6. Nov. 2005, 10.15 Uhr, New York City Marathon
  Florida, Wilma und der New York City Marathon    
Autor: Bernhard Manhard
Bericht als PDF
Teil 1 Florida & Wilma     Teil 2 Anna Maria & Friendship Run   Teil 3 Marathon
 
Freiburg Marathon  
König-Ludwig Marathon    
Alpseelauf    
München Marathon    
New York Marathon

»Alles nur psychisch«

Accepted
Congratulations! You have been accepted into the ING New York CityMarathon 2005! We are so glad to have you joining us along with athletes from more than 100 other countries.
Sincerely, Mary Wittenberg President and CEO,
New York Road Runners Race Director, ING New York City Marathon

Am 11. Mai 2005 hatte ich es Schwarz auf Weiss in meinem E-Mail-Postfach. Ich hatte in der Auslosung einen der begehrten Plätze für den Marathon bekommen. Jetzt hatte ich noch 6 Monate um alles zu organisieren. 1 Woche Miami mit Flug ab Düsseldorf hatte Gabi schon bei Voxtours im TV gewonnen. In weiser Voraussicht hatte ich uns auch schon den Reisetermin auf Okt/Nov vormerken lassen.

Vorbereitung
Meinen letzten »Long Jog« über 35km hatte ich am Sa. 15.10. absolviert. Ich fühlte mich nach 10 Wochen Marathontraining, in denen ich 3 HM’s und den Alpseelauf bestritt in absoluter Höchstform. Meine vorherigen Bestzeiten hatte ich alle pulverisiert. Steigerte ich doch meine HM-Marke am 18.9. beim Brombachsee-Marathon auf 1:33:29 Std. Dieser letzte »Lange« fiel mir so spielerisch leicht, daß ich jetzt in NYC mit einer Zeitum 3:40 oder besser rechnete, obwohl ich keine Bestzeit laufen wollte. Aber bewusst bremsen wollte ich auch nicht. Der letzte Lauf, einen Tag vor dem Abflug über 22 km viel mir dann aber schon sehr schwer.

Wilma
Abflugtermin war Freitag der 21.10., Zwei Wochen Urlaub in Florida hatten Gabi und ich noch vor uns. Die Berichte des bevor- stehenden Hurrikans machten mich schon etwas nervös. Alle Future-Tracks führten über Süd-Florida und Miami. Otto hatte mir schon abgeraten zu fliegen. Mittlerweile hatte sich »Wilma« zum stärksten Hurrikan aller Zeiten entwickelt, seit es Messungen gibt, mit Stärke 5+ und Windgeschwin- digkeiten über 250 km/h. Es wurden aber noch keine Flüge nach Miami gecanceled und so flogen wir auch.

In Miami um 14.30 Uhr angekommen, stecken wir schon in der ersten »Line«, da gerade sehr hoher Flugbetrieb herrschte, durften wir 40 Min. Warteschleife fliegen, wären nicht so viele Wolken gewesen, hät- ten wir einen traumhaften Rundflug quer über die Everglades bis auf die Westseite nach Ft. Myers und wieder zurück erhalten. So mußten wir uns mit einigen Blicken durch die Wolkenlöcher begnügen. Es hatte bei der Landung noch tropische schwülwarme 30 Grad und auch einige kleine Schauer. Nachdem wir unseren Chevy abholten, machten wir uns auf den Weg zum Hotel. Ein wunderschönes Art-Déco-Gebäude von 1928 in Miami Beach, mit direkten Zugang zum Strand und traumhaftschönen 60 m Pool im tropischen Palmengarten. 200 m von der berühmten Partymeile der Reichen und Schönen, dem Ocean Drive in South Beach entfernt. Wäre es nicht unser Reisegewinn gewesen, hätten wir für die eine Woche 2300 $ bezahlt. Das Auto wur- de uns mal gleich wieder abgenommen und in ein entferntes Parkhaus gebracht, da es in South Beach keine Langfristparkplätze gibt. Das Valet Parking kostete uns jeden Tag 25 $, ohne die Trinkgelder fürs Holen und Bringen, dafür mussten wir aber auch keinen Schritt zu viel machen.

Wilma kommt
Ungefähr um 5.00 Uhr in der Nacht zog der Wind auf und es fing an zu regnen. Wilma kündigte sich jetzt doch an. Ich wollte mir das nicht entgehen lassen und bin immer wieder aufgestanden und ans Fenster. Im Bett konnte man einige male das Wackeln unseres Gebäudes spüren. Um ca. 9.00Uhr zog das Auge des Hurrikans etwa 80 Meilen nördlich von Miami über Florida hinweg. Genau wie es die Meteorologen schon seit Tagen vorhergesagt hatten. Wir ließen uns das aufregende Schauspiel nicht entgehen, unser Fernseher war jetzt das Fenster. Was hätten wir auch anderes machen sollen, das Hotel durfte niemand verlassen. Strom und Wasser gab es auch nicht mehr. Wir konnten aber immerhin im Hotel nochmal dieses »günstige« Frühstück einnehmen. Zwar ohne Kaffee, Eier, Speck oder anderen Gebratenem, aber es kostete trotzdem wieder 52 $. Aber immerhin wurden wir satt. Genau so schnell wie Wilma kam, ging sie auch wieder. Gegen 13.00 Uhr war nur mehr etwas Wind und Sonne spitzelte hin und wieder auch schon durch. Wir durften das Hotel jetzt verlassen und verschafften uns einen kleinen Überblick der Lage. Alle Hotels standen noch, aber die Palmen war arg gerupft oder gar entwurzelt. Bis 16.00 Uhr musste man durchhalten, dann gab es wenigstens wieder Wasser bei uns im Hotel. Aber »No Power in Miami« bedeutete für uns dass es keinen Strom gab, Kerzen hatten wir vergessen zu kaufen und wurden vom Hotel auch nicht ausgegeben. Immerhin hatte unser Hotel ein Not- stromaggregat, welches die Lichter der Lobby, des Restaurants und der Gänge erhellte. Der Aufzug fuhr auch, wir gingen aber vorsichtshalber beim ersten Mal noch zu Fuß. Mit etwas Essen und Trinken hatten wir uns aber am Vortag noch eingedeckt, so mussten wir wenigstens noch nicht hungern. Um 19.00 Uhr wurde es dunkel und es blieb uns nichts anderes übrig als ins Bett zu gehen. Am nächsten Morgen gab es immer noch keinen »Power« und wir dachten uns, wir machen mal einen kleinen Ausflug mit dem Auto aus dem Großraum Miami hinaus, vielleicht 100 Meilen »North« und dann würde es schon wieder mal irgendwo Strom geben und könnten dann auch gleich unterwegs schön frühstücken und shoppen gehen. So fuhren wir los, aber Miami war stromlos, nicht eine Ampel war in Betrieb. Sensationell wie die Amerikaner den Verkehr lösten, immer der zu erst an der Kreuzung war durfte fahren, egal wie viele Spuren eine Straße hatte. Bei uns würde das zum Kriegszustand auf den Straßen führen. Es war bereits fast 13.00 Uhr, wir waren weit im Land und bereits über 100 Meilen gefahren und wir hatten Hunger!!! Aber auch hier gab es keinen Strom, ganz Süd-Florida hatte keinen. Wir fanden dann aber doch noch »einen« geöffneten Supermarkt. Ohne Licht im Laden und an der Kasse, unüblich in den USA, musste man natürlich bar bezahlen. Wir holten uns Donuts, Cookies und etwas zu Trinken, frische Waren gab es natürlich nicht, und waren gerettet. Aber die Tankuhr verhieß nichts Gutes, jetzt mussten wir umkehren. Nach »40 mi« auf der Autobahn waren wir wieder in der »Miami Area« und versuchten an mehreren Ausfahrten, Sprit zu bekommen. Die Tankuhr zeigte nur noch wenig an. An einer weiteren Tankstelle erklärte uns der Pächter, an einer Militärtankstelle, irgendwo wieder einige Meilen weiter nördlich gäbe es »Gas«. Bis Miami Beach waren es bestimmt noch 90 Meilen, würden wir diese Tankstelle nicht finden, kämen wir kaum mehr bis zum Hotel zurück. Wir gingen das Risiko nicht ein und machten uns ohne Klimaanlage und im Schneckentempo auf dem direkten Weg auf der Autobahn nach South Beach. Wäre uns hier irgendwo der Sprit ausgegangen, hätte wir uns wohl zu Fuß auf den Weg machen müssen, Telefon gab’s nicht und Busse oder Taxis fuhren auch nicht mehr. Wir hatten dann doch das Glück und zuckelten bis auf Reserve zum Hotel zurück. Was hatten wir Touristen doch am Morgen für eine glorreiche Idee! Miami Beach wurde bereits aus Angst vor Plünderungen abgesperrt, nur noch Anwohner durften rein, wir konnten uns, mit unserem Zimmerschlüssel in Kartenform ausweisen. Als eines der ersten Viertel gab es jetzt in South Beach am späten Nachmittag wieder Strom, lange vor anderen Stadtteilen, wieder ein großer Vorteil dieser exklusiven Lage. Am Abend sollten alle laut Polizeiempfehlung um 20.00 Uhr wieder in ihren Hotels sein, da es in den Strassen noch kein Licht gab. Mittwoch Vormittag machten wir uns gleich auf den Weg zum tanken, die »Gas Line« stand um 3 Blocks und nach knapp 2 Std. durfte ich für 25 $ tanken. Wir mussten leider unser komplettes Sightseeing-Programm strei- chen, da nichts mehr in dieser Woche geöffnet hatte.

Ab Donnerstag war wenigstens in South Beach wieder fast alles geöffnet, die Strände und Poolanlagen waren gereinigt. In Miami sah es aber noch ziemlich wüst aus, überall entwurzelte Bäume und um- geknickte oder beschädigte Straßenlater- nen und Glasschäden, Geschäfte oder Restaurants waren dort auch keine ge- öffnet. Ganz so schlimm, wie bei einigen vorherigen Stürmen war es aber scheinbar doch nicht, hatte sich doch Wilma schon in Mexiko ordentlich ausgetobt. Ich machte noch zwei Läufchen, einmal etwas länger aber viel besser fühlte ich mich immer noch nicht. Langsam machte ich mir Sorgen um meinen Marathon. Gabi sagte wieder: »Alles psychisch!« Am Freitag konnten wir dann endlich Miami verlassen und auf die andere Seite in den Golf von Mexiko ziehen. Abenteuerlich und interessant war es auf alle Fälle, wir hatten noch viele weitere kleine Erlebnisse und einen Hurrikan erlebt man auch nicht alle Tage.

 
Der »Future Track« von Hurrikan »Wilma« verhieß nichts Gutes.
Unser Zimmer im Hotel National mit Blick auf das Meer und ...
... die herrliche Poolanlage!
Meine Laufeinheiten führten mich immer bis zur Südspitze von Miami Beach, mit Blick auf Fisher Island, Key Biscayne und dem Hafen von Miami.
Besonders die vielen farbenprächtigen
Art-Déco-Wasserwacht-Stationen hatten es mir auf meiner Laufrunde angetan. Leider wurde bestimmt die Hälfte von »Wilma« zerstört.
Dank »Google« konnte ich mir meine Laufstrecke schon vorher vom Satellit aus aussuchen.
Hier war »Wilma« schon auf dem Weg Richtung Süd-Florida.
Der Blick auf »Wilma« von unserem Hotel- fenster aus. Anfangs sah es noch so aus ...
... dann wurde es immer heftiger!
   
       
       
       
       
       
       
       
       
       
     
 
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