Knapp unterhalb des Gipfels passieren wir den Sederer. Eine äußerst delikate Stelle folgt beim anschließenden Bergabstück. Über einen Holzeinstieg muss man in mit Stacheldraht umzäunte Alpweiden einsteigen. Leider ist hier weder ein Schild des Gebirgsmarathons, noch eine offizielle Wegbeschilderung der Nagelfluhkette angebracht. Ich bin nicht der einzige, der hier schon einmal geradeaus weitergelaufen ist und sich so richtig gefährlich an die steil abfallende, ungesicherte Felswand bewegt hat. Obwohl die Stelle relativ unscheinbar ist, habe ich sie mir gemerkt und komme heute nicht mehr in Gefahr. Mein Tipp für alle Neulinge, die auch einmal den Gebirgsmarathon bestreiten wollen: Nach dem Passieren des Sederer unbedingt schnellstmöglich nach links, den Einstieg in die Viehweiden vorzunehmen.
Recht gut zu laufen ist der einige hundert Meter lange Abstieg über die Wiesen. Ein paar ausgetretene Trampelpfade markieren recht deutlich den richtigen Weg. Vor uns präsentiert sich eindrucksvoll der Kamm und die steil abfallende Wand des Buralpkopfs mit seinen diagonal freigelegten Felspartien.
Einige kürzere Kletterpartien, wo schon Mal die Hände benötigt werden, beinhaltet der Aufstieg zum Buralpkopf, der im Übrigen gar keinen richtigen Gipfel aufweisen kann, sondern eher ein Bergrücken ist. Was ihn aber nicht unattraktiver macht, ganz im Gegenteil.
Einer der aufregendsten Abschnitte führt uns über erodierte Wegspuren zum Gündleskopf. Über eine mit Stahlseil gesicherte Stelle gilt es ein felsiges Gratstück von etwa 30 Metern Länge zu überqueren. Ohne dieses Seil würden wahrscheinlich viele Teilnehmer schwer ins Grübeln kommen, hier überhaupt weiterzugehen. Ich muss erst einmal tief Luft holen und meine Kamera gut sichern. Mit einer Hand am Seil balanciere ich vorsichtig drüber – eine abenteuerliche Mutprobe. Trotz alledem, der Abschnitt ist atemberaubend.
Wenn man sich die durch kohlensauren Kalk zusammenzementierten Nagelfluh-Felsen aus grobem Geröll und gerundeten Kieselsteinen einmal aus der Nähe ansieht, kann man sich schwer vorstellen, dass das Gestein sehr witterungsbeständig ist und schon viele Jahrtausende „überlebt“ hat. Aber es ist robust und bei den Allgäuern wird die Nagelfluh auch liebevoll als Herrgottsbeton bezeichnet.
Ruppige und entlang unserer Wegführung ausgewaschene Pfade mit oftmals freigelegten Gesteinsstücken, führen uns durch Almweiden steil hinunter zur Gündlesscharte. Mit einem Quad hat man Cola und Wasser für uns herauf transportiert und einen Getränkestand errichtet.
Viel Zeit zum Erholen bleibt nicht, der Aufstieg durch die Gündlesscharte führt gefühlt fast senkrecht nach oben. Die Führenden sind bereits auf ihrem Rückweg und kommen uns hier entgegen. Im Affenzahn stürzen sie sich durch tief ausgewaschene und noch sehr feuchte und dadurch rutschige Rinnen den Abhang herunter. Ich bin froh, mir das in aller Ruhe ansehen zu können und es ihnen bei meinem späteren Rückweg nicht nachmachen zu müssen.
Ein paar Höhenmeter unterhalb des Gipfelkreuzes des Rindalphorns ist die Kletterpartie beendet. Für uns geht’s links weiter, der Gipfelsturm bleibt uns erspart. Ein überwältigender Ausblick bietet sich bei der Überführung zum Gelchenwanger Kopf auf dem ganz nah am Kammgrat entlang laufenden Pfad. Darunter sind jetzt auch immer wieder ganz angenehm zu laufende Abschnitte über den weichen Wiesentrail. Aber stellenweise auch einige Schlammlöcher, bei denen man sich erst einmal die richtige Route überlegen muss, um nicht knöcheltief im Matsch zu versinken.
Über die Brunnenauscharte führt der letzte Aufstieg unserer ersten Rennhälfte hinauf zum höchsten Punkt der Strecke, dem Hochgratgipfel auf 1834 Meter. Der komplette Abschnitt ab Buralpkopf ist stark frequentiert, viele Ausflügler sind bei heute idealen Wetterbedingungen von der naheliegenden Hochgratbahn her unterwegs. Aber die meisten machen schnell bereitwillig Platz und sparen auch nicht mit Anfeuerungen. Sicherlich muss man sich an besonders exponierten Stellen manchmal etwas arrangieren und auch einmal warten, da einfach nur einer durch kann. Ich habe damit eh kein Problem, wie die Spitzenläufer das empfinden, kann ich nicht beurteilen.
Im Übrigen gibt es ab Einstieg in die Nagelfluhkette keine Beschilderungen mehr vom Veranstalter des Gebirgsmarathons, unsere Laufstrecke führt ganz normal über die Wanderroute. Ist man erstmal auf den Wegen der Höhenwanderung, ist ein Verlaufen aber auch kaum mehr möglich. Abzweigungen sind auch nicht vorhanden, außer mal ein kurzer Abstecher zum Gipfelkreuz.
An den Brotzeittischen für Ausflügler vor der Bergstation der Hochgratbahn befindet sich unser Wendepunkt und auch eine Versorgungsstation. 20 km sollten hier in etwa absolviert sein. Cola, Wasser und Melonen sind im Angebot. Leider hat der Betreuer der Station keine Ahnung, wie viele Läufer sich noch auf der Strecke hinter uns befinden und beschäftigt sich bereits mit dem Einpacken seiner Getränke. Eine Strichliste, wer bereits durchgekommen ist, oder auch einen Besenläufer, gibt es nicht. Einer meint, es sei nur noch mit einem zu rechnen. Es ist zu befürchten, dass die Station abgebaut wird, obwohl noch einige Läufer unterwegs sind.
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