Wer
heuer in den Marathon-Kalender schaut wird feststellen: Jubiläen
über Jubiläen. Allen voran die 2500 Jahre Marathon-Lauf
auf der historischen Strecke in Athen. Nicht ganz so alt ist die
Hamburger Veranstaltung, aber immerhin auf 25 Jahre hat man es hier
auch schon gebracht und das soll an diesem Wochenende auch dementsprechend
gefeiert werden.
An einem neuen Standort präsentiert man uns heuer die Marathon
EXPO Hamburg. Mit einem „Sprung über die Elbe“
schickt man uns in den Hamburger Freihafen. Nach der HafenCity ist
hier eine zweite städtebauliche Erweiterung auf der südlichen
Elbseite geplant. Aber wie kommt man jetzt dahin? Für Autofahrer
ist das kein Problem, aber Auswärtige die wie ich mit Bahn
oder Flieger angereist sind, werden beim Blick auf U- und S-Bahnplan
feststellen, die nächste Haltestelle ist doch ein Stückchen
entfernt. Aber halt, bevor jetzt schon jemand zum meckern anfängt,
alles kein Problem. Vom Hamburger Hauptbahnhof fahren Busse im 10-Minuten-Takt
hin und her, gratis versteht sich, die stellt uns der Veranstalter.
Die Wartezeit am Hbf ist wirklich nur sehr kurz und Gedränge
im Bus – zumindest am Freitag – gibt’s auch nicht.
Nach ein paar Minuten Fahrzeit haben wir „Schuppen 52“
erreicht, so nennt sich die Location für die Marathonmesse.
Wir bekommen von hier einen traumhaften Blick über die Elbe
auf das Stadtpanorama von Hamburg geboten. Zwischen 1908 bis 1912
wurde die Halle und viele seiner Artgenossen noch in der Kaiserzeit
erbaut und waren Umschlagplatz und Lager für Waren aller Art
aus aller Welt und die größten und modernsten ihrer Zeit.
Bis in die 80er Jahre hinein sind hier die Ladungen ungezählter
Seeschiffe aus aller Welt umgeschlagen worden. Hunderte von Hafenarbeitern
fanden in den Schuppen ihr Auskommen, tausende von Hamburgern haben
hier als junge Leute nebenbei gejobbt. Der vom Container ausgelöste
Strukturwandel im Hamburger Hafen hat dann den Abbruch diverser
historischer Hafengebäude nach sich gezogen. Nur wenige dieser
klassischen Hafenschuppen konnten davor bewahrt werden.
Das wichtigste für uns Läufer wird gleich nach dem Eingangsbereich
erledigt. Check der Startunterlagen, Startnummernempfang, Chipkontrolle
und – wer’s zusätzlich per Aufpreis bestellt hat
– Ausgabe des Finishershirts. Am Freitag gibt es hier null
Wartezeit. Dieses Wochenende bin ich mit Margot, Judith, Silvia
sowie Gerhard unterwegs. Nach der Startnummer wird sofort das Shirt
begutachtet. Hier hält sich die Begeisterung aber stark in
Grenzen. In meinem Job als Grafiker und Designer würde ich
bei meinem Chef für so eine Arbeit die verächtliche Kritik
„lieblos“ ernten. Beim bestellen musste man sich leider
blind darauf verlassen, was angeboten wird, Voransicht gibt es nicht.
Wie man es besser machen kann, wird uns sofort beim Betreten der
Ausstellermesser präsentiert. Am ASCICS-„Race Your Pace“-Stand
ist das 25-Jahre-Jubiläumsshirt ausgestellt, kaufen kann man
es leider nicht, das muss man sich verdient haben. Es erhält
jeder, der alle 25 Hamburger Marathons erfolgreich absolviert hat.
Davon gibt es stolze 39 Personen, darunter auch Viellauf-Weltrekordler
Horst Preisler.
Beim durchschlendern der Halle fällt mein Blick immer wieder
auf die eindrucksvolle Holz- und Eisenkonstruktion an der Decke
der Halle, wirklich ein außergewöhnlicher Ort. Ich bin
begeistert und finde sie passt wunderbar zu Hamburg und so auch
zum Hamburg-Marathon. So recht kann ich die Kritik, von der vielfach
zu lesen war, nicht verstehen. Es war sogar die Rede von einer „Zumutung“
für uns Läufer. Ich und auch meine Begleiterinnen schließen
sich diesem Urteil überhaupt nicht an und behaupten sogar das
Gegenteil. Man sollte eher stolz sein auf diesen wunderschönen
Ort. Mir fehlen die sterilen Messenhallen in keiner Weise. Man muss
sich wohl damit abfinden, dass Nörgler überall zu finden
sind.
In der Luft liegt noch der Gewürzgeruch aus alten Zeiten, behaupten
zumindest meine Mädels und ich konnte es auch bei Gesprächen
aufschnappen. Mein Nässchen ist nicht so fein, darum enthalte
ich mich da lieber jeglicher Anmerkung, mir ist das nicht negativ
aufgestoßen. Zum Kaufen gibt es alles was der Sportler noch
so brauchen könnte und das eine oder andere Schnäppchen
ist auch darunter. Vor dem Ausgangsbereich sind vom Catering-Service
auch Tische und Stühle und einige Stände zum Verpflegen
aufgebaut. Mit freien Blick auf die Silhouette von Hamburg, gewaltigen
Lastenkränen und den Hafen. Einfach herrlich und einmal was
ganz anderes.
Am Samstag findet für 5.500 Kinder und Jugendliche aus Norddeutschlands
Schulen und Vereinen „Das Zehntel“ statt. Sie absolvieren
dabei wie wir „Großen“ einen Lauf unter Wettkampfbedingungen.
Entlang der langen Start- und Zieleinlaufpassage gibt’s kaum
ein Durchkommen für Zuschauer, ja da ist richtig was los, sogar
der NDR hat Kameras da und Moderator Lou Richter kommentiert. Um
11 Uhr schickt Marathon-Europameisterin Ulrike Maisch die Zehntel-Marathonis
im Alter von 4 – 17 Jahren auf den genau 4,2195 km langen
Rundkurs. Fast 10 Minuten dauerte es bis alle aus den Startblöcken
sind, manch einer hat sogar seinen Teddy zur moralischen Unterstützung
dabei, kann ich ausmachen. Der Sieger schafft die Strecke in 14
Minuten und muss dabei noch Schlangenlinien laufen, um nicht die
jüngsten Nachzügler umzulaufen. Im Ziel stürzen sich
Fernseh- und Zeitungsreporter auf den männlichen Sieger und
die weibliche Siegerin. Für die nächstplatzierten interessiert
sich niemand mehr ...auch wie bei den „Großen“.
Natürlich ist ein 25. Geburtstag auch ein Grund zum Feiern,
daher findet am Nachmittag eine große Jubiläumsparty
auf dem Heiligengeistfeld statt. Für das musikalische Angebot
sorgen mehrere Gruppen. Nach unserem Sightseeing-Programm schauen
wir um 17 Uhr mal vorbei. „AussenBoarder“ mühen
sich gerade auf der Bühne ab, mit großen Applaus und
Begeisterung werden sie dafür aber nicht belohnt. Überhaupt
die richtig große Partystimmung herrscht hier nicht. 50.000
Zuschauer hatte man erhofft, das sieht hier aber nicht so aus, würde
ich aus dem Stehgreif behaupten.
Lag in den Tagen vorher noch kalter Wind in der Luft, so ist es
doch heute am Marathontag spürbar wärmer geworden und
bis zu 20 Grad wolkenlos sind uns noch vorausgesagt. Das bedeutet
für mich mal wieder: mein Lieblingswetter. Jetzt am Morgen
ist es zwar noch etwas frisch, aber mit einer Wärmefolie oder
einer alten Jacke/Pulli lässt es sich die Zeit von der Kleiderabgabe
bis zum Start ordentlich überbrücken. Platz ist auch genügend
auf dem Heiligengeistfeld, darum gibt es auch kaum Gedränge,
außer natürlich an den Toilettenhäuschen.
Die Zielsetzung unseres Teams ist unterschiedlich. Judith will unter
3:45 und wird dabei von Gerhard unterstützt. Für Margot
ist für heute das erreichen des Ziels vorrangig, eine Entzündung
am Knie bereitet ihr schon seit Wochen ernsthafte Probleme, mit
vielen Laufausfällen. Die letzten beiden Wochen mutierte sie
gar zu Walkerin. Silvia gibt ihr Debüt auf der Marathonstrecke,
mal schauen was geht. Ich werde meinen Lauf gemütlich durchziehen,
ich möchte die Stimmung mit der Kamera einfangen und habe sogar
noch einen Zusatzakku dabei.
Pressefritzen dürfen vorne rein, daher quetsche ich mich an
die vorderste Front, vielleicht kann ich ja dem favorisierten Wilfried
Kigen mal in die Augen sehen. Da habe ich aber nicht die Rechnung
mit einer Ordnerin gemacht, sie meint ganz vor darf ich nicht. Wäre
auch gar nicht möglich gewesen, da ich ja im Gegensatz zu den
anderen Fotoreportern einen Chip am Fuß habe und so gar nicht
über die Matten könnte, weil ich nicht mehr zurückkäme.
Dariusz Michalczewski wird vor seinem zweiten Marathon interviewed,
wie im Vorjahr ist sein Ziel die 4 Stunden zu knacken. Plötzlich
steht der Ex-Boxweltmeister vor mir, umgeben von ein paar schwarzen
Männern. Ganz grimmig sieht er mich an, als ich ihn ablichte.
Keine Angst „Tiger“, ich tue dir nichts. Angespannt
wie alle anderen auch darf er natürlich schon sein, er hat
ja auch in einem Interview behauptet ein Marathon ist härter
als ein Boxkampf. Wissen wir doch alle schon längst.
Punkt 9 Uhr wird für uns Läufer mit der Schiffsglocke
angeglast. Startschuss darf hier keiner erfolgen, da der Startbereich
zwischen Millerntorplatz und Reeperbahn laut eines Waffentrageverbots
in dieses Gebiet fällt. Bei jetzt angenehmen Lauftemperaturen
führt uns der erste Kilometer durch St. Pauli. Viele Zuschauer
haben sich bereits eingefunden, es geht entlang der Reeperbahn,
– auf der zu früheren Zeiten die hundertmeterlangen Schiffstaue
(Reepe) gedreht wurden – den zahlreichen urigen Kneipen und
Pubs, Bars, Discotheken und Live-Clubs. Ein Laufhaus liegt rechts
unseres Weges und lockt zum Besuch, wenngleich es auch für
eine andere Zielgruppe gedacht ist. Dann erreichen wir den Eingang zur „Großen Freiheit“.
Direkt davor stehen auf dem neuen Beatles-Platz die Skulpturen der
weltberühmten „Fab Four“ aus hochglanz-polierten
Edelstahl und sehen unserem Treiben zu. In die Rillen zwischen den
Granitplatten sind Edelstahlbänder mit 70 eingravierten Songtiteln
eingelassen. Am Rand des Tellers erzeugen im Boden versenkte quadratische
Lampen, die abwechselnd leuchten, den Eindruck eines rotierenden
Plattentellers. Hamburg feiert heuer auch ihr Jubiläum. Hier
kamen sie an, im Sommer 1960, Milchbubis mit Elvis-Tolle, zum ersten
Mal von zu Hause weg und nur dritte Wahl. Nur weil zwei andere Liverpooler
Bands abgesagt hatten, wurden sie letztendlich engagiert.
Von hier aus versetzen sie ganz Deutschland in Aufruhr. Drei der
vier Clubs lagen an dieser Vergnügungsmeile in denen die Pilzköpfe
von Rock’n Roll-Rüpeln zu Pop-Ikonen reiften. Bis zu
acht Stunden dauerten ihre Auftritte im „Indra“, im
„Top Ten“ und im legendären "Star-Club".
„Anspruchsvolle Entkleidungsrevue“ wurde im Indra bei
ihrem ersten Deutschland-Engagement geboten. Die war die Rettung
der Beates, da sie doch gerade einmal für eine Stunde eingeübte
Titel im Repertoire hatten und froh waren, dass Stripperinnen ihnen
so Verschnaufpausen verschafften. Meist mussten sie von 19 Uhr bis
in den Morgengrauen spielen. Hinter dem Platz liegt das „Beatlemania“,
die neue Beatles-Welt auf fünf Stockwerken. Hier kann man die
Musik, die Filme, den Wahnsinn und die ganze Welt der Beatles noch
einmal erleben.
Kaiser Wilhelm I begrüßt uns nach zwei Kilometern auf
seinem Reiterstandbild vor dem schmucken Rathaus von Altona. Weil
es so schön ist und auch das Standesamt darin untergebracht
ist, ist es für Eheschließungen sehr begehrt. Nach fünf
Kilometern wird die Himmelrichtung gewechselt, in entgegen gesetzter
Richtung geht es auf der Elbchausse Richtung Hafen, an tollen Villen
und vielen, vielen Zuschauern vorbei.
Den ersten Zuschauerhöhepunkt erreichen wir nach 10 km, bergab
geht es rein in den Hamburger Hafen, vorbei an Fischmarkt –
der traditionell am Marathontag immer länger geöffnet
hat – und Landungsbrücken. Rechts und links, über
uns auf den Brücken, dichtgedrängt stehen die Menschen
und johlen, feiern und schreien. Auf unserer Straße ist es
schon voll, was aber entlang und über uns abgeht ist einmalig,
es braucht den Vergleich mit einem tobenden Fußballstadion
nicht zu scheuen. Vor uns im Wasser liegt mit der Color Fantasy
ein Riesen Luxusliner zum Anfassen nahe und bietet uns dazu noch
eine herrliche Hintergrund-Kulisse.
Zwischen Baumwall und Deichtorhallen passieren wir die hundertjährige
Speicherstadt, sie ist der weltgrößte auf Eichenpfählen
gebaute, zusammen-hängende Lagerhauskomplex. Wilhelminische
Backsteingotik der Gründerzeit, bizarre Giebel, Türmchen
und herrliche alte Fachwerkbrücken mit den Statuen von Columbus,
Vasco da Gama u. a. schmücken unseren Weg. Hinter den dicken
Mauern der Backsteingebäude lagern wohltemperiert Kaffee, Tee,
Kakao, Gewürze, Tabak, Computer und das größte Orientteppichlager
der Welt.
Neben dem Hauptbahnhof geht es rein in einen Tunnel, wer jetzt denkt:
bloß schnell durch, wird in Hamburg eines anderen belehrt.
Hier wird richtig Stimmung gemacht, dazu braucht es ausnahmsweise
mal keine Zuschauer, das machen wir Läufer selbst. Von 5 wird
runtergezählt und ab geht die Post, in unserem Fall die La-Ola-Welle.
Insgesamt fünf Mal wiederholt sich das bei meinem Durchlauf,
dazu kommen noch zwei Klatschtiraden.
Weiter mit Stimmung geht’s am Herzstück der Innenstadt,
dem Jungfernstieg, 15 km haben wir hier hinter uns. Früher
gingen hier die Familien am Sonntag spazieren und führten ihre
unverheirateten Töchter ("Jungfern") aus –
daher der Name. Heute drücken sich die Familien am Straßenrand
dicht an dicht. Einige der besonders hübschen Jungfern mit
auffälligen Schildern sehe ich hier auch schon zum zweiten
Mal. Sie wandern mit uns mit.
Die komplette Umrundung der Binnenalster beschließen wir mit
dem Überqueren der Kennedybrücke, von der wir jetzt eine
wunderbare Aussicht über die große Fläche der Außenalster
haben. Teilweise bläst uns schon spürbar ein Lüftchen
entgegen, den viele Seglern auf dem Wasser wird das besser gefallen
als uns, da die Temperaturen aber mittlerweile schon langsam Richtung
20 Grad marschieren, können wir das auch locker verkraften.
Ich lasse mich heute einfach nur durchtreiben und genieße
den Lauf. Meine Bestzeit steht in Hamburg, ich muss nichts mehr
beweisen.
Einige Kilometer laufen wir jetzt bis „Schöne Aussicht“
immer an der Außenalster an herrlichen Villen entlang, dann
verlassen wir das Ufer nach fast 20 Kilometern. Über die Beethovenstraße
durchlaufen wir die Stadtteile Barmbeck, Ohlsdorf, Alsterdorf und
Eppendorf. Was sich hier abspielt habe ich bisher noch nicht erlebt.
Jetzt geht die Party erst richtig los. Alle, ich glaube wirklich
alle sind an der Laufstrecke und machen Picknick, feiern Partys
oder feuern uns einfach nur an. Manche haben gar ihr Wohnzimmer
ausgeräumt und die Polstergarnitur samt Tisch an den Straßenrand
gestellt. Andere machen ein Grillfest oder veranstalten ein Picknick
am Straßenrand. Überall riecht es lecker und die Menschen
sind gut drauf. Die Congas stehen jetzt auf dem Balkon und der Besitzer
gibt uns den Rhythmus vor. Einfach Sensationell.
Was ist hier heute los? Wahnsinn. Du kannst alles haben, die meisten
haben was zu Essen und Trinken dabei. Bei einer älteren Dame
halte ich kurz an und frage was sie denn in ihrem edlen Weinkühler
hat, da kommt mir schon ihr Begleiter zuvor: „Möchtest
ein Bier haben?“ Ja, klar will ich. Ein paar Kilometer weiter
mache ich halt am privaten Colastand, dazu gibt es diverse Kuchen
oder Schokolade serviert. Die Jungs am Grill würden mir auch
ein Stück abgeben, aber das habe ich mir noch nicht verdient,
bis zum Ziel sind es noch 10 Kilometer. Die Hamburger sind nicht
ins Grüne gefahren, sondern haben sich alle hier zu einem riesigen
Volksfest versammelt. Außer vielleicht in New York bin ich
namentlich noch nie so oft angefeuert werden.
Gestern bildeten 100.000 Menschen bei der Anti-Atomkraft-Demo eine
120 Kilometer lange Kette zwischen den abgeschalteten Atomkraftwerken
Brunsbüttel und Krümmel mit Schwerpunkt Hamburg. Wenn
sich heute alle an den Händen fassen würden, könnte
man wahrscheinlich einen zig-fachen Ring um die komplette Marathonstrecke
legen. Bei allen Problemen des Veranstalters, die Menschen aus Hamburg
und Umgebung lieben ihren Marathon, das kann man uneingeschränkt
behaupten.
Unglaublich, aber es gibt sogar noch eine Steigerung. Phänomenal
was sich am Eppendorfer Baum bis in die Rothenbaumchaussee abspielt.
Durch ein vielleicht zwei bis drei Meter breites Spalier dürfen
wir einige hundert Meter hindurch. Mehr Begeisterung geht kaum,
das ist Central-Park-Feeling pur. Sogar noch besser und intensiver,
dort ist die Straße nämlich mindestens zwei- bis dreimal
so breit. Ich würde gerne diese Stimmung auf der Chipkarte
festhalten, geht aber nicht, es ist so eng, dass ich beim anhalten
glatt überrollt würde. Ich versuche es mal wie Joe, der
macht das immer im Laufen. Das Ergebnis ist aber nur befriedigend,
anvisieren und abdrücken, mehr ist einfach nicht möglich
in der Enge. Schade, dieses Wahnsinns-Erlebnis hätte ich gerne
vernünftig auf Bild gehabt.
Auf der Glacichaussee geht’s rein ins Ziel, wie überall
auf der Strecke das gleiche Bild, alles voll besetzt. Ich muss noch
eine halbe Minute vor dem Zielbanner warten, will mal versuchen
ob ich mein Geburtsdatum stoppen kann. Die Minuten haben gepasst,
aber um 5 Sekunden bin ich daneben. Nachdem ich mit der Medaille
meinen verdienten Lohn abgeholt habe, gehe ich nochmal zurück
zum Zieleinlauf um noch ein paar Eindrücke einzufangen und
Silvia und Margot zu empfangen. Da läuft mir schon Johannes
B. Kerner in die Arme: „Wo gibt’s die Medaillen?“
ist er ganz scharf darauf zu wissen. 4:35 ist er gelaufen. Respekt,
für so einen megapräsenten Fernsehmann eine super Leistung.
Dann wird’s fast kitschig oder doch romantisch? Alexander
im Bräutigams-Verkleidung mit Zylinder kniet auf der Ziellinie
nieder und macht seiner Freundin einen Heiratsantrag. Die ist völlig
überrascht und sagt ja. Nach einander kommen ein Wasserträger,
Spidermann und ein König ins Ziel. Heute haben alle ihren Spaß
gehabt, da bin ich mir sicher.
Judith hat's geschafft mit Gerhard im Schlepptau: erstens ihre Bestzeit
und dazu noch mit einer "Rettungstat" in den Bericht der
Hamburger Bild-Zeitung. Zwei Meter vor dem Ziel knickte ein völlig
fertiger Läufer direkt vor ihr in die Knie und fiel ihr fast
in die Arme. Mit einem Mitläufer nahmen sie ihn auf und transportieren
in über die Zeitmessung in die Hände der Sanitäter.
Die Zeit verinnt und langsam mache ich mir Sorgen um Margot, aber
dann läuft sie doch ein. Silvia ist nicht dabei, wie ich eigentlich
vermutet hätte, bis zur HM-Marke sind sie zusammen gelaufen
und hat sich zurückgehalten und dann Gas gegeben. Super Taktik
und das gleich beim ersten Mal. Mit einer tollen Zeit ist sie schon
längst durch und ich hab sie verpasst. Mit einem gelben Leiberl
wäre das nicht passiert, ich war bei den vielen Zieleinläufen
immer auf unsere Farbe fixiert.
Für mich hat's hat auch noch zu einem neuen Rekord gereicht,
220 Bilder habe ich noch nie "während" eines Marathons
geschossen. Am Abend wurde gefeiert, natürlich auf dem Kiez
in diversen Kneipen und dann mussten wir Silvia nach der "Großen
Enge" zwischen 850.000 euphorischen Zuschauern, noch die "Große
Freiheit" zeigen, alleine hätte sie sich nicht rein getraut.
Nach diesem großartigen Erlebnis bleibt mir nur noch eines
zu sagen: Wer heute nicht dabei war, hat definitiv was verpasst.
Danke, Hamburg, du warst fantastisch!
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