Braunvieh, Fleckvieh und Hochlandrinder flankierten die Strecke. Wenn ich nicht gerade einen guten Lauf hatte, einen „Lauf-Flow“, wie es Neudeutsch heißt, dann gab es auch mal ein paar Streicheleinheiten. Doch als ich um eine Ecke bog, traute ich meinen Augen kaum zu trauen. Pustertaler Sprinzen !! Für viele klingt das wie eine österreichische Leckerei, für mich als Rindviehfan stand eine Rarität vor mir. Die Pustertaler Sprinzen oder auch Pustertaler Flecken genannten Tiere unterliegen einem Arterhaltungs-programm, da die Rasse aktuell auf rund 400 Rindviecher geschrumpft ist. Sie gelten als Österreichs schönste Rasse und diesen Eindruck kann ich nur bestätigen. Besonders schöne Tiere zeigen besonders viel weiß und kontrastreich abgesetzte Sprinzen, also Flecken. Der Weißanteil der vor mir stehenden Tiere war ziemlich hoch, das schwarz dezent. Wunderschöne Tiere. Vielleicht komme ich ja mal wieder. Aber dann mir meiner Fotoausrüstung und mehr Zeit. So habe ich nur Zeit für zwei, drei Bilder auf meiner Laufkamera und weiter geht`s. Ab und zu drehe mich noch um, bevor ich mich den letzten zehn Kilometern der Stecke widme.
Schon bald kann ich durch die Bäume St. Anton am Arlberg erkennen. Das Ziel ist nahe. Schon fast hatte ich vergessen, dass noch ein ordentliches Stück Arbeit vor uns liegt. Nachdem ich mich geistig schon darauf eingestellt hatte, dass es nur noch bergab geht und ich von nun an entspannt ins Ziel laufen kann, wurde ich je gebremst. Ein Anstieg lag vor mir, der nicht zu enden schien. Stimmt, die Veranstalter hatten ja die Stecke geändert. Doch kurz bevor meine Oberschenkel streikten war ich oben und konnte mich an einer der letzten Versorgungsstationen laben. War`s das mit den Aufstiegen, fragte ich den Chefkellner, der mir einen Becher Cola reiche, doch der lächelte nur wissend und meinte, dass ich mich überraschen lassen soll. Nachdem ich einen weiteren Gebirgsbach dank einer Holzbrücke überquert hatte, ging es wieder schön bergab und ich konnte es auf einer leicht-Trail-angehauchten Stecke wieder laufen lassen.
St. Anton kam immer näher, bald war es geschafft, doch als ich um eine enge Kurve bog, wurde ich erneut jäh eingebremst. Schon wieder ein Anstieg. Der Puls war bei mir nun am Anschlag und ich hatte tatsächlich etwas zu kämpfen bis ich oben war. Dafür kam nun der versprochene Abstieg Richtung St. Anton. Anderthalb Kilometer Trailspass pur. Schmale Wurzel-Trails wanden sich serpentinenartig durch den Wald und ließ jeden Schmerz vergessen. Teilweise musste ich mal eine Gehpause einlegen, da die Oberschenkel alarmierend darauf hinwiesen, dass auch Abwärtslaufen kein Vergnügen ist. Viel zu schnell war ich eigentlich unten angekommen und hatte nun nur noch zwei Kilometer vor mir.
Die letzte Verpflegungsstelle am Ortseingang von St. Anton ließ ich mit den Worten: „Danke, ich bin schon satt.“ links liegen und lief locker weiter in Richtung Ziel. Die Dorfstraße die nun schnurgerade auf Ziel zuführte, kannte ich ja schon vom Vortag und ich genoss die Sonne, die inzwischen den Weg durch die Wolken gefunden hatte und den Applaus der wenigen Zuschauer, die noch auf uns gewartet hatten. Ein altes touristisches Ehepaar zollte mir ihren Respekt. „Well done!“ riefen sie und die Lady klatschte begeistert. Ich bedankte mich kurz mit einer leichten Verbeugung und einem „Thank you!“, worauf die alte Dame eifrig zu winken begann. Berührt von dieser Begegnung vergaß ich beinahe meine Kamera und kramte sie gerade noch rechtzeitig aus der Tasche, um die Medaillen-Mädels zu fotografieren. Ich war im Ziel!
Bernie war erwartungsgemäß eine Stunde schneller als ich im Ziel und erwartete mich schon im Hotelzimmer. Nach einer warmen Dusche und einem kurzen erholsamen Nickerchen, besuchten wir noch die Marathonparty in der „Dorfstube“, die direkt auf der anderen Straßenseite lag. O.K., es war dann mehr eine Pasta-Party mit drei Gängen, aber man kam doch noch mit dem einen oder anderen Läufer ins Gespräch. Wir setzten uns zu einem jungen Finnen an den Tisch und fachsimpelten auf Englisch etwas über diverse Marathons, sowie natürlich auch über den Montafon-Arlberg-Marathon. Tero Ruokalainen, so hieß der junge Mann, erzählte ganz bescheiden, dass dies erst sein zehnter Marathon gewesen sei und er in sich selbst zum 28. Geburtstag geschenkt hätte. Kein Wort ließ er über seine erbrachte Leistung verlauten und schien eher von Bernie und meiner Erklärung beeindruckt, dass wir während des Laufens auch noch fotografieren. In der Ergebnisliste tauchte Tero schließlich mit unglaublichen 3:51 Stunden und einem neunten Platz in der Gesamtwertung auf. Einer Zeit, die ich nicht mal flach laufen kann und das durch einen Finnen, der ja auch nicht gerade in alpinen Verhältnissen aufgewachsen ist.
Bernie war rechtzeitig zum nächsten Fußball-WM-Spiel zurück im Hotel. Ich wollte die Zeit für einen gemütlichen Spaziergang durch St. Anton nutzen, rechnete dabei jedoch nicht mit der Offenheit der Bewohner St. Antons, denen im Sommer jede Abwechslung recht ist. Ich kam nicht wirklich weit und landete in einem Bistro, wo ich ein paar Einheimischen von meinen Marathonerlebnissen erzählen musste. Sie informierten mich im Gegenzug über das Leben in einem Winterskiort, der in den kalten Monaten von Touristen überlaufen ist und einem im Sommer nahezu ausgestorben vorkommt.
Rückwirkend habe ich eigentlich nur eine Idee, wie man diesen Marathon noch verbessern könnte und das liegt nicht in der Hand des Veranstalters. Diese Strecke bzw. diese Landschaft bei blauem Himmel und Sonnenschein genießen zu dürften, würde mich sicherlich nochmal zu einem Start beim Montafon-Arlberg-Marathon hinreißen lassen. |