Vor vier Jahren war ich das erste Mal mit Charly zusammen beim Ermstal-Marathon im baden-württembergischen Metzingen. Damals war es heiß und wir mussten ordentlich leiden. Da der Lauf danach erst mal nicht mehr ausgetragen wurde, mussten wir uns keine Gedanken über eine weitere Teilnahme machen. Im vergangenen Jahr war es dann wieder so weit, der Ermstal-Marathon stand wieder im Terminkalender. Wir waren natürlich wieder mit dabei und hatten mit Janosch und Magic sogar Verstärkung an Bord. Es war dann sogar noch heißer als beim ersten Mal und wir plagten uns erneut über die 42,195 Kilometer. Logischerweise waren wir uns einig, dass wir uns diese Strapazen nie wieder antun würden, der Ermstal-Marathon war für uns erledigt.
Doch das menschliche Gehirn ist darauf ausgelegt negative Erlebnisse zu verdrängen und das Gehirn eines Marathonläufers ganz besonders. So ist es nicht verwunderlich, dass Charly und ich das Ermstal heuer wieder unter die Füße nehmen wollten. Die Wettervorhersagen hätte ich eigentlich gar nicht studieren müssen. Temperaturen von 30 Grad sind in Metzingen selbstverständlich und fehlender Schatten sowieso. Also war uns schon vor dem Start klar, dass es wieder mal eine heiße Nummer werden würde. Doch auf der Anfahrt keimte Hoffnung auf. Es war bewölkt und regnete sogar zeitweise. Auch wenn es schwül war, so würden wird doch der sengenden Sonne entgehen.
Wir waren natürlich überpünktlich in Metzingen eingetroffen, holten unsere Startnummern und gönnten uns in einer der historischen Kelter noch einen Kaffee. Da Baden-Württemberg ja lauftechnisch zu meiner zweiten Heimat geworden ist, war es auch nicht verwunderlich, dass ich zahlreiche Lauffreunde traf, die es erstmal zu begrüßen galt. Völlig unbemerkt verzogen sich die dunklen Wolken und pünktlich zum Start trübte kein Wölkchen mehr den Himmel über der Marathonstrecke. Na prima, es wird wieder mal heiß. Dazu kam noch die Schwüle, so dass ich schon vor dem Start erste Schweißtropfen vergoss.
Der Startschuss erfolgte pünktlich um neun Uhr auf dem Metzinger Kelternplatz. Etwas über einhundert Marathonis und über vierhundert Halbmarathonis sorgten erstmal für ein ziemliches Gewusel. Manfred, den ich vergangenes Jahr beim Seenland-Marathon kennen lernen durfte, war schon nach wenigen Metern an meiner Seite und wir beschlossen ohne Diskussion den Marathon gemeinsam zu laufen, da wir beide über unsere Schwächen bei Hitze wussten. Gemeinsam leidet es sich erfahrungsgemäß leichter. Die ersten drei Kilometer liefen wir so Seite an Seite durch Metzingen in Richtung Dettingen. Auch eine kurze Pendelstrecke hatten wir dabei zu absolvieren, um auch tatsächlich auf die volle Marathondistanz zu kommen. In der ersten Runde sind diese zusätzlichen Meter toll zu laufen, da man einen Blick auf das Spitzenfeld hat und zudem mit dem ein oder anderen Läufer abklatschen kann, den man im Trubel vor dem Start möglicherweise übersehen hat.
Kurz vor dem Ortsende stehen sie dann wieder, die treuen Fans, wie jedes Jahr. Bier trinken die Jungs hier schon zum Frühstück und beschallen uns mit der wohl übelsten Musik, die man an Deutschlands Marathonstrecken zu hören bekommt. Ballermann-Hits auf sächsisch. Irgendwie sind sie schon immer lustig und schon bald Kult. Aber schließlich überwiegt dann doch das Grausen. Nichts wie weg hier. Jetzt geht es raus in die Vorläufer der schwäbischen Alb. Bis Dettingen geht`s leicht bergauf, stetig, kaum merkbar, aber doch kräftezehrend. Auf beiden Seiten säumen Obstwiesen und Weinhänge den Weg. Es ist wirklich schön hier, wäre es nur nicht jetzt schon so unangenehm warm.
Während ich mich mit Manfred über den Sinn und Unsinn des Marathonlaufens unterhalte, fliegt uns das Spitzenfeld des 10-Kilometer-Laufs entgegen. Dieser wurde zeitgleich mit uns in Bad Urach gestartet, unserem Wechselpunkt. Bis dahin haben wir aber noch etwas Zeit. Unser Ziel ist jetzt erst mal Dettingen. Aber auch das erreichen wir ziemlich zügig und schon am Orteingang kommen uns zwei Feuerwehrler in kompletter Montur entgegen. Keine Sorge es brennt nichts, die zwei laufen so die zehn Kilometer und das bei diesen Temperaturen. Ich möchte nicht tauschen. Ich bin jetzt schon klatschnass. Die spinnen doch, diese Feuerwehrler.
Noch während ich über deren Motivation nachdenke, laufen wir über den Marktplatz von Dettingen. Die Straßencafés sind schon gut besucht und wir bekommen Applaus. Schon bald haben wir die Halbzeit des Hinwegs nach Bad Urach erreicht. Auf der Tartanbahn des TSV Dettingen drehen wir eine halbe Runde. Dort ist auch eine der zahlreichen Verpflegungsstationen aufgebaut, die heute wichtiger sind, denn je. Nach der halben Runde geht`s wieder raus und wir laufen am Freibad vorbei. Das ist ebenfalls gut besucht und ich mache mir wie jedes Jahr Gedanken, ob ich da nach dem Marathon noch etwas baden gehe. Aber am Ende wird mir wie immer die Motivation dazu fehlen. Das kann ich jetzt natürlich noch nicht wissen. Ich bin ja noch gut drauf.
Kurz danach queren wir eine Staatsstraße, lassen ein kleines Gewerbegebiet hinter uns, bevor es wieder raus in die Natur geht. Nicht mehr weit und wir sind in Bad Urach. Manfred fragt mich nach einer Burgruine in Bad Urach, von der er in einem meiner vorangegangenen Berichte gelesen hat. Die hat er nämlich noch nie gesehen, obwohl er auch nicht das erste Mal hier läuft. Ich werde sie ihm zeigen, sobald wir der Kehre an der Sportanlage von Bad Urach erreicht haben. Davor halten wir aber erst mal Ausschau nach Lauffreunden, die uns schon wieder entgegenkommen. Nach und nach klatschen wir mit Charly, Andy Schick, Gerhard Wally, Kati und Joe Kelbel ab. Die sind schon auf dem Rückweg nach Metzingen, aber nicht wirklich weit vor uns. Schon bald kehren nämlich auch Manfred und ich um. Eine kurze Runde auf der Tartanbahn, bei der ich Manfred noch auf die Burgruine über uns verweise. Wir sind noch von vielen Halbmarathonis umgeben. Über unsere aktuelle Platzierung beim Marathon habe ich keine Vorstellung.
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