Endlich
Frühling, da ist die Anfahrt zu einem Marathon noch einmal
so schön. Über A8 und A7 kommen wir locker von Augsburg
in 2 Stunden nach Würzburg. Zu unserer freudigen Überraschung
stellen wir fest dass unser Hotel, das zugleich auch die offizielle
Marathon-Unterkunft ist, genau am Marathonstart liegt. Die Hotelzimmer
werden vom Veranstalter zu wirklich sehr günstigen Preisen
angeboten.
Zur gegenüberliegenden Messe sind es genau mal zwei Fußminuten.
Direkt am Main am Viehmarktplatz vor der Friedensbrücke ist
die kleine Zeltstadt aufgebaut, hier gibt es alles was das Läuferherz
begehrt, natürlich auch unsere Startunterlagen. Mir persönlich
gefällt das sehr gut, es hat so sein eigenes Flair, und bei
dem herrlichen Wetter bin ich auch viel lieber an der frischen Luft.
Ob’s wirklich noch schöner wird, wenn nächstes Jahr
alles ins gegenüberliegende Kongress Centrum verlegt wird,
wird sich zeigen.
Das Abholen der Startunterlagen geht ruckzuck von statten, danach
schlendern wir noch etwas durch das Zelt, irgendwas benötigt
der Läufer ja immer, ich finde einen Stand mit meinen bevorzugten
Oatsnack Energieriegeln, die sind gar nicht so leicht zu bekommen,
ich decke mich mal vorsichtshalber mit ein paar davon ein. Im Außenbereich
gibt es einen Stand vom Würzburger Sommer-Biathlon Verein,
wer will kann ein paar elektronische Schüsse auf die 5 Zielscheiben
abgeben, was wäre das für eine Gaudi, so was mal bei einem
Marathon einzubauen und dafür Zeitgutschriften zu bekommen.
Hunger haben wir auch schon, so lösen wir gleich den Gutschein
zur Nudelparty ein, man kann wählen unter zwei Soßen.
Ich mache lieber keine Experimente und nehme die Tomatensoße.
Bei dem herrlichen Wetter lädt natürlich auch ein Spaziergang
durch die wunderschöne Altstadt von Bayerns viertgrößter
Stadt ein. Über die mehr als 500 Jahre alte Mainbrücke
mit seinen zwölf zirka 4,5 Meter hohen Sandsteinfiguren kommt
man genau in den Altstadtkern, am Samstagnachmittag ist da einiges
los. Unser Rundweg führt über das Alte Rathaus Grafeneckart
zum St. Killians Dom, weiter bis zur Residenz, früher Sitz
der Würzburger Fürstbischöfe, heute UNESCO-Weltkulturerbe.
Das Schloss zählt zu den Hauptwerken des süddeutschen
Barock mit weltberühmten Fresken von Tiepolo, die hätten
mich schon interessiert, wir verzichten aber darauf zugunsten des
Marathons. Die markante rote Marienkapelle besuchen wir noch auf
dem Rückweg, die ganze Tour kann man locker und gemütlich
in zwei Stunden ablaufen, ist sogar vor einem Marathon kein Problem.
Am Spätnachmittag habe ich noch ein Treffen mit Klaus Duwe
dem Mr. Marathon4you und da ich jetzt sozusagen auch eines von seinen
"Autorenschäfchen" bin, möchte ich in natürlich
gerne kennenlernen. Ich werde von ihm gleich mit der tollen Marathon4you-Kollektion
ausgestattet, das orangene "Leiberl" werde ich morgen
ausnahmsweise gegen unser gelbes Shirt tauschen, passt auch gut
zu meinen gelben Schuhen.
Am Marathon-Sonntag beim Frühstück kommt der nicht ganz
unerwartete Anruf mit der Absage von Gerhard. Vier Mann mussten
am Vortag drei 7,5 Tonner-LKW beim Umzug der Schwägerin ausladen,
das war etwas zuviel für seinen Körper. Ein bisschen enttäuscht
waren wir schon.
Wir können uns heute durch die tolle Lage des Hotels ungewöhnlich
viel Zeit lassen, das Haus verlassen erst nach 9:30 Uhr, auf der
Straße ist schon einiges los, aber so richtig Stress macht
noch keiner. Dabei sind auch unsere schnellen Jungs Speedy, Magic
und Mario. Er ist eigentlich auch der Hauptgrund warum wir hier
laufen, er möchte unbedingt heute die "Boston-Quali"
erlaufen und die liegt in seiner AK bei 3:20 h. Magic will sich
als Pacer bis zur HM-Marke zur Verfügung stellen. Der Würzburg
Marathon zählt mit Hamburg, Berlin, Frankfurt und dem Ruhr-Marathon
zu den einzigen AIMS (Association of International Marathons and
Distance Races) zertifizierten Kursen in Deutschland, auf denen
man die Qualifikationszeit in Deutschland erfüllen kann, so
geht das zumindest von der Boston-Marathon Website hervor, ob es
wirklich so streng gehandhabt wird und nicht auch weitere deutsche
Marathons anerkannt werden, vermag ich nicht zu beurteilen.
Ich will das ganze heute nicht so ambitioniert angehen, da ich das
mit der Quali schon vor 3 Wochen in Paris versucht habe. Mein Ziel
ist vielmehr noch mal ein Vorbereitungslauf für den Supermarathon
am Rennsteig, da werden wir dann im Übrigen alle Vier wieder
am Start sein. Außerdem muss ich praktisch ja auch den Klaus
auf der Laufstrecke vertreten, da er derzeit verletzt ist und seiner
Profession nicht nachgehen kann. Aber erst einmal durchfinden, bei
Ansicht des Streckenplans kann einem schon schwindlig werden, aber
ich bin in der Hoffnung, gut durch geleitet zu werden. Ein bisschen
Phantasie benötigt man schon um bei der Beschreibung durchzusteigen.
Wir sind heute die ersten die den neuen Ein-Runden-Kurs laufen dürfen,
im Vorfeld gab’s schon viel darüber zu lesen. Besonders
viel Augenmerk wurde auf die Kilometer in der Innenstadt gelegt.
10 Minuten vor dem Start ist noch keine übertriebene Hektik
in den Startaufstellungen angesagt, man kann sich ganz locker und
easy bewegen und auch an den Toiletten sind keine größeren
Staus. Klaus ist hier auch unterwegs und mit seiner großen
Kamera bewaffnet, sucht er sich die begehrtesten Fotomotive, so
wie ich in kennengelernt habe, würde er jetzt aber lieber im
Laufdress hier stehen. Alle die dich kennen, drücken dir sicher
die Daumen dass du bald wieder selber starten kannst.
In drei Blöcken mit 3 Minuten Abständen ist die Startaufstellung
eingeteilt, damit es nicht gleich einen Riesenstau gibt. Insgesamt
sind heute 4.200 Läufer am Start, die volle Distanz laufen
1.200. Pünktlich um 10 Uhr geht’s los mit einem Böllerschuss.
Mario, Magic und Hans machen sich gleich ganz schnell vom Acker.
Der erste Kilometer ist problemlos ohne großes Gedränge
zu laufen und endet genau vor dem Vermessungsamt, einer meiner Laufnachbarn
hegt gerade Zweifel an seiner Kilometerzeit, da erkläre ich
ihm schmunzelnd: "muss doch stimmen, wir stehen genau vor dem
Vermessungsamt".
Die Brücke der Deutschen Einheit ist nach 2 ½ km erreicht,
als erste Band machen die Crash Kidz schon mal ordentlich Dampf.
Kurz darauf geht’s links rum in den Röntgenring, hier
ist einiges an Zuschauern auf den Beinen, sie feuern uns kräftig
an. Nach 5 km erreichen wir auch schon den Innenstadtbereich, der
ist natürlich gut besucht, in den engen Straßen mit den
Zuschauern macht’s schon richtig Spaß zu laufen, rechts
von uns liegt der Marktplatz mit der wunderschönen, in knalligen
Rot leuchtenden Marienkapelle. Da kommt auch die erste gut bestückte
Verpflegungsstelle, jetzt um 10.30 Uhr hat’s bereits 18 Grad,
da ist Flüssigkeitsaufnahme schon enorm wichtig.
Im Verlauf der Strecke schlängeln wir uns durch die Altstadt
in unzähligen Bögen und Ecken, mal durch ganz enge Gässchen
auf Kopfsteinpflaster, dann wird’s wieder breiter und schon
geht’s wieder um eine Kurve rum, für einen der heute
ein bisschen langsamer läuft ist das ganz wunderbar und abwechslungsreich
und es gibt einiges zu sehen. Für die schnelleren ist’s
vielleicht schon etwas kurvig. Als Auswärtiger wie ich, kann
man hier schon leicht mal den Überblick verlieren. Ich laufe
halt immer der Herde nach, die vor mir werden schon wissen wo’s
lang geht.
Dann komm ich beim Tim Brown vorbei, der ist auch gut drauf und
spielt uns den alten Queen Klassiker "We Will Rock You",
das gefällt mir super, eine Ecke weiter rocken die Mädels
von Jane Doe, hier lässt es sich auch musikalisch recht gut
aushalten. Weiter geht’s in Richtung Frauenland – da
bin ich mal gespannt wer uns da erwartet – die nächsten
Kilometer werden jetzt doch etwas welliger, immer abwechselnd geht’s
mal rauf und runter, aber besonders Angsteinflößende
Steigungen sind das freilich nicht, nach noch nicht einmal einer
Stunde Laufzeit gibt’s da "Null Problemo". Zwischen
Kilometer 8 - 10 laufen wir durch’s Frauenland, aber ein bisschen
mehr von der holden Weiblichkeit könnten hier schon an den
Straßen stehen, arg ruhig ist hier draußen, Musikgruppen
sind auch keine postiert. Vor mir läuft die Carlota Hertel,
ich sprech’ sie an, weil sie ein Köln-Marathon-Shirt
trägt und frage: "In Köln ist doch bestimmt einiges
mehr los", sie antwortet mir erstaunlicher weise: "auch
nicht überall, da gibt es auch mal ruhige Stellen". Da
hätte ich jetzt eigentlich was anderes erwartet, so kann man
sich täuschen.
Nach 12 Kilometern erreichen wir den Main und laufen jetzt einige
Zeit den T. Heuss-Damm hinunter, links oben kann man die nach Plänen
von Baltasar Neumann errichtete Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung
erblicken, besser bekannt ist sie hier natürlich unter dem
volkstümlichen Namen "Käppele". Noch 3 km weiter
sind wir direkt unter der Festung Marienburg, diesen herrlichen
Blick vom Main hinauf kann man einige Zeit genießen. Dann
wird’s wieder kurvenreich, wir sind wieder in der Altstadt,
sofort kommt wieder Stimmung auf und alle Arten von Musikgruppen
unterhalten uns.
Bei Km 19 ist es dann soweit, hier trennt sich die Spreu vom Weizen,
zumindest werden die Marathonläufer so denken. Die Weiche ist
erreicht, hier kann man sich entscheiden, reicht der Halbe oder
pack ich doch den Ganzen. Für mich und meinem heutigen Tempo
natürlich keine Frage, links halten und weiter geht’s.
Es geht noch mal ein Stückchen am Main entlang, direkt gegenüber
liegt der Zieleinlauf, mir macht’s aber nichts aus, ich lauf
lieber bei diesem super Wetter noch ein Stückchen, was soll
man sonst auch schöneres machen, an so einem herrlichen Sonntag.
Ich komme jetzt wieder an der Linkskurve Richtung Bahnhof vorbei,
am Vormittag waren hier wirklich viele Zuschauer, für die übriggebliebenen
Marathonis steht jetzt fast Niemand mehr. Man merkt natürlich
dass die Halbmarathonläufer nicht mehr auf der Strecke sind,
es ist schon ziemlich einsam geworden. Bevor ich die HM-Marke erreiche,
geht es noch ein Stück durch einen Park, das finde ich sehr
schön, so wunderbar grün ist schon alles. Wenn man mal
die Zwischenzeit passiert hat, kann man immer noch aussteigen und
man bekommt eine offizielle Halbmarathonzeit angerechnet, in die
Siegerlisten kommt man aber nicht. Ist aber trotzdem eine gute Sache,
wie ich finde.
Auf der Brücke der Dt. Einheit spielen wenigstens noch immer
die Crash Kidz, ich fordere sie auf noch ein bisschen Dampf zu machen.
Nach 23 km bin ich genau oberhalb des Zieleinlaufes am Viehmarktplatz,
gerade verkündet der Stadionsprecher die Zielankunft des Marathonsiegers
und ich darf noch 19 Kilometer laufen. Auf einem Temperaturanzeiger
kann ich schon die 21 Grad ausmachen, glücklicherweise sind
die Verpflegungsstationen alle noch gut bestückt, so werde
ich das auch locker über die Bühne bringen.
Die nächsten Kilometer ziehen sich jetzt doch ziemlich lange
auf einsamen Wegen aus der Stadt heraus nach Heidingsfeld. Zwischen
Km 29 und 30 ist dann Endstation, aber nicht mit dem Marathon sondern
nur mit der Straße, am Wendepunkt geht es auf der anderen
Straßenseite in entgegen gesetzter Richtung zurück. Hier
treffe ich wieder Carlota Hertel, ein bisschen klagt sie mir über
ihre schmerzenden Hüften, aber irgendwie wird’s schon
gehen. Ich mache ein Foto von ihr und sie schafft’s auch bis
ins Ziel.
Vor ein paar Kilometern hab ich mir zum Wasser auch einmal ein Power-Gel
gegönnt und jetzt wo ich nicht mehr so viel fotografieren muss,
kann ich richtig Tempo aufnehmen, leider hat mein Laufsensor meiner
"supertollen" Laufuhr von der Firma mit den 5 Buchstaben
schon wieder den Geist aufgeben, so dass ich nicht genau feststellen
kann wie schnell ich gerade laufe. Schon vor ein paar Wochen wurde
mir einen neue Platine eingepflanzt, natürlich nicht mir sondern
meinem S3 Sensor, jetzt scheint das Problem von neuem aufzutreten,
gerade mal 30 Kilometer hat die Batterie gehalten, auf die verspürt
dieses Elektronikteil besonderen Appetit.
Die Ludwigsbrücke – bei den Einheimischen wird sie auch
Löwenbrücke genannt, wegen ihrer vier Löwenstatuen
– führt mich nach Km 32 wieder auf die andere Seite des
Mains. Die folgenden 10 Kilometer kommen mir vor wie ein Déjà-vu,
obwohl wir doch auf einem Ein-Runden-Kurs sind. Natürlich unterliege
ich keiner Bekanntheitstäuschung, viele Teile der Strecke durchläuft
man wirklich zweimal, manche sogar dreimal. Mir persönlich
kommt’s aber gefühlsmäßig, fast immer noch
wie ein Zwei-Runden-Kurs vor. Dafür sind die mehrmals zu durchlaufenden
Streckenteile aber größtenteils auch die vom Publikum
frequentiertesten und auch schönsten Teile der Laufstrecke
und haben schon ihre Berechtigung.
Die letzen Kilometer durch die Innenstadt sind mittlerer weile doch
schon etwas von Auflösung betroffen, die Absperrungen durch
die gut besuchte Fußgängerzone mögen nicht mehr
so recht klappen, hier habe ich an manchen Stellen nicht mehr das
Gefühl dass ich mich auf einem Marathonkurs befinde. Viel zu
viele Fußgänger und auch Radfahrer schlendern oder fahren
durch dich abgesperrte Laufstrecke, ich muss schon des Öfteren
für sie Platz machen, da ich heute nicht an meinem Limit laufe,
macht mir das relativ wenig aus, aber ich weiß natürlich
allzu gut, dass für die meisten bei km 38 so ein Manöver
nicht mehr so locker auszuführen ist, hier sollte der Organisationschef
Günter Herrmann seinen Ordnern, die ja noch zahlreich an der
Strecke vertreten sind, vielleicht etwas mehr Durchsetzungsvermögen
gegenüber der Passanten einimpfen. Endlich habe auch ich die Alte Mainbrücke erreicht, die Gerade
runter zur Brücke ist dann aber wieder ein richtiges Highlight,
auch jetzt stehen hier noch jede Menge Zuschauer und feuern uns
an. Nach überqueren der Brücke geht’s rechts noch
die Saalgasse ein paar hundert Meter runter und ich habe das Ziel
auf den Talavera Mainwiesen erreicht. Als erstes gönne ich
mir mal ein frisches Bier, wenn’s auch nur alkoholfrei ist,
schmeckt doch wunderbar nach getaner Arbeit. Klaus liegt auch schon
wieder auf der Lauer, er erzählt mir gleich von Mario’s
heißem Ritt, der verrückte Hund hat doch tatsächlich
sein Ziel erreicht und sogar überboten. Mit einer Zeit von
3:14:55 hat er sich den Boston Startplatz gesichert, das freut mich
doch richtig für ihn. Noch besser machte es Speedy mit einer
neuen Bestzeit von 3:12:04. Knapp dahinter lief Magic mit 3:15:36
ein.
Die Verpflegung im Zielbereich ist wie auf der gesamten Strecke
erstklassig, von Wasser, Red Bull, Bier, Sojadrinks über Kuchen
und allen möglichen Obstsorten wird alles angeboten. Auch wenn
noch nicht alles optimal ist, bietet der Würzburg Marathon
dennoch ein tollen Marathon in einer wunderschönen Umgebung.
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