leben gerufen. Der Zielort der Punkt-zu-Punkt-Strecke liegt in Rumo im Trentino auf 1000 m Höhe. Daraus ergibt sich, dass abwärts mehr Höhenmeter (etwa 3250) als bergauf (2900) zu meistern sind. Die Gesamtlänge liegt bei 44,2 Kilometer. Die maximale Höhe wird am Gipfel des Monte Pin (2420 m) erreicht. Neben Sky Marathon gibt es noch das kürzere Maddalene Mountain Race mit 25 km und 1500 Höhenmetern, ebenfalls mit Start in Unsere liebe Frau im Walde und Ziel in Rumo.
Charakteristisch für die Berge der Maddalene-Gruppe sind seine sanften Hügel, mit Gipfeln bis auf 2700 m Höhe. Einer der bekanntesten Wanderrouten der Gegend ist der Aldo-Bonacossa-Steig. Er startet am Gampenpass und endet nach über 50 km im Trentino. Ein Großteil der Strecke des Maddalene Sky Marathons führt über diesen Panorama-Höhenweg auf einer durchschnittlichen Höhe von 2000 Metern.
Vor 7 Wochen waren Jan und ich, gar nicht so weit von hier entfernt, beim Sky Marathon am Rosengarten mit ähnlicher Streckenlänge und Topografie am Start, so wissen wir in etwa was auf uns zukommt. Leicht wird die Aufgabe sicher nicht, denn man hält einige Hürden für uns bereit: Drei Cut-Off-Stellen die zwingend einzuhalten sind.
Die Anreise auf der Brennerautobahn ist richtig zähflüssig, viele sind noch auf dem Weg in den Süden. In Bozen verlassen wir die aufgestaute Autostrada und ein paar Kilometer vor Meran biegen wir ab und es geht immer aufwärts Richtung Gampenpass in die Einsamkeit, wie mir scheint. Zwei Kilometer vom Passübergang liegt der Weiler „Unsere liebe Frau im Walde“, eine der ältesten Siedlungen im Nonstal. Nur etwa 400 Menschen leben im Ort, oder mehr oder weniger im Umfeld davon, der Ortskern ist sehr überschaubar.
Herausragende und bedeutende Bauten sind die gotische Wallfahrtskirche Maria Himmelfahrt aus dem 15. Jahrhundert und das Hotel und Gasthof Zum Hirschen. Über Jahrhunderte lang war das Haus ein Hospiz, das Verpflegung und Unterkunft für Pilger, Kreuzzügler und Händler die über den Gampenpass ihre Geschäfte abwickelten bat. Ganz frisch renoviert bietet es heute zeitgenössische Architektur und gediegenen Komfort. Nur 100 Meter vom Startplatz entfernt, der ideale Ort für uns, um das Wochenende zu verbringen. Wir sind auch sofort restlos begeistert vom modernen Ambiente, zudem wird uns bei einer Startzeit von 7 Uhr, bereits ab 5.30 Uhr Frühstück angeboten. Somit müssen wir nur ein paar Minuten vor dem frühen Start die Zimmer verlassen. Ein Übernachtungstipp den ich gleich mal weitergeben darf. An der Rezeption höre ich zum ersten Mal wie das „Maddalene“ in Italienisch, bzw. Südtirolerisch klingt. Ganz weich und mit einem langen „e“ hintendran. Klingt wunderbar.
Von 16 Uhr bis 19.30 Uhr kann man am Samstag die Startunterlagen im Mehrzwecksaal abholen, der liegt auch direkt neben dem Startplatz und ist für uns in zwei Minuten zu erreichen. Vor dem Eingang treffe ich Axel, auch einer der Vielstarter die man immer mal irgendwo trifft. Er macht gerade Urlaub in der Nähe der Seiser Alm, der Lauf passt ihm gut ins Programm. So kann man es auch machen. Somit sind wir schon drei, der fünf Deutschen, die morgen am Start beim Skymarathon stehen.
An der Ausgabe bekommt jeder neben der Startnummer mit integriertem Chip einen sehr schönen dicken Baumwoll-Hoodie mit Veranstalterlogo überreicht. Aus Schwarz und Dunkelblau kann man wählen. Wir dürfen auch probieren, um die richtige Größe zu wählen. Dazu gibt es noch einen Essensgutschein, der morgen nach dem Lauf im Zielbereich in Rumo eingelöst werden kann und einen gratis Bustransfer. Wahlweise am Morgen von Rumo hierher oder wie in unserem Fall benötigt, für den Rücktransport. Bescheidene 40 €, bzw. 35 € für das kürzere Mountain Race sind bei Anmeldung bis Ende Juli für das gesamte Paket zu löhnen. Da gibt es wenig Grund zu meckern.
Aber das war noch nicht alles. Um 18.30 Uhr findet im großen Saal das Racebriefing statt. Die Ortsbürgermeisterin und alle Verantwortlichen der Organisation sind anwesend. Nach einigen Begrüßungen werden uns in Deutsch und Italienisch unglaublich detailliert die Schwierigkeiten der Strecke präsentiert. Eine ganze Stunde dauert der Vortrag. Im Vorraum wird uns zum Abschluss ein tolles Südtiroler Spezialtäten-Büffet und auch das eine und andere Gläschen Rotwein geboten. Das hat wirklich Stil.
Der Start für den Maddalene Sky Marathon erfolgt um 7.00 Uhr. 100 Starter stehen bereit. 250 Startplätze würden vergeben werden, da wäre also noch Luft. Die Sollzeit ist auf 10 Stunden festgesetzt. Die Läufer/innen des Maddalene Mountain Race müssen erst zwei Stunden später um 9 Uhr ran, hier ist man mit den Sollzeiten etwas großzügiger. In 7 Stunden sind die 25 km zu bewältigen.
Wechselbekleidung für den Zielort kann ebenfalls abgeben werden, wird aber nur in den vom Veranstalter gestellten Plastiksäcken transportiert. Die sind aber riesengroß, würden auch für eine Familie reichen. Jede Startnummer wird persönlich aufgerufen und beim Eingang in den Startkorridor wird auch von jedem die Pflichtausrüstung kurz gecheckt. Regenjacke, Rettungsdecke, Signalpfeife und 1 Liter Getränk sind verpflichtend mitzuführen. Handy wird nicht verlangt, es gibt auf großen Teilen der Strecke nur schlechten oder keinen Empfang.
Nach einem heftigen Gewitter, teilweise sogar mit Hagel am Vortag ist der Himmel heute wieder makellos blau. Etwa 12 Grad herrschen am Start, aber es wird wieder sehr warm werden und es könnte am späten Nachmittag wieder Gewitter geben. Mirko von der Organisation meint: super Badewetter.
Pünktlich geht es los, nur kurz ist der Ortsdurchlauf, nach 300 Meter geht es auf dem Pilgerweg meist angenehm laufbar aufwärts. Dieser führt vom Gampenpass herunter über 14 steinerne Stationen bis zur Wallfahrtskirche im Ort. Kurz vor der Passhöhe weist uns ein Hinweisschild auf Saurierspuren hin. 1997 wurden in der Nähe zahlreiche Fußabdrücke entdeckt, welche prähistorische Reptilien vor 235 Millionen Jahren, im Felsen hinterlassen haben. Diese Spuren sind besonders bedeutend, weil sie so gut erhalten sind, dass man auf einigen sogar den Abdruck der Haut erkennen kann.
Nach zwei Kilometern erreichen wir die Passhöhe am Gampenpass. Nur wenige Meter führen an der Passstraße entlang. Von 1810 bis 1815 verlief hier die Grenze zwischen dem von Napoleon gegründeten italienischen Staat im Süden und dem Königreich Bayern im Norden. Wir biegen nach links ab.
Einen Kilometer weiter verlassen wir den Schotterweg und biegen ein in den rustikalen Bonacossa-Steig. Der Wanderweg mit der Nr. 133 ist benannt nach Graf Aldo Bonacossa (1885 – 1975) aus Mailand, da er einer der ersten Erforscher der Gebirgsgruppe war. Neben der auffälligen grellroten Streckenbeschilderung des Veranstalters, können wir uns auch an der permanenten Markierung mit der Nr. 133 orientieren.
Sehr steil geht es auf dem Jägersteig im Wald oft über hohe Stufen nach oben. Nach 5 Kilometern haben wir auf etwa 2000 m Höhe die Waldgrenze erreicht. Nicht mehr ganz so schroff führen uns weiche Wiesentrails, immer wieder durchsetzt mit Felsüberquerungen, noch weiter aufwärts. Ein wunderschöner Abschnitt, der durchsetzt ist von Blockwerk und von gerundeten Felsen von den Gletschern der Eiszeit.
Nach 6 km erreichen wir unterhalb der Spitzen des Laugen und Kleinen Laugen, den in einer Bergmulde gelegenen, bildschönen aber auch sagenumwobenen Laugensee (2182 m). An seinem Ufer hausen laut Sage die allerschlimmsten Wetterhexen. Die drei Mädels die hier auf einem Felsen sitzen und uns anfeuern, werden wohl nicht damit gemeint sein. In der Region wird der Laugen auch gern Wetterberg genannt. Hier kann sich das Wetter innerhalb von Minuten wechseln. Ich denke von oben wird sich da gerade so schnell nix tun, ich lenke mein Augenmerk eher nach unten. Der alpine Rasen ist durch die massiven Regenfälle von gestern mit Wasserpfützen durchsetzt, ich möchte nicht jetzt schon nasse Füße bekommen und suche vorsichtig die richtige Spur.
Etwas wellig, aber tendenziell abwärts geht es weiter. Immer öfter bekommen wir jetzt wunderschöne Aussicht über das ganze Etschtal: von Meran und Passeiertal bis nach Bozen und den Dolomiten geboten. Einfach herrlich. Bereits vor rund 7000 Jahren sind hier Menschen in der Mittelsteinzeit durchgezogen, wie Feuersteinfunde beweisen.
Ein sehr steiler, technisch schwieriger Abstieg durch bewaldetes Gebiet ist nach 10 km zu bewältigen. Über einen Kilometer Länge verlieren wir 250 Höhenmeter. Die ausgewaschenen Pfade, mit Steinen durchsetzt, lassen für mich kein größeres Tempo zu. An der Castrin Alm sind wir wieder auf 1812 m abgestiegen, hier ist auch die erste Getränkestelle mit Wasser, Iso und Cola für uns eingerichtet.
Kurz ist Erholung angesagt, etwa 500 Meter auf einer leicht fallenden Schotterstraße und einer anschließenden Almwiesen-Durchquerung. Ein Rindvieh stellt sich mir mitten in den Weg und prüft ob ich Angst vor ihr habe. Die Kuh beeindruckt mich nicht groß, aber tiefe Wasserstellen bringen mich letztendlich doch etwas von dieser weglosen Querung vom rechten Weg ab. Von weiter oben bekomme ich von Wanderern die Ansage dass ich zu tief bin. So bleibt mir das Suchen nach den Markierungen erspart. Beim folgenden steilen Anstieg sehe ich Jan noch ein letztes Mal, etwa 500 m vor mir. Irgendwie fühle ich mich nicht mehr besonders gut, kann ihm nicht mehr folgen.
Die erste Cut-Off- und auch Verpflegungsstelle ist nach etwa 16 km an der Kessel Alm errichtet. Um 10.30 Uhr muss die Station passiert werden. Ich habe eine halbe Stunde Luft zu den 3:30 Stunden. Den Läufern des später gestarteten Mountain Race gibt man bis hier 4 Stunden Zeit. Ihr Weg führt anschließend hinunter nach Rumo.
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